BGH: Umlage der Wohngebäudeversicherung auf den Mieter - Umlagefähigkeit der Kosten eines Mietausfallschadens

BGB §§ 535 II, 556 I 2, 3; BetrKV § 2 Nr. 13; II. BV § 27 I

Haben die Mietvertragsparteien die Umlage der Kosten der Gebäudeversicherung (§ 2 Nr. 13 BetrKV) auf den Mieter vereinbart, sind auch die Kosten eines in der Gebäudeversicherung mitversicherten Mietausfalls infolge eines Gebäudeschadens umlagefähig.

BGH, Urteil vom 06.06.2018 - VIII ZR 38/17 (LG Düsseldorf), BeckRS 2018, 14691

Anmerkung von
Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Bub, Rechtsanwältin Nicola Bernhard, Rechtsanwälte Bub, Gauweiler & Partner, München

Aus beck-fachdienst Miet- und Wohnungseigentumsrecht 15/2018 vom 02.08.2018

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Sachverhalt

Die Beklagte ist seit Anfang 2007 Mieterin einer Wohnung der Klägerin in Düsseldorf. Die Parteien streiten um die Umlage der Kosten der Gebäudeversicherung. Zu den Betriebskosten enthält der Formularmietvertrag in § 4 („Miete und Nebenkosten“) folgende Regelung:

„Als Nebenkosten werden anteilig folgende Betriebskosten im Sinne der Anlage 3 des § 27 Abs. 1 II. BV erhoben: […] verbundene Gebäudeversicherung […].“

Der von der Klägerin abgeschlossene Gebäudeversicherungsvertrag (Eigentumsversicherung „All Risk“) schließt - zeitlich begrenzt auf 24 Monate - das Risiko eines „Mietverlustes“ infolge des versicherten Gebäudeschadens ein.“

Die Beklagte meint, im Hinblick auf das Risiko des Mietausfalls seien die Kosten der Gebäudeversicherung nicht umlagefähig; den insoweit herauszurechnenden Prämienanteil habe die Klägerin jedoch nicht ausreichend konkretisiert. Aus diesem Grunde beglich die Beklagte die mit der Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2012 geltend gemachte Nachforderung von 86,85 € sowie den für das Jahr 2013 auf die Position „Versicherungen“ entfallenden anteiligen Betrag von 181,30 EUR nicht.

Das Amtsgericht hat die auf Zahlung von 268,15 EUR nebst Zinsen gerichtete Klage abgewiesen. Die zugelassene Berufung hat keinen Erfolg gehabt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Zahlungsbegehren weiter.

Rechtliche Wertung

Die Revision hat Erfolg. Nach Ansicht des BGH handelt es sich bei Kosten der "All-Risk-Versicherung" um umlegbare Betriebskosten. Bei den Kosten handelt es sich insgesamt um Versicherungskosten i.S.d. § 2 Nr. 13 BetrKV. Betriebskosten sind danach die Kosten der Sach- und Haftpflichtversicherung. Darunter fallen grundsätzlich alle Sach- (und Haftpflicht-)Versicherungen, die dem Schutz des Gebäudes, seiner Bewohner und Besucher dienen. Hierzu zählten auch die - anteiligen - Kosten einer Gebäudeversicherung, wenn sie einen etwaigen Mietausfall infolge eines versicherten Gebäudeschadens einschließt. Ein infolge eines versicherten Gebäudeschadens entstehender Mietausfall ist - anders als bei einer separaten Mietausfallversicherung, die vorrangig die finanziellen Interessen des Vermieters abdeckt und deshalb nicht auf den Mieter einer Wohnung umgelegt werden darf - kein eigenständiger Versicherungsfall, sondern Bestandteil des Versicherungsfalls der Gebäudeversicherung. Der BGH begründet dies mit einer historischen Auslegung. Die Mitversicherung eines Mietausfalls als Folge eines Gebäudeschadens ist seit langem fester Bestandteil marktüblicher Gebäudeversicherungen. Anhaltspunkte dafür, dass der Verordnungsgeber dies habe ändern wollen, sind nicht ersichtlich. Der Mieter erhält im Übrigen auch eine Gegenleistung. Diese besteht darin, dass der Mieter für den Fall geschützt ist, wenn er leicht fahrlässig einen Schaden der Mietsache verursacht. Er ist im Verhältnis zum Vermieter in einem solchen Schadensfall nicht nur der Verpflichtung enthoben, den verursachten Sachschaden auf eigene Kosten beseitigen zu müssen, er ist in diesem Fall nach der gefestigten Rechtsprechung des BGH regelmäßig auch vor einem Rückgriff des Gebäudeversicherers in der Weise geschützt, dass eine durch die Interessen der Vertragsparteien gerechtfertigte ergänzende Auslegung des Gebäudeversicherungsvertrags einen konkludenten Regressverzicht des Versicherers für die Fälle ergibt, in denen der Wohnungsmieter den versicherten Schaden durch einfache Fahrlässigkeit verursacht hat. Dies kommt dem Mieter einer Wohnung auch im Hinblick auf einen als Schadensfolge mitversicherten Mietausfall zugute, denn der Regressverzicht des Versicherers erstreckt sich auch auf den durch die Gebäudeversicherung gedeckten Mietausfall.

