KG: Anordnung einer Nachlasspflegschaft für Anspruch gegen Nachlass auf Räumung

BGB §§ 546, 1961 I, 1980, 1990, 1991

Bei unbekannten Erben eines verstorbenen Wohnraummieters ist durch das Nachlassgericht gemäß § 1961 BGB eine Nachlasspflegschaft anzuordnen, sofern der Vermieter dies beantragt, um einen Anspruch gegen den Nachlass auf Räumung geltend zu machen. Der Umstand, dass der Mieter vermögenslos war beziehungsweise der Nachlass voraussichtlich dürftig ist, steht dem nicht entgegen. (amtl. Leitsatz)

KG, Beschluss vom 02.08.2017 - 19 W 102/17 (AG Berlin-Mitte), BeckRS 2017, 120842

Anmerkung von
Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Bub, Rechtsanwältin Nicola Bernhard, Rechtsanwälte Bub, Gauweiler & Partner, München

Aus beck-fachdienst Miet- und Wohnungseigentumsrecht 20/2017 vom 12.10.2017

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Sachverhalt

Der Erblasser hatte eine Wohnung des Antragstellers gemietet. Die Erben des Erblassers sind unbekannt. Der Vermieter beantragt, eine Nachlasspflegschaft anzuordnen, weil er gegen den Nachlass einen Anspruch auf Räumung geltend machen möchte. Die Entscheidung über Auswahl und Bestellung des Nachlasspflegers hat der Antragsteller dem Nachlassgericht übertragen. Das Nachlassgericht hat den Antrag abgelehnt. Hiergegen hat der Antragsteller Beschwerde eingelegt.

Rechtliche Wertung

Die Beschwerde hat Erfolg. Der Beschluss des Nachlassgerichts wird dahin abgeändert, dass eine Nachlasspflegschaft mit dem Wirkungskreis Räumung und Abwicklung des Mietverhältnisses angeordnet wird.

Die Voraussetzungen, unter denen gemäß § 1961 BGB eine Nachlasspflegschaft anzuordnen ist, sind erfüllt. Die Erben des Erblassers sind unbekannt. Ferner hat der Beteiligte in seiner Eigenschaft als Vermieter die Bestellung eines Nachlasspflegers „zum Zwecke der gerichtlichen Geltendmachung eines Anspruchs, der sich gegen den Nachlass richtet“ beantragt. Denn es geht ihm darum, seinen Anspruch auf Rückgabe der Mietsache gemäß § 546 Abs. 1 BGB gegen den Nachlass durchzusetzen. Entgegen der Auffassung des Nachlassgerichts steht der Anordnung nicht entgegen, dass kein Nachlassvermögen existiert oder der Nachlass aller Voraussicht nach dürftig ist. Die Anordnung der Nachlasspflegschaft hat unabhängig von diesen Umständen bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 1961 BGB zwingend zu erfolgen. Dass es sich insoweit um Zahlungsansprüche handelt, ist ebenfalls nicht erforderlich; § 1961 BGB greift vielmehr auch für die Geltendmachung des Anspruchs des Vermieters aus § 546 Abs. 1 BGB ein.

Praxishinweis

Stirbt der Mieter, so ist gem. § 580 BGB sowohl der Erbe als auch der Vermieter berechtigt, das Mietverhältnis innerhalb eines Monats, nachdem sie vom Tod des Mieters Kenntnis erlangt haben, außerordentlich mit der gesetzlichen Frist zu kündigen. Ohne die Bestellung eines Nachlasspflegers kann der Vermieter die Räumung und Herausgabe der Mietsache jedoch in der vorliegenden Entscheidung zu Grunde liegenden Situation nicht gerichtlich durchsetzen, da eine Klage gegen die unbekannten Erben nicht möglich ist (OLG München, Beschluss vom 20.03.2012 - 31 Wx 81/12, FGPrax 2012, 118). Nach der zwingenden Regelung des § 1961 BGB hat das Nachlassgericht daher in den Fällen des § 1960 BGB einen Nachlasspfleger zu bestellen, wenn der Erbe unbekannt oder wenn ungewiss ist, ob er die Erbschaft angenommen hat, und ein Nachlassgläubiger die Bestellung zum Zwecke der Geltendmachung eines Anspruchs gegen den Nachlass beantragt hat; das KG schließt sich insoweit mit der vorliegenden Entscheidung der bisherigen Rechtsprechung (OLG Köln, Beschluss vom 10.12.2010 – 2 Wx 198/10, ZEV 2011, 582; OLG München, Beschluss vom 20.03.2012 - 31 Wx 81/12, FGPrax 2012, 118; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 07.05.2015 – 8 W 49/15, ZEV 2015, 633) an.

Eine Räumung hat nicht auf Staatskosten zu erfolgen, falls der Nachlass überschuldet ist. Das Nachlassgericht hat vielmehr zu prüfen, ob ein Nachlasspfleger zu bestellen ist, der für die unbekannten Erben etwa auch einen Antrag auf Eröffnung eines Nachlassinsolvenzverfahrens stellen kann, § 1980 BGB. Kommt die Durchführung eines solchen nicht in Betracht, so kann auch der Wirkungskreis des Nachlasspflegers so zu erweitern sein, dass dieser die Dürftigkeitseinrede nach §§ 1990, 1991 BGB erheben kann. Folge wäre eine Abwicklung nach §§ 1990, 1991 BGB, so dass der Nachlass nach Erlangung eines Titels gegen die unbekannten Erben, vertreten durch den Nachlasspfleger, zum Zwecke der Befriedigung des Gläubigers im Wege der Zwangsvollstreckung herauszugeben ist (OLG München, Beschluss vom 20.03.2012 - 31 Wx 81/12, FGPrax 2012, 118).

Redaktion beck-aktuell, 16. Oktober 2017.