LG Düsseldorf: Der Abschluss eines Mietvertrages nach Inkrafttreten des Mietrechtsnovellierungsgesetzes unterfällt dem sog. «Bestellerprinzip»

BGB §§ 242, 652; WoVermittG §§ 2 Ia, 6

1. Für einen Mietvertrag, der erst nach Inkrafttreten des Mietrechtsnovellierungsgesetzes unterzeichnet wurde, gilt das sog. "Bestellerprinzip".

2. Danach kann eine Maklerprovision vom Wohnungssuchenden nur beansprucht werden, wenn der Makler ausschließlich wegen eines Vermittlungsvertrags mit dem Wohnungssuchenden vom Vermieter den Auftrag einholt, die Wohnung anzubieten.

3. Es liegt wegen einer bewussten Verschiebung der Vertragsunterzeichnung bis zum Inkrafttreten der Neuregelung kein Verstoß gegen Treu und Glauben vor, wenn die Wohnungssuchenden wegen eines Todesfalls an einer früheren Vertragsunterzeichnung gehindert waren.

LG Düsseldorf, Urteil vom 06.06.2017 - 11 S 3/16 (AG Neuss), BeckRS 2017, 114297

Anmerkung von
Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Bub, Rechtsanwältin Nicola Bernhard, Rechtsanwälte Bub, Gauweiler & Partner, München

Aus beck-fachdienst Miet- und Wohnungseigentumsrecht 17/2017 vom 31.08.2017

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Sachverhalt

Die Parteien streiten um die Zahlung einer Maklerprovision.

Die Klägerin war durch den Vermieter als Maklerin mit der Vermietung des Objektes …straße 15 in D. betraut, welches sie mit einer Internetanzeige bewarb.

Am 16.04.2015 rief der Beklagte auf Grund der Internetanzeige bei der Klägerin an und bat um einen Besichtigungstermin, welcher am 21.04.2015 stattfand. Wenige Tage später übermittelte der Beklagte der Klägerin die Selbstauskunft und den Gehaltsnachweis, am 04.05.2015 erhielt der Beklagte einen Grundriss des Objektes. Am 11.05.2015 fand auf Veranlassung der Klägerin ein Kennenlerntreffen der Beklagten mit dem Vermieter statt, am 12.05.2015 teilte der Vermieter der Klägerin mit, zum Abschluss des Mietvertrages bereit zu sein und bat diese, den Vertrag vorzubereiten. Die Klägerin bereitete den Vertrag vor und vereinbarte für den 19.05.2015 mit den Beklagten einen Termin zur Unterschrift. Zu diesem Termin erschienen die Beklagten nicht, wobei sie gegenüber der Klägerin auf telefonische Nachfrage angaben, wegen eines Todesfalls verhindert zu sein. Ende des Monats Mai meldeten sich die Beklagten telefonisch bei der Klägerin und vereinbarten einen Termin zum Abschluss des Mietvertrags für den 02.06.2015. Der schriftliche Mietvertrag wurde am 02.06.2015 durch die Beklagten unterzeichnet.

Am 01.06.2015 trat - soweit hier von Relevanz - das Mietrechtsnovellierungsgesetz in Kraft, dessen Art. 3 Nr. 1 lit. b) die Ergänzung des § 2 des Gesetzes zur Regelung der Wohnungsvermittlung (WoVermittG) um einen wie folgt lautenden Absatz 1 a vorsieht:

Der Wohnungsvermittler darf vom Wohnungssuchenden für die Vermittlung oder den Nachweis der Gelegenheit zum Abschluss von Mietverträgen über Wohnräume kein Entgelt fordern, sich versprechen lassen oder annehmen, es sei denn, der Wohnungsvermittler holt ausschließlich wegen des Vermittlungsvertrags mit dem Wohnungssuchenden vom Vermieter oder von einem anderen Berechtigten den Auftrag ein, die Wohnung anzubieten (§ 6 Absatz 1).

Die Beklagten wiesen den durch den Kläger nach Mietvertragsabschluss geltend gemachten Provisionsanspruch unter Hinweis auf den zum 01.06.2015 in Kraft getretenen § 2 Abs. la WoVermittG zurück.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, ein Anspruch auf Zahlung von Maklerprovision stehe der Klägerin nicht zu, da die Forderung der Klägerin erst am 02.06.2015 fällig geworden sei, mithin nach Inkrafttreten des Mietrechtsnovellierungsgesetzes.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit welcher sie ihr erstinstanzliches Ziel vollumfänglich weiterverfolgt.

