LG Duisburg: Außerordentliche Kündigung bei unwahren und diffamierenden Behauptungen des Mieters

BGB §§ 242, 542 III, 543 I, 573, 823 I, 858, 861, 863

Die Aufstellung unwahrer oder diffamierender Behauptungen des Mieters in Bezug auf den Vermieter stellt einen wichtigen Grund dar, der den Vermieter berechtigt, das Mietverhältnis außerordentlich zu kündigen.

LG Duisburg, Urteil vom 07.06.2016 - 6 O 219/13, BeckRS 2016, 111495

Anmerkung von
Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Bub und Rechtsanwältin Nicola Bernhard
Rechtsanwälte Bub, Gauweiler & Partner, München

Aus beck-fachdienst Miet- und Wohnungseigentumsrecht 02/2017 vom 2.2.2017

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Sachverhalt

Die klagende Mieterin führt ein Friseurgeschäft in einem von der Vermieterin betriebenen Seniorenpflegeheim. Im Laufe des Mietverhältnisses kam es zu Auseinandersetzungen zwischen der Mieterin und der Heimleiterin. Die Vermieterin kündigte das Mietverhältnis zunächst fristgerecht und sodann fristlos. Die fristlose Kündigung stützte sie darauf, dass die Mieterin mehreren Heimbewohnern von der fristgerechten Kündigung berichtet und diesbezüglich mehrfach erwähnt habe, von der Heimleitung schlecht behandelt worden zu sein. Ferner habe die Mieterin die Heimleitung beleidigt und die Heimbewohner aufgebracht. Sie habe somit den Hausfrieden nachhaltig gestört. Die Mieterin wies die fristlos ausgesprochene Kündigung zurück und sprach selbst eine außerordentliche Kündigung aus mit der Begründung, durch den unberechtigterweise vorgenommenen Ausspruch der fristlosen Kündigung habe die Vermieterin schuldhaft gegen ihre mietvertraglichen Pflichten verstoßen. Für den Zeitraum zwischen Räumung des Mietobjekts und Ablauf der Frist der ordentlichen Kündigung (hier drei Monate) macht die Mieterin Schadensersatzansprüche geltend.

Rechtliche Wertung

Die Klage blieb ohne Erfolg. Das Landgericht führt aus, dass grundsätzlich eine unberechtigte fristlose Kündigung des Vermieters eine positive Vertragsverletzung darstellen könne, die nicht nur mögliche Schadensersatzansprüche des Mieters begründe, sondern zudem unter Umständen auch geeignet sei, dem Mieter seinerseits ein eigenes Recht zur - fristlosen - Kündigung des Mietverhältnisses zu gewähren. Voraussetzung sei jedoch, dass im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller maßgeblichen Umstände sich herausstelle, dass die Fortsetzung des Mietverhältnisses für denjenigen, der die unberechtigte Kündigung zum Anlass für eine eigene Kündigung nehme, unzumutbar sei. Das Verhalten des Mieters müsse durch die Kündigung herausgefordert werden und dürfe keine ungewöhnliche Reaktion darstellen. Vorliegend sei allerdings dem Vermieter eine Fortsetzung des Vertrags nicht mehr zumutbar gewesen. Die Mieterin habe nämlich unwahre und diffamierende Behauptungen aufgestellt und den Heimbewohnern von ihrer Kündigung berichtet. Sie habe die Heimleitung diffamiert und sich abfällig über diese, zum einen, was ihre Nationalität, und zum anderen, was ihre Glaubenszugehörigkeit betrifft, geäußert. Hierdurch habe sie Unruhe unter den Heimbewohnern gestiftet, was letztlich auch zu einer Unterschriftenaktion führte. Eine Diffamierung sieht das Gericht zudem in einem Schreiben der Mitarbeiterinnen der Mieterin an den Geschäftsführer des Seniorenstifts, in dem auch die Mitarbeiterinnen sich diskriminierend über die Glaubenszugehörigkeit der Heimleitung äußern. Insoweit hätte die Mieterin auf ihre Mitarbeiterinnen einwirken müssen, sich in ihren Äußerungen zu mäßigen. Auch Art. 5 GG helfe der Mieterin nicht, da die Äußerungen hinsichtlich Glaubensrichtung und Nationalität vorliegend abwertenden Charakter hätten und alleine dazu dienten, die Heimleiterin herabzusetzen und die Heimbewohner aufzubringen. Aus der speziellen Funktion der Vermieterin als Betreiberin von Pflegeheimen ergebe sich ein besonderes Interesse am Hausfrieden in den von ihr unterhaltenen Einrichtungen.

Praxishinweis

Das LG Duisburg schließt sich mit der vorliegenden Entscheidung der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 28.04.1982 - IV a ZR 8/81, NJW 1983, 998; Urteil vom 15.09.2010 - XII ZR 188/08, NZM 2010, 901) an, wonach die Vertragsparteien im Rahmen der allgemeinen vertraglichen Treuepflicht   (§ 242 BGB) verpflichtet sind, alles zu unterlassen, was das Interesse des Vertragspartners an der Durchführung des Vertrags beeinträchtigen könnte, und alles zu tun, was notwendig ist, um die Erfüllung der vertraglich übernommenen Verpflichtungen sicherzustellen. Diese vertragliche Nebenpflicht wird verletzt, wenn eine Vertragspartei ohne anerkennenswertes Interesse Behauptungen in der Öffentlichkeit verbreitet, die geeignet sind, das Ansehen des Vertragspartners erheblich zu beeinträchtigen (BGH, Urteil vom 15.09.2010 - XII ZR 188/08, NZM 2010, 901).

Zutreffend urteilt deshalb das LG Duisburg, dass sich auch eine unberechtigte Kündigung des Mietverhältnisses durch den Vermieter als Verstoß gegen die aus § 241 Abs. 2 BGB resultierende Leistungstreuepflicht darstellt (BGH, Urteil vom 21.01.2009 - VIII ZR 62/08, NJW 2009, 1139; Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 4. Auflage, Kapitel III. Rn. 3457).

Kommt – wie im vorliegenden Fall – eine außerordentliche Kündigung wegen der Zerstörung der das Schuldverhältnis tragenden Vertrauensgrundlage in Betracht, bedarf die Kündigung keiner vorherigen Abmahnung. Zwar ist diese nach § 543 III 1 BGB grundsätzlich Voraussetzung, falls das Mietverhältnis wegen der Verletzung einer Pflicht aus dem Mietvertrag außerordentlich gekündigt werden soll. Bei einer Zerrüttungskündigung ist eine Abmahnung jedoch ausnahmsweise entbehrlich, wenn die Vertrauensgrundlage auch durch eine Abmahnung nicht wiederhergestellt werden könnte (BGH, Urteil vom 15.09.2010 - XII ZR 188/08, NZM 2010, 901).

Redaktion beck-aktuell, 3. Februar 2017.