LG München I: Mietpreisbremse in München wegen nichtiger Rechtsgrundlage nicht anwendbar

BGB §§ 555a, 556d II 5, 556g III

1. Es gibt keine bindenden Vorschriften über die Zulässigkeit der vereinbarten Miete nach § 556d BGB für München. Die Mieterschutzverordnung des Freistaats Bayern vom 10.11.2015 (MiSchuV) ist für München nicht anwendbar. Denn sie ist jedenfalls nichtig, soweit es München betrifft.

2. Die Begründung der MiSchuV erfüllt die bundesgesetzlichen Vorgaben des § 556d Abs. 2 S. 5 und 6 BGB jedenfalls bzgl. München nicht.

LG München I, Urteil vom 06.12.2017 - 14 S 10058/17 (AG München), BeckRS 2017, 134107

Anmerkung von
Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Bub, Rechtsanwältin Nicola Bernhard, Rechtsanwälte Bub, Gauweiler & Partner, München

Aus beck-fachdienst Miet- und Wohnungseigentumsrecht 25/2017 vom 21.12.2017

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Sachverhalt

Mit Mietvertrag vom 08.08.2016 vermietete die Beklagte an die Kläger eine Dreieinhalb-Zimmerwohnung in der E-straße, 4. und 5. Stock, München. Die Wohnfläche beträgt 100 m². Die von den Klägern zu zahlende Nettomiete beträgt 2.000 EUR zzgl. Betriebskosten- und Heizkostenvorauszahlung i.H.v. 300 EUR sowie Miete für die Garage i.H.v. 80 EUR.

Mit Schreiben vom 12.09.2016 rügte der Mieterverein München in Vertretung der Kläger einen Verstoß gegen die Vorschrift des § 556d BGB und forderte die Beklagten auf, Auskunft über die Höhe der Vormiete sowie etwaiger Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen zu erteilen.

Dieses Auskunftsbegehren hat der Haus- und Grundbesitzervereins München für die Beklagte mit Schreiben vom 31.10.2016 abgelehnt. Daraufhin setzte der Kläger mit Schreiben vom 15.11.2016 eine Nachfrist, eine Reaktion erfolgte nicht. Die Kläger begehrt nunmehr von der Beklagten Auskunft hinsichtlich der vorangegangenen Mieten für die von ihnen angemietete Wohnung. Das AG hat die Klage abgewiesen.

Rechtliche Wertung

Ein Anspruch auf die geltend gemachte Auskunft besteht nicht.

Die bundesgesetzlichen Regelungen im BGB zur Einführung der Mietpreisbremse sind mit dem Grundgesetz vereinbar und verstoßen insbesondere nicht gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG. Auch könne kein Zweifel daran bestehen, dass in München ein angespannter Wohnungsmietmarkt vorliege, der grundsätzlich die Einführung einer Mietpreisbegrenzung bei Neuabschluss von Mietverträgen rechtfertigen würde.

Allerdings müssten die einzelnen Gemeinden in einer von der Landesregierung zu erlassenden Rechtsverordnung bestimmt werden und diese Rechtsverordnung müsse in ihrer Begründung für die betreffenden Kreise erkennen lassen, aus welchen Gründen das jeweilige Gebiet und damit auch die Landeshauptstadt München in die Mieterschutzverordnung aufgenommen worden sei. Die von der Bayerischen Staatsregierung erlassene Mietpreisbremsenverordnung werde diesen Anforderungen nicht gerecht. Für den einzelnen Bürger sei nicht nachvollziehbar, mit welchem Gewicht welcher Indikator gewertet worden und weshalb die Landeshauptstadt München in die Verordnung aufgenommen worden sei.

Der festgestellte Formverstoß führt nach der Entscheidung des LG München I insgesamt zur Unwirksamkeit der am 14.07.2015 erlassenen und mit Wirkung vom 01.01.2016 in die Mieterschutzverordnung überführten Mietpreisbegrenzungsverordnung. Eine rückwirkende Heilung des Formverstoßes durch die am 24.07.2017 von der Bayerischen Staatsregierung nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils nachgeschobene Begründung schloss das LG München I aus. Darüber, ob die neue Begründung den Mangel der Verordnung für die Zukunft heilen kann, hatte das LG München I eigenen Angaben zufolge nicht zu entscheiden.

