BGH: Keine vorherige Fristsetzung des Vermieters für Schadensbeseitigung durch den Mieter nach Beendigung des Mietverhältnisses

BGB §§ 241 II, 280 I, 281 I, 546 I, 823 I

Schäden an der Sachsubstanz der Mietsache, die durch eine Verletzung von Obhutspflichten des Mieters entstanden sind, hat dieser - auch nach Beendigung des Mietverhältnisses - nach §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB als Schadensersatz neben der Leistung nach Wahl des Vermieters durch Wiederherstellung (§ 249 Abs. 1 BGB) oder durch Geldzahlung (§ 249 Abs. 2 BGB) zu ersetzen, ohne dass es einer vorherigen Fristsetzung des Vermieters bedarf.

BGH, Urteil vom 27.06.2018 - XII ZR 79/17 (LG Fulda), BeckRS 2018, 16616

Anmerkung von
Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Bub, Rechtsanwältin Nicola Bernhard, Rechtsanwälte Bub, Gauweiler & Partner, München

Aus beck-fachdienst Miet- und Wohnungseigentumsrecht 16/2018 vom 16.08.2018

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Sachverhalt

Der Kläger verlangt von dem Beklagten nach einem beendeten Mietverhältnis Schadensersatz wegen behaupteter Beschädigungen der Mietsache. Der Beklagte begehrt widerklagend die Rückzahlung der Mietkaution.

Der Kläger vermietete dem Beklagten eine Lagerfläche in einer Halle, in der dieser Rennsportfahrzeuge abstellte, wartete und reparierte. Nach Beendigung des Mietverhältnisses erhielt der Kläger das Mietobjekt zurück.

Der Kläger behauptet, der Beklagte habe das Mietobjekt in beschädigtem Zustand zurückgegeben. Der Fußboden der Halle sei durch Abtropfen von Schmierstoffen und Chemikalien sowie durch das Belassen von Sand, Split und Öl verschmiert, kontaminiert und massiv beschädigt gewesen. Zudem hätten sich an der Wand Verschmutzungen von verschmierten Fingern bzw. Händen befunden. Zur Beseitigung dieser Schäden habe er 2.902,09 EUR aufwenden müssen. Eine Frist zur Beseitigung der behaupteten Mängel hatte der Kläger dem Beklagten nicht gesetzt.

Mit der vorliegenden Klage nimmt der Kläger den Beklagten unter Verrechnung der geleisteten Kaution von 900 € auf Schadensersatz in Höhe von 2.002,09 EUR nebst Zinsen in Anspruch. Der Beklagte verlangt widerklagend die Rückzahlung der Kaution.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Das Landgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag in vollem Umfang weiter. Zudem möchte er die Abweisung der Widerklage erreichen.

Rechtliche Wertung

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

Im mietrechtlichen Schrifttum und in der Instanzrechtsprechung ist umstritten, ob der Vermieter bei Beschädigungen der Mietsache, die der Mieter durch Überschreitung des vertragsgemäßen Gebrauchs schuldhaft herbeigeführt hat oder die ihm zugerechnet werden können, nach der Rückgabe der Mietsache Schadensersatz unmittelbar nach § 280 Abs. 1 BGB verlangen kann oder sich der Anspruch aus §§ 280 Abs. 1, 281 Abs. 1 BGB ergibt mit der Folge, dass der Vermieter dem Mieter zunächst eine angemessene Frist zur Nacherfüllung setzen muss. Der Bundesgerichtshof hat nach Erlass des angefochtenen Urteils diese Streitfrage dahingehend entschieden, dass Schäden an der Sachsubstanz der Mietsache, die durch eine Verletzung von Obhutspflichten des Mieters entstanden sind, auch nach Beendigung des Mietverhältnisses nach §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB als Schadensersatz neben der Leistung nach Wahl des Vermieters durch Wiederherstellung (§ 249 Abs. 1 BGB) oder durch Geldzahlung (§ 249 Abs. 2 BGB) vom Mieter zu ersetzen sind, ohne dass es einer vorherigen Fristsetzung des Vermieters bedarf. Für die Abgrenzung zwischen dem Schadensersatzanspruch statt der Leistung nach §§ 281 Abs. 1 S. 1, 280 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 BGB und dem Schadensersatzanspruch neben der Leistung nach § 280 Abs. 1 BGB kommt es nur darauf an, ob die Verletzung einer zur Anwendbarkeit der §§ 281 Abs. 1, 281 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 BGB führenden Leistungspflicht oder die Verletzung einer in § 241 Abs. 2 BGB geregelten vertraglichen Nebenpflicht, bei der sich die Anspruchsvoraussetzungen allein nach § 280 Abs. 1 BGB bestimmen, in Rede steht. Unerheblich ist hingegen, ob der Schadensersatz vor oder nach Rückgabe der Mietsache geltend gemacht wird. Bei der Verpflichtung des Mieters, die ihm überlassenen Mieträume in einem dem vertragsgemäßen Gebrauch nach Maßgabe von § 538 BGB entsprechenden Zustand zu halten, insbesondere die Räume aufgrund der aus der Besitzübertragung folgenden Obhutspflicht schonend und pfleglich zu behandeln sowie alles zu unterlassen, was zu einer von § 538 BGB nicht mehr gedeckten Verschlechterung führen kann, handelt es sich um eine nicht leistungsbezogene Nebenpflicht im Sinne von § 241 Abs. 2 BGB, deren Verletzung allein nach den in § 280 Abs. 1 BGB geregelten Voraussetzungen eine Schadensersatzpflicht begründet. Das gilt nicht nur für das laufende Mietverhältnis, sondern auch nach dessen Beendigung.

