KG: Keine Mietzahlungsverpflichtung des Gewerbemieters bei verzögerter Fertigstellung eines Geschäftszentrums

BGB §§ 535 I, 536, 536b III

Ist der Mieter zur Zahlung der Geschäftsraummiete ab Übergabe der Räume verpflichtet, ist die Miete wegen eines Mangels der Mietsache nach Ablauf der dem Mieter gesetzten Ausbaufrist bis zur Eröffnung des Geschäftszentrums vollständig gemindert, wenn es dem Vermieter nicht gelingt, das Geschäftszentrum bis zum Ablauf der Ausbaufrist eröffnungsfähig fertigzustellen.

KG, Urteil vom 21.11.2016 - 8 U 121/15 (LG Berlin), BeckRS 2016, 108966

Anmerkung von
Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Bub und Rechtsanwältin Nicola Bernhard
Rechtsanwälte Bub, Gauweiler & Partner, München

Aus beck-fachdienst Miet- und Wohnungseigentumsrecht 01/2017 vom 19.1.2017

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Sachverhalt

Mit einem im April 2013 geschlossenen Vertrag mietete die Klägerin ein Ladengeschäft in einem im Bau befindlichen Geschäftszentrum, um dort eine Galerie zu betreiben. Nach dem Mietvertrag war die Klägerin verpflichtet, die Miete ab Übergabe der Mieträume zu zahlen. Die Klägerin war außerdem verpflichtet, das Ladengeschäft innerhalb eines Monats ab Übergabe eröffnungsfähig fertigzustellen und während der im Vertrag festgelegten Öffnungszeiten zu betreiben. Bei Überschreitung der Ausbaufrist sollte die Klägerin eine Vertragsstrafe in von 1/10 der Monatsmiete ohne Betriebskosten aber zuzüglich Mehrwertsteuer schulden. Außerdem sollte der beklagte Vermieter bei Überschreitung der Ausbaufrist berechtigt sein, das Mietverhältnis außerordentlich aus wichtigem Grund zu kündigen. Einen konkreten Termin, bis zu dem der Beklagte verpflichtet sein sollte, das Geschäftszentrum fertigzustellen, sah der Vertrag nicht vor. Der Eröffnungstermin war von der Beklagten lediglich einen Monat vor Eröffnung verbindlich bekannt zu geben. Nachdem verschiedene Übergabe- und Eröffnungstermine angedeutet worden waren, erfolgte am 21.02.2014 die Übergabe der Räume zum Ausbau an die Klägerin. Der Vermieter stellte noch im selben Monat die Miete für Februar anteilig in Rechnung und erstellte eine Dauermietrechnung für die Zeit ab März 2014. Die Mieterin zahlte die Mieten für Februar und März umgehend und fristgerecht. Mit Nachricht vom 30.04.2014 ließ der Vermieter mitteilen, dass der Eröffnungstermin der 30.05.2014 sei. Mit Nachricht vom 15.05.2014 verwarf der Beklagte diesen Termin, zog die Mieten aufgrund der im Mietvertrag erteilten Ermächtigung aber weiter vom Konto der Mieterin ein. Die Mieterin widersprach dem Mieteneinzug, ließ den Vermieter aber wegen der im Vertrag befindlichen Aufrechnungs-, Minderungs- und Zurückbehaltungsverbotsklausel gewähren. Nach Eröffnung des Geschäftszentrums erhob die Mieterin Klage auf Rückzahlung der über die Ausbauzeit hinaus bis zur Eröffnung des Geschäftszentrums eingezogenen Mieten. Das LG hat die Klage abgewiesen.

Rechtliche Wertung

Die Berufung der Klägerin ist begründet. Nachdem das LG die Klage abgewiesen hatte, weil es den Vermieter nur zur Überlassung der Räume zum Ausbau, nicht aber zur eröffnungsfähigen Fertigstellung des Geschäftszentrums innerhalb der Ausbaufrist verpflichtet sah, gab das Berufungsgericht der Klage auf Rückzahlung der Miete statt.

Aufgrund der vertraglichen Verpflichtungen des Mieters zum Ausbau und zur Eröffnung des Ladengeschäfts innerhalb eines Monats, schulde der Vermieter nach Ablauf der Ausbaufrist die Eröffnung des Geschäftszentrums. Nach Ablauf der Ausbaufrist bis zur Eröffnung des Geschäftszentrums sei die Miete vollständig gemindert, weil die Mietsache nicht zum vertragsgemäßen Gebrauch geeignet gewesen sei.

Zwar wurde die Mietfläche vom Vermieter ohne Innenausbau übergeben. Den Innenausbau sollte der Mieter auf seine Kosten selbst durchführen. Der Mieter war verpflichtet, sein Geschäft spätestens einen Monat nach Übergabe des Mietobjektes zu eröffnen. Dies habe nur zur Folge, dass der Mieter in diesem Zeitraum die Mietsache noch nicht für den eigentlichen Vertragszweck - hier das Betreiben der Galerie - nutzen konnte, sondern vertragsgemäß nur für den notwendigen Eigenausbau.

