BGH: Kostentragung des Sondereigentümers für die Instandsetzungs- oder Instandhaltungspflicht

WEG §§ 16 II, IV, 22 I WEG

Wird einem Sondereigentümer in der Gemeinschaftsordnung eine Instandsetzungs- oder Instandhaltungspflicht übertragen, hat er im Zweifel auch die ihm dadurch entstehenden Kosten zu tragen. (Leitsatz des Gerichts)

BGH, Urteil vom 28.10.2016 - V ZR 91/16 (LG Hamburg), BeckRS 2016, 115082

Anmerkung von
Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Bub und Rechtsanwältin Nicola Bernhard
Rechtsanwälte Bub, Gauweiler & Partner, München

Aus beck-fachdienst Miet- und Wohnungseigentumsrecht 04/2017 vom 02.03.2017

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Sachverhalt

Die Parteien bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft. Im Teilungsvertrag wird den Eigentümern der Wohnungen Nrn. 1 und 2 jeweils ein Sondernutzungsrecht an bestimmten Grundstücksflächen einschließlich der sich dort befindenden Terrassen zugewiesen.

In § 7 Nr. 1 des Teilungsvertrags ist folgendes geregelt:

„Die Instandhaltung des Sondereigentums obliegt dem jeweiligen Sondereigentümer. Für die Instandhaltung der ausschließlich ihrem Sondernutzungsrecht unterliegenden Flächen, Anlagen und Einrichtungen haben die jeweils berechtigten Sondereigentümer zu sorgen. [...]"

§ 8 des Teilungsvertrags lautet wie folgt:

„1. Jeder Sondereigentümer trägt diejenigen auf sein Sondereigentum entfallenden Kosten und Lasten allein, für die eigene Messvorrichtungen vorhanden sind oder die sonst in einwandfreier Weise gesondert festgestellt werden können. Kosten und Lasten der Tiefgarage, der Zufahrt und der Zufahrtsrampe zur Tiefgarage sind von den Teileigentümern zu tragen, untereinander im Verhältnis der Miteigentumsanteile der Teileigentümer (TG-Plätze).

2. Soweit Kosten und Lasten nicht einem Sondereigentum entsprechend Abs. 1 zuzuordnen sind, [sind] diese von den Eigentümern im Verhältnis der Miteigentumsanteile zu tragen."

Auf ihrer Versammlung am 09.04.2015 beschlossen die Wohnungseigentümer zu TOP 5.1 mehrheitlich, dass es dem Eigentümer der Wohnung Nr. 1 gestattet ist, die auf seiner Sondernutzungsfläche vorhandene Terrasse zu vergrößern und die umliegenden Bereiche in einer bestimmten Weise gärtnerisch zu gestalten. Die Kosten der Herstellung und der künftigen Instandhaltung sollte der Wohnungseigentümer tragen. Zu TOP 6.1 wurde allstimmig beschlossen, den Eigentümern der Wohnung Nr. 2 zu gestatten, auf der ihnen zugewiesenen Sondernutzungsfläche eine zusätzliche Terrasse zu errichten, wobei sie die Kosten der Herstellung und der zukünftigen Instandhaltung tragen sollten. Ferner wurde ihnen mit allstimmigem Beschluss zu TOP 6.2 gestattet, auf ihrer Sondernutzungsfläche eine Abgrabung vor den Fenstern des in ihrem Sondereigentum stehenden Hobbyraums vorzunehmen. Auch insoweit sollten die Kosten der Herstellung und der künftigen Instandhaltung von ihnen getragen werden.

Mit seiner nach Ablauf der Anfechtungsfrist des § 46 Abs. 1 Satz 2 WEG erhobenen Klage verlangt der Kläger die Feststellung, dass die Beschlüsse zu TOP 5.1, 6.1 und 6.2 nichtig sind. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Kläger beantragt, wollen die Beklagten die Abweisung der Klage erreichen.