Praxishinweis

Der BGH schließt sich mit der vorliegenden Entscheidung der herrschenden Meinung an (OLG Stuttgart, Urteil vom 15.02.2007 – 13 U 145/06, ZMR 2007, 370, LG Hamburg 05.02.1998 – 333 S 117/97, BeckRS 2016, 12637; aA Blank/Börstinghaus/Blank, Miete, 5. Auflage, § 556 BGB Rn. 83), wonach eine Mietausfallversicherung – wenn sie allgemeiner Bestandteil der Gebäudeversicherung ist - in der Wohnraummiete im Zusammengang mit dieser mit umgelegt werden kann.

Der BGH hat bereits entschieden (BGH, Urteil vom 19.11.2014, VIII ZR 191/13, ZMR 2015, 112; Beschluss vom 21.01.2014, VIII ZR 48/13, GE 2014, 661), dass den Vermieter, der eine Wohngebäudeversicherung abgeschlossen hat, deren Kosten vom Mieter getragen werden, in der Regel die mietvertragliche Pflicht trifft, wegen eines Wohnungsbrands, den der Mieter leicht fahrlässig verursacht hat, die Versicherung in Anspruch zu nehmen, wenn der Brandschaden von dieser Versicherung umfasst ist. Zudem hat der Vermieter in einem solchen Fall aufgrund seiner Pflicht zur Erhaltung der Mietsache in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand (§ 535 Abs. 1 Satz 2 BGB) den Brandschaden grundsätzlich auch dann zu beseitigen, wenn er von einer Inanspruchnahme der Wohngebäudeversicherung absieht. Im Falle des Mietausfalls bei einem Brandschaden ist der Vermieter demnach verpflichtet, die Mietausfallversicherung in Anspruch zu nehmen.

Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn der Mietausfall, der Folge eines Gebäudeschadens ist,  mitversichert ist. In diesem Fall ist die Mietausfallversicherung nicht auf dem Mieter umlagefähig.

In der Geschäftsraummiete ist die Mietausfallversicherung regelmäßig nicht mitversichert; eine solche Versicherung bedarf nach § 9 Nr. 3 VGB 2010 bei gewerblich genutzten Räumen vielmehr einer besonderen Vereinbarung. Die Kosten einer derartigen separaten Mietausfallversicherung können bei Geschäftsraummietverhältnissen durch gesonderte Regelung im Mietvertrag – auch formularmäßig – auf den Mieter umgelegt werden (Beyerle, in: Lindner-Figura/Oprée/Stellmann, Geschäftsraummiete, 4. Auflage, Rn. 132; Langenberg, in: Schmidt-Futterer, Komm. z. MietR, § 556 Rn. 168; Schmid VersR 2010, 1564, 1566; aA offenbar OLG Düsseldorf, Urteil vom 29.06.2000 - 10 U 116/99, NZM 2001, 588).

Redaktion beck-aktuell, 2. August 2018.