AG Brandenburg: Einbau eines Aufzugs als Modernisierungsmaßnahme

BGB §§ 555b, 555d, 559, 559b

Der Anbau eines Aufzugs an ein mehrstöckiges Wohnhaus ist keine „Luxusmodernisierung“.

AG Brandenburg, Urteil vom 31.08.2018 - 31 C 298/17, BeckRS 2018, 19926

Anmerkung von
Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Bub, Rechtsanwalt Nikolay Pramataroff, Rechtsanwälte Bub, Gauweiler & Partner, München

Aus beck-fachdienst Miet- und Wohnungseigentumsrecht 18/2018 vom 13.9.2018

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Sachverhalt

Die Klägerin verlangt von dem Beklagten die Zahlung einer aufgrund einer durchgeführten Modernisierungsmaßname (Anbau eines Personen-Aufzugs an ein Mietshaus) erhöhten Miete gemäß §§ 559, 559b, 555d BGB für eine vom Beklagten angemietete, im 3. Obergeschoß gelegene 3-Raum-Wohnung. Die Klägerin hatte die Durchführung von Modernisierungsmaßnahmen u.a. den Anbau eines Personenaufzuges an dem Wohngebäude gegenüber dem Beklagten angekündigt, dabei im Einzelnen die Höhe der Modernisierungskosten aufgeschlüsselt und die ab dem 01.01.2018 zu zahlende erhöhte Miete berechnet. Danach sei sie berechtigt, die jährliche Netto-Kalt-Miete um 11 % der aufgewandten, auf die Wohnung entfallenden Modernisierungskosten zu erhöhen. Der Beklagte hält den Anbau des Aufzuges für eine „Luxussanierung“, da ein Personenaufzug erst bei Wohnhäusern ab fünf Geschossen erforderlich sei. Demgegenüber beruft sich die Klägerin darauf, dass die Anbringung des Personenaufzuges angesichts der zunehmenden Alterung der Bevölkerung erforderlich gewesen sei.

Rechtliche Wertung

Die zulässige Klage ist begründet. Der Klägerin kann von dem Beklagten die Zahlung des nach den §§ 535, 555b, 555d, 559, 559b BGB errechneten Mieterhöhungsbetrages verlangen. Die Klägerin habe Modernisierungsmaßnahmen i.S.d. § 555b BGB durchgeführt, so dass ihr ein Anspruch auf Zahlung des zutreffend errechneten Modernisierungszuschlags zustehe, § 559 BGB. § 555b Nr. 4 BGB definiert alle baulichen Veränderungen, die den Gebrauchswert der Mietsache nachhaltig erhöhen, § 555b Nr. 5 BGB alle baulichen Veränderungen, die die allgemeinen Wohnverhältnisse auf Dauer verbessern, als Modernisierungsmaßnahmen. Dies gelte grundsätzlich für den An- bzw. Einbau eines Aufzugs. Ausnahmsweise gelte dies ggf. dann nicht, wenn sich für einen Mieter einer Erdgeschoss-Wohnung der auf dem Aufzug beruhende konkrete Gebrauchsvorteil lediglich darauf beschränke, Wohnungen in höheren Etagen leichter erreichen zu können. Führt der Aufzug aber auch in das Keller-/Tiefgaragen-Geschoss, bestehe auch für einen Erdgeschoss-Mieter ein Gebrauchsvorteil. Auf jeden Fall handele es sich bei einem Anbau des Aufzugs aber – insbesondere unter Beachtung der nach den demographischen Statistiken immer älter werdenden Bevölkerung Deutschlands – nicht um eine „Luxusmodernisierung“. „Luxusmodernisierungen“ beträfen vielmehr einen Ausstattungsstand, der mit Blick auf den bisherigen Zustand der Wohnanlage so hoch ist, dass er bei objektiver Betrachtung nur von einem kleinen Kreis der dortigen Mieter nachgefragt wird. Zudem werde die Ausstattung eines Hauses mit einem Aufzug von großen Teilen der wohnungssuchenden Bevölkerung – auch mit einem Mietzuschlag – durchaus positiv angenommen, da das Vorhandensein eines Aufzugs für viele Mieter keinen übertriebenen Luxus darstelle. Der Maßstab, nach dem beurteilt werden müsse, ob der Gebrauchs-/Wohnwert gemäß § 555b Nr. 4 und Nr. 5 BGB i.V.m. § 559 BGB verbessert wird, sei insoweit nämlich die allgemeine Verkehrsanschauung. Entscheidend sei, ob allgemein in den für das Mietobjekt in Betracht kommenden Mieterkreisen der Maßnahme des Anbaus eines Aufzugs eine Wohnwertverbesserung zugemessen wird, so dass der Vermieter damit rechnen kann, dass die Wohnung nach Durchführung dieser Maßnahme von künftigen Mietinteressenten – bei im Übrigen gleichen Konditionen – eher angemietet würde als eine vergleichbare Wohnung, bei der diese Maßnahme nicht durchgeführt worden ist. Dies sei bezüglich der im 3. Obergeschoss gelegenen Wohnung des Beklagten zu bejahen. Selbst der Beklagte könne jetzt besser und einfacher schwere Gegenstände in seine Wohnung transportieren. Auch können nunmehr ältere und/oder gehbehinderte Personen die Wohnung des Beklagten und die Wohnungen ab dem ersten Obergeschoss besser nutzen. Da die Mieterhöhungserklärung der Klägerin dem Beklagten in genügender Weise erläutert worden und die Berechnung des Erhöhungsbetrages nachvollziehbar sei, könne die Klägerin von dem Beklagten die Zahlung des eingeklagten Modernisierungszuschlags verlangen.