Rechtliche Wertung

Die Revision hat Erfolg. Die Wohnungseigentümer hätten mit den angegriffenen Beschlüssen keine Änderung der Sondernutzungsrechte vorgenommen. Sondernutzungsrechte sind dadurch gekennzeichnet, dass einem oder mehreren Wohnungseigentümern unter Ausschluss der übrigen (negative Komponente) das Recht zur Nutzung von Teilen des Gemeinschaftseigentums zugewiesen wird (positive Komponente). Die den Eigentümern der Wohnungen Nrn. 1 und 2 zugewiesenen Sondernutzungsrechte seien durch die angegriffenen Beschlüsse weder hinsichtlich des räumlichen Zuschnitts noch hinsichtlich des Nutzungszwecks geändert worden.

Eine Nichtigkeit der Beschlüsse ergebe sich auch nicht aus einer Verletzung von § 22 Abs. 1 WEG. Danach können bauliche Veränderungen des Gemeinschaftseigentums, die über die ordnungsmäßige Instandhaltung oder Instandsetzung hinausgehen, beschlossen werden, wenn jeder Wohnungseigentümer zustimmt, dessen Rechte durch die Maßnahmen über das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß beeinträchtigt werden. Die Beschlüsse zu TOP 6.1 und 6.2 wurden in der Eigentümerversammlung vom 9. April 2015 einstimmig gefasst. Damit hätten alle Wohnungseigentümer im förmlichen Beschlussverfahren nach § 22 Abs. 1 WEG den beabsichtigten baulichen Veränderungen auf der Fläche, an der das den Eigentümern der Wohnung Nr. 2 zugewiesenen Sondernutzungsrecht besteht, zugestimmt. Auf die bisher vom Senat offen gelassene Frage, ob die Zustimmung nur im förmlichen Beschlussverfahren erklärt werden kann, komme es auch hier nicht an.

In Bezug auf den nur mehrheitlich gefassten Beschluss zu TOP 5.1 könne offen bleiben, ob die Zustimmung der Wohnungseigentümer zu der beschlossenen baulichen Maßnahme bereits in der Zuweisung des Sondernutzungsrechts gesehen werden kann. Hiervon sei auszugehen, soweit bauliche Veränderungen Eingang in die Beschreibung des Sondernutzungsrechts gefunden haben oder wenn sie nach dem Inhalt des jeweiligen Sondernutzungsrechts üblicherweise vorgenommen werden und der Wohnungseigentumsanlage dadurch kein anderes Gepräge verleihen. Ob die genehmigte Terrassenvergrößerung und Veränderung der Gestaltung der Gartenfläche im Rahmen des dem Eigentümer der Wohnung Nr. 1 zugewiesenen Sondernutzungsrechts vorgenommen werden könne, bedürfe ebenso wenig einer Entscheidung wie die - verneinendenfalls relevante - Frage, ob alle durch die beabsichtigten baulichen Veränderungen beeinträchtigten Wohnungseigentümer zugestimmt hätten. Die fehlende Zustimmung eines Wohnungseigentümers würde nämlich nur zu einer Anfechtbarkeit des Beschlusses führen. Vorliegend sei die Klage nach den Feststellungen des Berufungsgerichts erst nach dem Ablauf der Anfechtungsfrist erhoben worden, so dass diese mit Erfolg nur noch auf Nichtigkeitsgründe gestützt werden könne.

Im Ergebnis zutreffend gehe das Berufungsgericht auch davon aus, dass die Wohnungseigentümer beschließen konnten, dass die Kosten der Herstellung der beabsichtigten baulichen Maßnahmen von den jeweiligen Sondernutzungsberechtigten zu tragen sind. Sofern die beabsichtigten baulichen Maßnahmen durch den Zuweisungsgehalt des Sondernutzungsrechts gedeckt sind, dürfe der berechtigte Sondereigentümer diese ohne weiteres auf eigene Kosten vornehmen. Insoweit wären die Beschlüsse lediglich deklaratorischer Natur; solche Beschlüsse seien unbedenklich, wenn sie - wie hier - eine klarstellende Funktion haben und keine Zweifel an der Rechtslage aufkommen lassen.