Praxishinweis

Das bayerische Landesverfassungsgericht ließ in einer Popularklage die Frage, ob ein Verstoß gegen die bundesrechtliche Begründungspflicht zur Unwirksamkeit der durch die Bayerische Staatsregierung am 10.11.2015 erlassenen Mietpreisbegrenzungsverordnung führt, offen und urteilte, dass diese Beurteilung in erster Linie Aufgabe der hierfür zuständigen Fachgerichte ist, da ein solches Begründungsdefizit keinen schwerwiegenden Eingriff in die Rechtsordnung im Sinn der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs zu Art. 3 Abs. 1 S. 1 BayVerf darstellt (BayVerfGH, Entscheidung vom 04.04.2017 – Vf. 3-VII-16, NZM 2017, 316); das bayerische Landesverfassungsgericht hatte auch im Übrigen keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die bayerische Mietpreisbremse (BayVerfGH, Entscheidung vom 04.04.2017 – Vf. 3-VII-16, NZM 2017, 316).

Das Landgericht München I entscheidet nunmehr vorliegend, dass die Mietpreisbegrenzungsverordnung wegen eines Begründungsmangels unwirksam ist; damit haben sich die Fragen zur Mietpreisbremse in München zunächst erledigt. 

Die Bundesländer haben überwiegend zur Vermeidung von Kosten und zur schnellen Umsetzung des Willens des Bundesgesetzgebers Landesrecht erlassen und viele Gemeinden ohne nähere Begründung als Gebiete mit einem „angespannten Wohnungsmarkt“ qualifiziert. Dies ist bereits unmittelbar im Anschluss an den Erlass der Landesverordnungen kritisiert worden (Derleder NZM 2015, 413 f).

Der Bayerischen Staatsregierung stellt sich nun die Frage, ob die nachträgliche Veröffentlichung der Begründung vorhandene Mängel heilt und ob eine rückwirkende Heilung des Begründungsmangels möglich ist. Zumindest eine rückwirkende Heilung durch Veröffentlichung der Begründung erscheint aus Gründen des Vertrauensschutzes fraglich (Börstinghaus IMR 2017, 437).

Offen ist die Rechtslage hinsichtlich der Verordnung zur Mietpreisbegrenzung noch in Hamburg und in Hessen. Das AG Frankfurt a.M. (Urteil vom 20.9.2017 – 33 C 3490/16, BeckRS 2017, 125834) hält die Begründung der hessischen Landesregierung für wirksam. In Hessen besteht jedoch die Besonderheit, dass von den insgesamt 16 Gemeinden immerhin fünf (Bad Homburg v. d. H. [Ober-Erlenbach], Darmstadt [Arheiligen, Eberstadt und Kranichstein], Frankfurt a. M. [Berkersheim, Eckenheim, Harheim, Unterliederbach], Kassel [Wolfsanger/Hasenecke] und Wiesbaden als Landeshauptstadt [Igstadt, Medenbach, Naurod]) mit räumlichen Ausnahmen für bestimmte Stadtteile versehen worden sind (dazu Drasdo, NJW-Spezial 2016, 3; Zehelein NZM 2016, 96). Die Entscheidung des AG Frankfurt a.M. ist noch nicht rechtskräftig, ebenso wie die Entscheidung des AG Hamburg-Altona (Urteil vom 23.5.2017 – 316 C 380/16, BeckRS 2017, 114057), das die Hamburger Verordnung zur Mietpreisbegrenzung für unwirksam hält.

Das LG Berlin (67. Zivilkammer) hält hingegen § 556 d BGB wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG für verfassungswidrig (LG Berlin, Hinweisbeschluss vom 14.09.2017 – 67 S 149/17, NZM 2017, 766); das LG München I überzeugt diese Entscheidung der 67. Zivilkammer des LG Berlin – wie sich aus den Gründen der vorliegenden Entscheidung ergibt - jedoch nicht (ebenso LG Berlin, Urteil vom 29.03.2017 – 65 S 424/16, NZM 2017, 332).

Redaktion beck-aktuell, 21. Dezember 2017.