OLG Naumburg: Keine weitere Begründung einer einstweiligen Verfügung bei Verstoß gegen die Sicherungsanordnung

ZPO §§ 283a, 940a III

Ist eine Räumungsklage wegen Zahlungsverzugs erhoben und hat der Beklagte auf eine rechtskräftige Sicherungsanordnung nach § 283a ZPO die Sicherheit nicht innerhalb der ihm gesetzten Frist geleistet, bedarf es für den Erlass einer einstweiligen Verfügung keiner weitergehenden Begründung des Verfügungsgrundes. Dieser besteht unter den besonderen Voraussetzungen des § 940a Abs. 3 ZPO allein in d Verstoß gegen die Sicherungsanordnung.

OLG Naumburg, Beschluss vom 21.09.2016 - 12 W 69/16 (LG Dessau-Roßlau), BeckRS 2017, 120860

Anmerkung von
Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Bub und Rechtsanwältin Nicola Bernhard
Rechtsanwälte Bub, Gauweiler & Partner, München

Aus beck-fachdienst Miet- und Wohnungseigentumsrecht 11/2017 vom 8.6.2017

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Sachverhalt

Der Kläger hatte gegen die Beklagten Räumungsklage wegen Zahlungsverzugs erhoben. Im Rahmen des Räumungsverfahrens haben die die Beklagten eine Sicherungsanordnung nach § 283a ZPO beantragt; durch Beschluss vom 19.08.2015 hat das Gericht eine Sicherungsanordnung nach § 283a ZPO getroffen, wonach die Beklagten Sicherheit in Höhe der monatlich zu entrichtenden Nutzungsentschädigung von 675 EUR ab d 18.11.2014 zu leisten haben. Ergänzend war den Beklagten durch Kammerbeschluss vom 01.09.2015 zur Einzahlung der Sicherheit für die aufgelaufene Nutzungsentschädigung eine Frist bis zum 01.10.2015 gesetzt worden. Die Sicherheit ist durch die Beklagten nicht eingezahlt worden. Daraufhin hat der Kläger den Erlass einer einstweiligen Verfügung, gerichtet auf Räumung von Wohnraum, nach §§ 940a Abs. 3, 283a ZPO beantragt. Das Landgericht hatte den Antrag auf einstweilige Verfügung abgelehnt. Hiergegen haben die Beklagten Beschwerde eingelegt. Mit Schriftsätzen vom 13.11.2015 und vom 26.11.2015 haben die Parteien die Beschwerde übereinstimmend für erledigt erklärt.

Rechtliche Wertung

Die sofortige Beschwerde des Klägers hat Erfolg. Mit Blick auf die übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Parteien war im Rahmen des Beschwerdeverfahrens allerdings nur nach § 91a ZPO über die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens zu entscheiden. Unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes hätte der Antrag des Klägers auf Erlass der einstweiligen Verfügung ohne den erledigenden Auszug der Beklagten nach summarischer Prüfung Erfolg gehabt.

Die Voraussetzungen für den Erlass der einstweiligen Verfügung, gerichtet auf Räumung von Wohnraum nach §§ 940a Abs. 3, 283a ZPO lagen vor. Der Kläger hatte gegen die Beklagten Räumungsklage wegen Zahlungsverzugs erhoben (Verfügungsanspruch). Der Verfügungsgrund ergibt sich aus der Nichtbefolgung der Sicherungsanordnung durch die Beklagten.

Einer weitergehenden Begründung des Verfügungsgrundes bedurfte es nicht. Dieser besteht unter den besonderen Voraussetzungen des § 940a Abs. 3 ZPO allein in d Verstoß gegen die Sicherungsanordnung. Die Räumungsverfügung nach § 940a Abs. 3 ZPO setze für den Verfügungsgrund nicht zusätzlich voraus, dass der Gläubiger auf die sofortige Leistung dringend, etwa zur Existenzsicherung, angewiesen sei; dies widerspreche der Absicht des Gesetzgebers (BT-Drucksache 17/10485, Seite 34). Danach sei Verfügungsgrund i.S.d. § 940a Abs. 3 ZPO der Verstoß gegen die Sicherungsanordnung. Die Begründung des Mietrechtsänderungsgesetzes führe - woran sich die Auslegung der Vorschrift maßgeblich zu orientieren hat - zu § 940a Abs. 3 ZPO überzeugend aus: Die Sicherungsanordnung dient d Schutz des Vermieters, der über die Dauer des Räumungsverfahrens seine Leistung erbringen muss, ohne die Gegenleistung zu erhalten. Die Sicherungsanordnung sorgt für einen angessenen Ausgleich zwischen d Recht des Mieters, durch Minderung oder Zurückbehalten der Miete, seinen Anspruch auf eine mangelfreie Mietsache durchzusetzen, und d berechtigten Anliegen des Vermieters, seinen Zahlungsanspruch im Falle seines Obsiegens auch realisieren zu können. Ein Mieter, der die Sicherungsanordnung missachtet, setzt sich d erhöhten Verdacht der Verzögerungsabsicht aus. Denn die Sicherungsanordnung darf nur erlassen werden, wenn die Zahlungsklage hohe Aussicht auf Erfolg hat, also die Einwendungen des Mieters wenig werthaltig sind. In dieser Situation ist es erforderlich, den d Vermieter drohenden Schaden so gering wie möglich zu halten und ihm zu ermöglichen, den Mieter aus der Wohnung zu zwingen, bevor über seine Räumungsklage in der Hauptsache entschieden ist.

