BGH: Ansprüche gem. § 64 1 GmbHG und § 31 I GmbHG stehen nur der Gesellschaft selbst zu

BGB § 823 II; GmbHG §§ 64 1, 31 I, 73 I

1. § 64 1 GmbHG ist kein Schutzgesetz i.S.d. § 823 II BGB.

2. Der Gläubiger einer GmbH kann den Erstattungsanspruch der Gesellschaft nicht selbst unmittelbar gegen einen Gesellschafter verfolgen, auch nicht bei einem Verstoß gegen § 73 I GmbHG. (Leitsätze des Gerichts)

BGH, Urteil vom 19.11.2019 - II ZR 233/18 (OLG Frankfurt a.M.), BeckRS 2019, 36402

Anmerkung von
Rechtsanwalt Dr. Peter de Bra, Schultze & Braun GmbH Rechtsanwaltsgesellschaft

Aus beck-fachdienst Insolvenzrecht 05/2020 vom 06.03.2020

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Sachverhalt

Der Beklagte war Geschäftsführer einer GmbH, die mit dem Kläger in Geschäftsbeziehung stand. Gegen diese GmbH erlangte der Kläger ein Versäumnisurteil über ihm geschuldete Beträge. Noch während des Prozesses hatte der Beklagte jedoch die GmbH in eine GmbH & Co. KG umgewandelt und unmittelbar danach das Erlöschen dieser KG sowie die Auflösung der (neuen) Komplementär-GmbH, deren Liquidator der Beklagte wurde, in das Handelsregister eingetragen. An diese GmbH stellte der Beklagte verschiedene Rechnungen - ohne erkennbaren Leistungsinhalt - die er sich selbst auszahlte. Erst zu einem späteren Zeitpunkt erfuhr der Kläger davon und nimmt den Beklagten nunmehr persönlich auf Zahlung in Höhe von 35.000 EUR in Anspruch, weil der Beklagte gem. § 823 II BGB, § 73 GmbHG für die gegenüber der GmbH titulierten Forderungen hafte. Nachdem das Berufungsgericht der Klage weitgehend stattgegeben hatte, führte die vom Senat zugelassene Revision zur Zurückverweisung an das Berufungsgericht.

Entscheidung:

a) § 64 1 GmbHG ist kein Schutzgesetz im Sinne des § 823 II BGB

Der Senat stellt zunächst klar, dass es sich bei dem Erstattungsanspruch der Gesellschaft nach § 64 1 GmbHG um einen „Ersatzanspruch eigener Art" handele, der der Erhaltung der verteilungsfähigen Vermögensmasse der insolvenzreifen Gesellschaft im Interesse der Gesamtheit ihrer Gläubiger diene und eine zu ihrem Nachteil gehende, bevorzugte Befriedigung einzelner Gläubiger verhindern solle. Es handle sich nicht um einen dem einzelnen Gläubiger zustehenden Deliktsanspruch. Daran ändere sich auch nach Abschluss der Liquidation nichts.

b) Kein unmittelbarer Anspruch des Gläubigers gem. § 31 I GmbHG

Der Senat stellt sodann fest, dass dem Kläger auch kein Anspruch gem. § 31 I GmbHG zugutekomme, weil es sich insoweit ebenfalls um einen (lediglich) der Gesellschaft zustehenden Anspruch handle, den der Kläger nicht aus eigenem Recht verfolgen könne. Eine Analogie zu den Bestimmungen des Aktiengesetzes, insbesondere gem. § 62 II AktG, komme nicht in Betracht, da insoweit keine planwidrige Regelungslücke bestehe.

Dies gelte schließlich auch für Ansprüche entsprechend § 31 I GmbHG gegen den begünstigten Gesellschafter wegen Verstoßes gegen § 73 I GmbHG, weil die zu §§ 30, 31 GmbHG entwickelten Grundsätze auf diese Ansprüche übertragbar seien.

c) Möglicherweise aber Ansprüche gem. § 73 III 1 GmbHG

Die Sache sei allerdings noch nicht zur Endentscheidung reif. Denn als unmittelbarer Anspruch des Klägers käme ein Anspruch gem. § 73 III 1 GmbHG in Betracht, wonach Liquidatoren, welche den Verteilungsvorschriften des § 73 I GmbHG (Verteilung nicht vor Tilgung oder Sicherstellung der Schulden der Gesellschaft und nicht vor Ablauf eines Jahres seit Eintragung des Gläubigeraufrufes in die Gesellschaftsblätter) zuwider handeln. Hierzu sei durch das Berufungsgericht zunächst zu klären, ob es sich bei dem Kläger um den einzigen Gläubiger gehandelt habe, dessen Forderung im Liquidationsverfahren unberücksichtigt geblieben sei. Aus diesem Grunde sei der Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Als Segelhinweis gibt der Senat dem Berufungsgericht mit auf den Weg, das nach dem bisherigen Sach- und Streitstand des Verfahrens nicht davon auszugehen sei, dass ein möglicher Anspruch verjährt sei. Der Kläger habe dem Beklagten verjährungsunterbrechend einen Mahnbescheid zustellen lassen und dem Beklagten sei bekannt gewesen, dass er wegen einer Verletzung der sich aus § 73 GmbHG ergebenden Pflicht in Anspruch genommen werden solle. Es sei nicht erforderlich, dass der Mahnbescheid die einzelnen aus dem Vermögen der GmbH an den Beklagten geleisteten Zahlungen bezeichnet habe.

Praxishinweis

Bei dem der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt handelt es sich augenscheinlich um einen Fall der „Firmenbestattung". Anders ist die gewählte Vorgehensweise - Umwandlung und Umfirmierung der ursprünglichen Schuldnerin in eine KG und sofortige Liquidation dieser KG sowie Ausschüttung des Restvermögens der Komplementär-GmbH an den Geschäftsführer/Gesellschafter selber - kaum zu erklären. Schon das Berufungsgericht hatte sich bemüht, dem Kläger hier weiterzuhelfen. Der BGH hält insoweit zwar an seiner insoweit gefestigten dogmatischen Einordnung fest, dass es sich bei den Ansprüchen gem. § 64 I GmbHG und § 31 I GmbHG nicht um solche dem einzelnen Gesellschaftsgläubiger zustehende handelt, hat jedoch einen anderen Weg gefunden, dem Kläger hier weiterzuhelfen. Darauf, dass er das wollte, deutet auch die wohl großzügige Betrachtung der Frage der Verjährungshemmung hin. Wäre der vom Senat gewählte Ansatz über eine mögliche Haftung gem. § 73 III GmbHG nicht gangbar gewesen, so wäre damit zu rechnen, dass der BGH eine andere Lösung, wie etwa die Anwendung der „groben Keule" des § 826 BGB gefunden hätte, um zu einer Haftung des Beklagten zu kommen. Dass der Beklagte mit der von ihm gewählten Vorgehensweise Erfolg haben sollte, wäre jedenfalls ein äußerst unbefriedigendes Ergebnis.

Redaktion beck-aktuell, 9. März 2020.