Durch Vereinbarung könnten die Wohnungseigentümer abweichend von § 21 Abs. 5 Nr. 2, § 16 Abs. 2 WEG die Pflicht zur Instandsetzung und Instandhaltung von Teilen des gemeinschaftlichen Eigentums und zur Tragung der damit verbundenen Kosten einzelnen Sondereigentümern auferlegen. Die Vereinbarung müsse insoweit eine klare und eindeutige Regelung treffen. Werde einem Sondereigentümer in der Gemeinschaftsordnung eine Instandsetzungs- oder Instandhaltungspflicht übertragen, habe er im Zweifel auch die ihm dadurch entstehenden Kosten zu tragen.

Aus den Regelungen des Teilungsvertrages ergebe sich hier eine von § 21 Abs. 5 Nr. 2, § 16 Abs. 2 WEG abweichende Regelung der Instandhaltungspflicht und der Kostentragungslast in Bezug auf die den Sondernutzungsrechten unterliegenden Flächen. Den Sondernutzungsberechtigten ist damit in klarer und eindeutiger Weise die Instandhaltungspflicht bezüglich der ihnen zugewiesenen Flächen übertragen worden.

Praxishinweis

Grundsätzlich sind die Wohnungseigentümer und nicht der Sondernutzungsberechtigte für Maßnahmen der Instandhaltung und Instandsetzung und die in diesem Zusammenhang anfallenden Kosten zuständig, da die dem Sondernutzungsrecht unterliegende Fläche im Gemeinschaftseigentum steht. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Pflicht zur Instandhaltung/Instandsetzung dem Sondernutzungsberechtigten überbürdet ist (KG ZMR 2009, 135; 1997, 159; BayObLG ZMR 2004, 357; NZM 2001, 1138; NZM 1999, 27); in diesem Fall trägt der Sondernutzungsberechtigte – wie der BGH im vorliegenden Fall entschieden hat - im Zweifel auch die Kosten für die Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen. Die Überbürdung der Instandsetzungshaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen auf den Sondernutzungsberechtigten verstößt nicht gegen § 27 Abs. 1 S. 2 iVm. Abs. 4 WEG, da nach gesetzeskonformen, die Nichtigkeit vermeidenden Auslegung solcher Klauseln die dem Verwalter nach § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG unentziehbaren Managementaufgaben unberührt bleiben.

Offen gelassen hat der BGH vorliegend, ob die Einräumung eines Sondernutzungsrechtes als solches das uneingeschränkte Recht zur Vornahme baulicher Veränderungen gewährt. Zutreffend gewährt die Einräumung eines Sondernutzungsrechts als solches nicht das uneingeschränkte Recht zur Vornahme baulicher Veränderungen (Staudinger/Bub, Komm. z. BGB, 2005, § 22 WEG Rn. 17 mwN). Der BGH führt vorliegend – in einem obiter dictum – aus, dass bauliche Veränderungen, die bereits Eingang in die Beschreibung des Sondernutzungsrechts gefunden haben oder nach dem Inhalt des jeweiligen Sondernutzungsrechts üblicherweise vorgenommen werden können und der Wohnungseigentumsanlage dadurch kein anderes Gepräge verleihen, ohne Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer zulässig sind. Allerdings lässt der BGH offen, ob eine Terrassenvergrößerung und eine Veränderung der Gartengestaltung hiervon erfasst sind, was bei einer Terrassenvergrößerung wohl zu bejahen wäre; bei der Veränderung der Gartengestaltung kommt es auf die Gestaltung im Einzelfall an.

Redaktion beck-aktuell, 2. März 2017.

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