Anmerkung von
Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Bub, Rechtsanwalt Nikolay Pramataroff, Rechtsanwälte Bub, Gauweiler & Partner, München
Aus beck-fachdienst Miet- und Wohnungseigentumsrecht 04/2019 vom 28.02.2019
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Sachverhalt
Die Parteien streiten um die Räumung einer Wohnung aufgrund von Hundehaltung. Mit Mietvertrag vom 19.10.2016 vermietete die Klägerin die streitgegenständliche Wohnung an den Beklagten zum 16.11.2016. § 10 Abs. 1 d) des Mietvertrags lautet:
„Mit Rücksicht auf die Gesamtheit der Mieter und im Interesse einer ordnungsgemäßen Bewirtschaftung des Gebäudes und der Wohnung bedarf der Mieter der vorherigen Zustimmung des Wohnungsunternehmens, wenn er Tiere hält, soweit es sich nicht um übliche Kleintierhaltung handelt.“
Zuvor bewohnte der Beklagte eine Dachgeschosswohnung der Klägerin im Nachbarhaus. Er zog aufgrund seiner Hunde in die streitgegenständliche Wohnung ins Erdgeschoss. Der Klägerin war bekannt, dass der Beklagte in der Dachgeschosswohnung zuvor mit Hunden gelebt hatte und sprach eine entsprechende Tolerierung aus. Mit Schreiben vom 31.05.2018 forderte die Klägerin den Beklagten auf, seine beiden Hunde bis zum 17.06.2018 nachweislich anderweitig unterzubringen und drohte für den Fall der Nichterfüllung an, das Mietverhältnis zu kündigen. Am 18.06.2018 stellte die Klägerin fest, dass die Hunde des Beklagten weiterhin in der Wohnung lebten. Mit Schreiben vom gleichen Tag, welches dem Beklagten am 21.06.2016 zuging, kündigte die Klägerin das Mietverhältnis fristlos wegen fehlender Genehmigung der Hundehaltung.
Die Klägerin behauptet, die Hunde des Beklagten stellten in erheblichen Umfang eine Gefahr für die weiteren Mitbewohner dar: zudem gelte die Duldung der Hunde in der ersten Wohnung nicht für die hier streitgegenständliche Wohnung. Ihre Genehmigung hätte erneut eingeholt werden müssen. Der Beklagte behauptet, er sei im Besitz von zwei XXL-Bullis. Diese beiden Hunde haben bereits in der Dachgeschosswohnung mit ihm gelebt. Dies sei der Klägerin nunmehr seit mehr als zwei Jahren bekannt gewesen.
Entscheidung: Hundehaltung wurde toleriert, was eine Kündigung wegen dieser ausschließt
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Der Klägerin steht gegen den Beklagten kein Anspruch auf Herausgabe und Räumung der Wohnung nach § 546 Abs. 1 BGB zu, da die Kündigung unwirksam sei und deshalb das Mietverhältnis nicht beendet habe. Es fehle zum einen ein wichtiger Grund gemäß §§ 543, 569 BGB zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung.
Zum anderen seien gemäß § 569 Abs. 4 BGB nur die im Kündigungsschreiben angegebenen Gründe berücksichtigungsfähig. Bei der Begründung handele es sich dabei um eine echte Wirksamkeitsvoraussetzung. In Betracht als wichtiger Grund komme damit nur die Kündigung des Mietverhältnisses wegen der im Kündigungsschreiben genannten fehlenden und nicht erteilten Genehmigung einer Hundehaltung. Unstreitig habe die Klägerin Kenntnis von der Haltung von mindestens zwei Hunden in der Dachgeschosswohnung gehabt und habe eine Tolerierung ausgesprochen, dies im Übrigen, obwohl es sich um eine Dachgeschosswohnung gehandelt hatte. Die Behauptung des Beklagten, er sei wegen seiner beiden Hunde in die Erdgeschosswohnung der Klägerin umgezogen, habe diese nicht bestritten. Die Klägerin bestreite dagegen, dass es sich bei den von dem Beklagten gehaltenen Hunden um XXL-Bullis handele und, dass diese Hunde bereits in der Dachgeschosswohnung vorhanden gewesen wären. Das Gericht sei jedoch davon überzeugt, dass sich die Klägerin zu keinem Zeitpunkt für die Art bzw. die Rasse der Hunde interessiert habe, also auch nicht, als sie die Haltung der Hunde in der ersten Wohnung ausdrücklich toleriert habe. Denn ansonsten könnte die Klägerin substantiiert darlegen, um welche Hunde es sich seinerzeit gehandelt haben soll. Zudem sei es fraglich, wie die Klägerin von einer erheblichen Gefährdung der Hunde des Beklagten ausgehen könne, wenn sie die Hunde bzw. deren Rasse nicht kenne und nicht einordnen könne. Letztlich müsse das Gericht davon ausgehen, dass die Klägerin die Hundehaltung des Beklagten auch in der zweiten Wohnung kannte bzw. kennen musste und diese unstreitig für mindestens zwei Jahre in der „neuen“ Wohnung geduldet habe. In einem solchen Fall scheide eine fristlose Kündigung wegen fehlender Genehmigung aus.