Praxishinweis

Das AG Brandenburg folgt zurecht der h.M., dass es sich beim Einbau eines Aufzugs i.d.R. um eine Modernisierungsmaßnahme i.S.d. § 559 BGB handelt (BGH, Urteil vom 2.3.2011 – VIII ZR 164/10, NJW 2011, 1220) handelt. Werden Modernisierungsmaßnahmen für mehrere Wohnungen durchgeführt, so kann der Vermieter gemäß § 559 Abs. 3 BGB die Kosten angemessen auf die einzelnen Wohnungen aufteilen. Dem Vermieter kommt hier also ein Bestimmungsrecht nach billigem Ermessen (§ 315 BGB) zu. Im Zweifel erscheint eine Aufteilung nach dem Verhältnis der tatsächlichen Wohnfläche der Wohnung zur Gesamtfläche angemessen (LG Münster, Urteil vom 26.11.2009 – 08 S 131/09, BeckRS 2010, 4015; Schmidt-Futterer/Börstinghaus, MietR, 13. Aufl., 2017 § 559 BGB Rn. 77; Fleindl NZM 2016, 65, 68). Grundsätzlich können nach diesem Maßstab auch Modernisierungskosten hinsichtlich des Einbaus eines Aufzugs auf die jeweiligen Mieter umgelegt werden. Die Verteilung kann den unterschiedlichen Gebrauchswert berücksichtigen (LG Hamburg, Urteil vom 30.05.2002 – 333 S 81/01, ZMR 2002, 918; Fleindl NZM 2016, 65, 68; Schmidt-Futterer/Börstinghaus a.a.O. § 559 BGB Rn. 79; Kinne ZMR 2001, 868, 871). So können die Mieter oberer Stockwerke höher belastet werden, weil ihnen der Aufzug nützlicher ist als Mietern unterer Etagen. Das LG Hamburg (a.a.O.) hat folgende prozentuale Staffelung der Aufzugskosten nach Geschossen für angemessen erachtet: Erdgeschoss 0%, 1. OG 12%, 2. OG 17,5%, 3. OG 21%, 4. OG 23,5%, 5. OG 26%. Hat der Erdgeschossmieter vom Einbau eines Auszugs Gebrauchsvorteile – etwa dadurch, dass er erleichterten Zugang zum Keller oder zur Tiefgarage erhält –, so ist es angemessen, auch ihn an den Kosten zu beteiligen (vgl. LG Berlin, Beschluss vom 09. Oktober 2017 – 64 S 73/17, WuM 2018, 212).

Eine Verteilung nach dem unterschiedlichen Gebrauchswert erscheint allerdings nur hinsichtlich der Kosten für Modernisierungsmaßnahmen praktikabel. So hat der BGH (Urteil vom 20.09.2006 – VIII ZR 103/06, NZM 2006, 895) bereits entschieden, dass jährlich wiederkehrende Betriebskosten für einen Aufzug, wie aus § 556a Abs. 1 Satz 1 BGB folgt, nach dem Anteil der Wohnfläche umzulegen sind, da eine nach der jeweiligen Verursachung oder tatsächlichen Nutzung differenzierende Umlage dieser Kosten auf die Mieter nicht praktikabel ist und eine erhebliche Unübersichtlichkeit und ständige Veränderungen in der Abrechnung zur Folge hätte.

Der Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung der Regelungen über die zulässige Miethöhe bei Mietbeginn und zur Anpassung der Regelungen über die Modernisierung der Mietsache (Mietrechtsanpassungsgesetz – MietAnpG) sieht die Einführung einer Kappungsgrenze für Modernisierungszuschläge in der Höhe von 3 EUR je qm Wohnfläche in 6 Jahren vor.

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Redaktion beck-aktuell, 13. September 2018.