Rechtliche Wertung

Die Berufung hat keinen Erfolg. Der Makler hätte seine Provision zwar verdient, aber der Wohnungsmietvertrag sei erst nach Gesetzesänderung am 02.06.2015 abgeschlossen worden. Das Gericht stellt darauf ab, dass § 2 Abs. 1a WoVermittlG seit dem 01.06.2015 Anwendung finde und so auszulegen sei, dass die Provision nur dann zu zahlen sei, wenn der Hauptvertrag auch zu diesem Zeitpunkt abgeschlossen sei. Dabei bezieht sich das Gericht auf Art. 170 EGBGB, wonach bei einem unter altem Recht entstandenen Rechtsverhältnis grundsätzlich dessen Bestimmungen maßgeblich bleiben; ein neues Gesetz habe ohne ausdrückliche Rückwirkungsanordnung keine Auswirkungen auf das schon entstandene Rechtsverhältnis. Maßgeblich sei hierbei, ob sich der Entstehungstatbestand des Schuldverhältnisses unter der Geltung der alten Rechtsordnung vollständig erfüllt habe; sämtliche zur Entstehung des Anspruchs erforderlichen Tatsachen müssten eingetreten sein. Sofern in der Literatur eine Rückwirkung bejaht wird, vermag sich die Kammer dieser Auffassung nicht anschließen. Sofern eventuell davon auszugehen sei, dass die Mieter die Vertragsunterzeichnung bewusst hinaus geschoben hätten, liege kein Verstoß gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) vor, zumal ein Grund, wie ein Todesfall, sie exkulpieren würde. Die Revision wurde nicht zugelassen.

Praxishinweis

Mit dem „Bestellerprinzip“ wollte die Politik Wohnraummieter von Maklerkosten entlasten, indem der vermittelnde Makler nur von demjenigen eine Provision verlangen kann, der ihn zunächst beauftragt hat, überwiegend also vom Vermieter. Damit soll den auf ein entsprechendes Wohnungsangebot reagierenden Mieter keine gesonderte Provisionspflicht treffen (Drasdo, NJW-Spezial 2015, 481).

Schließen Makler mit Wohnungssuchenden Verträge ab, nach denen sie von diesen ein Entgelt erhalten sollen, obwohl sie nicht ausschließlich wegen des Vermittlungsvertrags mit dem Wohnungssuchenden vom Vermieter oder von einem anderen Berechtigten den Auftrag zum Angebot der Wohnung, § 6 Abs. 1 WoVermittG, eingeholt haben, sind diese Vereinbarungen unwirksam, § 2 Abs. 1a, 5 Nr. 1 WoVermittG. Gleiches gilt für den bislang zulässigen Abschluss von Verträgen, durch die Wohnungssuchende verpflichtet werden, ein vom Vermieter oder einem Dritten geschuldetes Vermittlungsentgelt zu zahlen, § 2 Abs. 5 Nr. 2 WoVermittG (BVerfG, Beschluss vom 29.06.2016 – 1 BvR 1015/15, NZM 2016, 685).

Das "Bestellerprinzip" für Maklerprovisionen bei der Vermittlung von Mietwohnungen ist verfassungsgemäß. Dies hat das Bundesverfassungsgericht mit o.g. Beschluss auf mehrere Verfassungsbeschwerden hin entschieden. Das "Bestellerprinzip" sei gerechtfertigt, um sozialen und wirtschaftlichen Ungleichgewichten, die auf dem Mietwohnungsmarkt zu Lasten der Wohnungssuchenden bestünden, entgegenzuwirken (BVerfG, a.a.O.).

Gem. § 4 a Abs. 1 WoVermittG sind Vereinbarungen, wonach der Wohnungssuchende Räumungsentgelte für den Auszug des bisherigen Mieters zu zahlen hat, unwirksam. Entsprechendes gilt nach § 4 a Abs. 2 WoVermittG für Vereinbarungen, nach denen der Mieter Einrichtungsgegenstände vom Vermieter oder Vormieter gegen ein Entgelt zu übernehmen hat, welches in einem auffälligen Missverhältnis zum Wert der Gegenstände steht. Nach Ansicht des BGH führt ein Verstoß hiergegen allerdings nicht zur völligen Unwirksamkeit der Abrede, sondern nur insoweit, als für das Entgelt ein auffälliges Missverhältnis zum Wert der Einrichtung oder des Inventars festzustellen ist (BGH, Versäumnisurteil vom 23.04.1997 - VIII ZR 212/96 NJW 1997, 1845). Diese Bestimmung hat an Bedeutung gewonnen, da Vermieter im Zusammenhang mit dem Bestellerprinzip nicht vom Vormieter gegen ein geringes Entgelt übernommene Gegenstände an den Wohnungssuchenden überteuert weiterveräußern dürfen, um auf diese Weise die Maklerprovision auf den Mieter abzuwälzen (Fischer NJW 2015, 1560).

Redaktion beck-aktuell, 31. August 2017.