Selbst wenn man zu Gunsten der Klägerin den Kündigungsgrund dahingehend auslegen würde, dass sie die erteilte Zustimmung der Hundehaltung gem. § 10 Abs. 4 des Mietvertrags wegen Gefährdung anderer Bewohner widerrufen habe, so fehlten in dem Schreiben vom 31.05.2018 und im Kündigungsschreiben genaue Tatumstände, die eine Gefährdung der Bewohner beschreiben könnten. Allein die Behauptung, dass „einige Bewohner die Hunde des Beklagten als Bedrohung empfinden“ genüge dazu nicht. Auf die pauschale Behauptung der Klägerin, von den Hunden des Beklagten gehe im erheblichen Umfang eine Gefahr aus, komme es somit für die Beurteilung der Wirksamkeit der streitgegenständlichen Kündigung nicht an.
Ob und inwieweit letztlich eine ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses gem. § 573 BGB wegen Vertragsverletzung nach Widerruf einer Duldung der Hundehaltung unter Abwägung der Interessen wirksam gewesen wäre, bedürfe keiner Entscheidung, weil die Klägerin ausdrücklich und ausschließlich die fristlose Kündigung erklärt habe.
Praxishinweis
Ob und inwieweit das Halten von Hunden und Katzen zum vertragsgemäßen Gebrauch gehört und daher ohne besondere Erlaubnis des Vermieters zulässig ist, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten (dagegen: OLG Hamm, Beschluss vom 13.01.1981 - 4 RE-Miet 5 u. 6/80, NJW 1981, 1626; OLG Köln, Urteil vom 26.06.1987 - 6 U 257/86, NJW-RR 1988, 12; LG Karlsruhe, Beschluss vom 04.02.2002 - 5 S 121/01, NJW–RR 2002, 585; Emmerich in Staudinger § 535 Rn 54; dafür OLG Stuttgart, Beschluss vom 04.03.1982 - 8 W 8/82, ZMR 1983, 322; AG Köln, Urteil vom 13.01.1997 - 213 C 369/96, MDR 1997, 344). Der BGH zurecht bei Fehlen einer mietvertraglichen Regelung eine generalisierende Betrachtung abgelehnt und eine Abwägung der konkreten Umstände des Einzelfalls für erforderlich gehalten (BGH, Urteil vom 20.03.2013 – VIII ZR 168/12, NZM 2013, 378). Gegen den vertragsgemäßen Gebrauch und damit für einen Erlaubnisvorbehalt spricht, dass sich Störungen oder Belästigungen von Mitbewohnern oder Nachbarn durch derartige Haustiere nie ganz ausschließen lassen und dem Vermieter die Möglichkeit bleiben muss, im Einzelfall nach den Umständen und der Art des anzuschaffenden Tieres zu prüfen und zu entscheiden, ob der Tierhaltung wesentliche Belange entgegenstehen (Kraemer/von der Osten in Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 4. Aufl. 2014, Kap. III Rn. 2551).
Vorliegend hat die Vermieterin die Erlaubnis erteilt und längere Zeit die Hundehaltung geduldet, weshalb grundsätzlich eine fristlose Kündigung ausscheidet (LG Essen, Urteil vom 30.01.1985 – 1 S 589/84, WuM 1986, 117). Sie konnte weder nachweisen, dass sich ihre Erlaubnis auf andere Hunde bezog noch, dass sich im Nachhinein andere Umstände ergeben haben, die den Widerruf der Erlaubnis rechtfertigen konnten (vgl. BGH, Hinweisbeschluss vom 25.09.2012 – VIII ZR 329/11, NZM 2013, 380). So wird zum Teil die Ansicht vertreten, dass bei der Haltung von sog. Kampfhunden (so wohl auch vorliegend (XXL Bullis)), der Vermieter eine für das Verbot der Haltung keine konkrete Gefahr darlegen müsse, da durch diese Tiere grundsätzlich Gefährdungen oder Belästigungen von Mitbewohnern und Nachbarn zu befürchten seien (KG, Beschluss vom 22.07.2002 - 24 W 65/02, NZM 2002, 868; OLG Köln, aaO; LG Gießen, Urteil vom 15.06.1994 - 1 S 128/94, NJW-RR 1995, 12 z. einem Bullterrier). Letztlich ist es jedoch immer eine Einzelfallentscheidung, ob vom erlaubnispflichtigen Tier eine Gefahr für die übrigen Anwohner oder das Mietobjekt ausgeht. So hat das LG Offenburg (Urteil vom 14.10.1997 – 1 S 36/97, BeckRS 1997, 30947708) das Halten von zwei Kampfhunden ohne Zustimmung des Vermieters, von denen nach der erhobenen Beweisaufnahme keine konkrete Gefahr festgestellt werden konnte, für eine fristlose Kündigung nicht für ausreichend erachtet.
Eine Klausel in einem Formularmietvertrag, die generell das Halten von Hunden und Katzen verbietet, verstößt gegen § 307 Abs. Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB und ist unwirksam (BGH, Urteil vom 20.03.2013 – VIII ZR 168/12, NZM 2013, 378).