Ein Minderungsanspruch ab dem 30.05.2014 ergebe sich im Übrigen unmittelbar aus den vertraglichen Regelungen, wonach der Vermieter bei Neueröffnung des Geschäftszentrums (im Ganzen oder von Teilen) den Termin der Eröffnung für beide Teile verbindlich festlegen und dem Mieter einen Monat vorher mitteilen wird. Nachdem die Beklagte mit E- Mail vom 30.04.2014 mitgeteilt hat, dass „der Eröffnungstermin für das Projekt der 30.05.2014 ist“, habe sie den Eröffnungstermin verbindlich im Sinne der vorgenannten Regelung festgelegt und war zur Gebrauchsgewährung im dargestellten Sinne verpflichtet.

Die Minderung sei auch nicht gemäß § 536 b Satz 3 BGB wegen vorbehaltloser Annahme der Mietsache trotz Kenntnis des Mangels ausgeschlossen. Das Einkaufszentrum musste nicht notwendig bei Übergabe eröffnet sein. Die Klägerin konnte daher bei Übergabe der Mietsache davon ausgehen, dass dies binnen einen Monats geschieht und musste sich daher Rechte nicht vorbehalten.

Der Rückforderungsanspruch sei nicht wegen § 814 BGB ausgeschlossen.

Nach § 814 BGB kann das zum Zweck der Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete nicht zurückgefordert werden, wenn der Leistende gewusst hat, dass er zur Leistung nicht verpflichtet ist.

Einer etwaigen schädlichen Rechtskenntnis im Sinne von § 814 BGB steht vorliegend die Regelung entgegen, wonach der Mieter gegenüber Mietzins- oder sonstigen Forderungen des Vermieters kein Minderungsrecht ausüben kann. Nach dieser Klausel ist eine Beschränkung des Minderungsrechts des Mieters in der Form vorgesehen, dass ihm nur der Abzug von der Mietzahlung versagt und er wegen des Minderungsrechts auf einen Rückforderungsanspruch nach § 812 BGB verwiesen wird. Eine solche Klausel stellt im Gewerberaummietrecht keine unangemessene Benachteiligung im Sinne von § 307 BGB dar. Das heißt also, dass die Klägerin zunächst zur Zahlung der Miete - ungeachtet eines Minderungsanspruches - vertraglich verpflichtet war.

§ 814 BGB setzt aber das Nichtbestehen einer Leistungspflicht im Zeitpunkt der Leistung voraus. Eine Klausel, die den Mieter ungeachtet der Mängel zunächst zur vollen Mietzahlung verpflichtet, führt zu einer Leistungspflicht. Dem Vermieter steht ungeachtet der späteren Klärung der Minderungsfrage zunächst ein (wenn auch vorläufiger) Zahlungsanspruch zu. Ein Vorbehalt zur Vermeidung eines „widersprüchlichen“ Verhaltens ist dann von vornherein nicht erforderlich, da der Tatbestand des § 814 BGB nicht erfüllt ist

Praxishinweis

Das KG hat zutreffend geurteilt, dass vorliegend der vertragsgemäße Gebrauch nicht gegeben war. Der Mieter war wegen der Übergabe der Mieträume vor Eröffnung des Einkaufszentrums auch nicht verpflichtet, sich Rechte wegen fehlender Gebrauchsgewährung vorzubehalten, da der Vermieter erst einen Monat nach Übergabe zur Eröffnung des Einkaufszentrums verpflichtet war.

Die vorbehaltlose Annahme schließt ansonsten regelmäßig die Gewährleistung aus, wenn der Mieter zum Zeitpunkt der Annahme der Mietsache den Mangel kannte, § 536b S. 3 BGB. Dies gilt auch dann, wenn es sich bei dem Mangel um eine fehlende zugesicherte Eigenschaft handelt (Kraemer/Ehlert in Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 4. Auflage, III. B Rn. 3389). Die Annahme ist gleich bedeutend mit der Einräumung des tatsächlichen Besitzes an der Mietsache, also mit der Überlassung i.S.d. § 535 BGB.

Behält sich der Mieter bei der Annahme der Mietsache seine Rechte wegen eines Mangels vor, ist eine spätere Klage auf Zahlung von rückständiger Miete im Urkundenprozess nur dann statthaft, wenn unstreitig ist oder der Vermieter urkundlich beweisen kann, dass der Mieter trotz des erklärten Vorbehalts die Mietsache als Erfüllung angenommen hat (BGH, Urteil vom 12.06.2013 – XII ZR 50/12, NZM 2013, 614).

Die vorbehaltlose Ausübung einer Verlängerungsoption durch den Mieter führt nicht gemäß oder entsprechend § 536 b BGB dazu, dass der Mieter für die Zukunft mit seinen Rechten aus §§ 536, 536 a BGB ausgeschlossen ist (BGH, Urteil vom 05.11.2014 – XII ZR 15/12, NJW 2015, 402; Urteil vom 14.10.2015 - XII ZR 84/14, NJW-RR 2016, 14).

Redaktion beck-aktuell, 19. Januar 2017.