Für wertende Argumente sei hier grundsätzlich kein Raum. Der Wortlaut des § 940a Abs. 3 ZPO, wonach eine einstweilige Verfügung angeordnet werden „darf“, eröffnet keine Interessenabwägung, für die der Antragsteller ein besonderes Interesse geltend machen müsste. Vielmehr sei die Formulierung „darf“ - nicht anders als in § 940a Abs. 1 und Abs. 2 ZPO - Ausdruck eines Regel-Ausnahme-Verhältnisses, wonach die Räumung von Wohnraum grundsätzlich nicht im Wege der einstweiligen Verfügung, sondern nur unter den besonderen Voraussetzungen des § 940a ZPO angeordnet werden dürfe.

Irgendwelche konkreten Umstände, die gleichwohl ausnahmsweise zu Gunsten der Beklagten d Erlass einer einstweiligen Verfügung entgegengestanden haben, seien nicht ersichtlich.

Praxishinweis

Ist Räumungsklage wegen Zahlungsverzugs erhoben, darf die Räumung von Wohnraum durch einstweilige Verfügung g. § 940a Abs. 3 ZPO angeordnet werden, wenn der Beklagte einer Sicherungsanordnung g. § 283a ZPO im Hauptsacheverfahren nicht Folge leistet. Das OLG Naumburg urteilt vorliegend, dass der bloße Hinweis auf die Nichterfüllung der Sicherungsanordnung g. § 283a ZPO ausreichend ist. Für § 940a Abs. 3 ZPO ist aber auch ein Verfügungsanspruch – also ein Räumungsanspruch - erforderlich. Anders als bei § 940a Abs. 2 ZPO kommt hier nur eine Beendigung des Mietverhältnisses nach einer Kündigung g. § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB oder g. § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB wegen Zahlungsverzuges in Betracht. Erforderlich ist also – wozu das OLG Naumburg vorliegend keine Feststellungen trifft - ein entsprechender Sachvortrag hinsichtlich einer berechtigten Kündigung (Fleindl, ZMR 2013, 677, 683; Streyl, in Schmidt-Futterer, MietR, 12. Auflage 2015, § 940 a ZPO Rn. 30). Der bloße Hinweis auf die Nichterfüllung einer Sicherungsanordnung genügt nicht (Börstinghaus. NJW 2014, 2225). Dies ist, wenn man überhaupt von der Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift ausgeht (Zweifel äußern auch Fleindl, a.a.O.; Börstinghaus, a.a.O.), zumindest für eine verfassungskonforme Auslegung erforderlich. Dabei muss auf Seiten des Gerichts ein d Vollbeweis entsprechendes Überzeugungsmaß von der Berechtigung der Kündigung vorliegen.

Das Risiko einer einstweiligen Verfügung g. § 940a Abs. 3 ZPO ist für den Vermieter wegen seiner Haftung nach § 945 ZPO jedenfalls groß. Erweist sich nämlich die Anordnung eines Arrestes oder einer einstweiligen Verfügung als von Anfang an ungerechtfertigt oder wird die angeordnete Maßregel auf Grund des § 926 Abs. 2 oder des § 942 Abs. 3 aufgehoben, so ist die Partei, welche die Anordnung erwirkt hat, g. § 945 ZPO verpflichtet, d Gegner den Schaden zu ersetzen, der ihm aus der Vollziehung der angeordneten Maßregel oder dadurch entsteht, dass er Sicherheit leistet, um die Vollziehung abzuwenden oder die Aufhebung der Maßregel zu erwirken.

Redaktion beck-aktuell, 14. Juni 2017.