Nach dieser Rechtsprechung, der sich der Senat anschließt, hat das Berufungsgericht im vorliegenden Fall zu Unrecht §§ 281 Abs. 1 S. 1, 280 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 BGB als Anspruchsgrundlage herangezogen und einen Schadensersatzanspruch des Klägers wegen der fehlenden Fristsetzung zur Nacherfüllung verneint. Der Kläger behauptet zur Begründung seines Klagebegehrens Substanzverletzungen des Mietobjekts, die vom Beklagten durch Überschreitung des vertragsgemäßen Gebrauchs verursacht worden sein sollen. In gleicher Weise kann sich im vorliegenden Fall ein Schadensersatzanspruch des Klägers auch aus § 823 Abs. 1 BGB ergeben. Es ist anerkannt, dass bei Beschädigung von Sachen, jedenfalls soweit sie nicht unmittelbarer Leistungsgegenstand sind, vertragliche und deliktische Ersatzansprüche nebeneinander bestehen können. Insoweit gelten für das Mietrecht keine Besonderheiten.

Praxishinweis

Der XII. Zivilsenat schließt sich mit der vorliegenden Entscheidung der Rechtsprechung des VIII. Zivilsenates an (BGH, Urteil vom 28.02.2018 - VIII ZR 157/17 - NZM 2018, 320), wonach der Schadenersatzanspruch des Vermieters wegen Beschädigung der Mietwohnung keine vorherige Fristsetzung zur Schadensbeseitigung erfordert. Das Fristsetzungserfordernis gelte nur für die Nicht- oder Schlechterfüllung von Leistungspflichten. Bei der Pflicht, die übertragenen Räume schonend und pfleglich zu behandeln, handelt es sich dagegen um eine nicht leistungsbezogene Nebenpflicht.

Die Leistungspflichten ergeben sich aus § 535 BGB. Der Vermieter hat dem Mieter gem. § 535 Abs. 1 BGB den vertragsmäßigen Gebrauch der Mietsache zu gewähren. Er muss hierzu dem Mieter die Mietsache überlassen, ihm also idR den unmittelbaren, ungestörten, alleinigen Besitz an ihr verschaffen. Der Vermieter hat weiter dafür zu sorgen, dass sich die Mietsache zum Zeitpunkt der Überlassung in einem zum vertragsmäßigen Gebrauch geeigneten Zustand befindet und frei von Sach- und Rechtsmängeln ist (BGH, Urteil vom 06.04.2005 - XII ZR 158/01, NZM 2005, 863). Was zum vertragsmäßigen Gebrauch zählt, ergibt sich aus dem Mietvertrag, der Art des Mietobjekts und der Verkehrssitte. Daneben ist der Vermieter während der gesamten Vertragsdauer zur Erhaltung der Mietsache in einem zum vertragsmäßigen Gebrauch geeigneten Zustand verpflichtet, sofern diese Verpflichtung nicht auf den Mieter abgewälzt ist.

Obhuts- und Sicherungspflichten (auch Fürsorgepflichten) gehören hingegen zu den Nebenpflichten, sofern sie nicht – wie die Pflicht zur Aufklärung über besondere Gefahren und Risiken der Mietsache – bereits Teil der Pflicht zur Gebrauchsgewährung, also Hauptpflicht sind. Die Parteien können weitere (atypische) Nebenleistungspflichten des Vermieters vereinbaren.

Redaktion beck-aktuell, 21. August 2018.