BGH: Keine Rücknahme des Antrags auf Restschuldbefreiung nach zulässigem Versagungsantrag

InsO §§ 4, 287; ZPO § 269 I

Hat ein Gläubiger in dem gem. § 300 I InsO aF zur Anhörung anberaumten Termin oder innerhalb der stattdessen gesetzten Erklärungsfrist einen zulässigen Versagungsantrag gestellt, kann der Schuldner seinen Antrag auf Restschuldbefreiung auch dann nur noch mit Zustimmung dieses Gläubigers zurücknehmen, wenn die Sache entscheidungsreif ist, keine weiteren Erklärungen der Beteiligten ausstehen und lediglich noch eine Entscheidung des Insolvenzgerichts zu treffen ist. (Leitzsatz des Gerichts)

BGH, Beschluss vom 14.06.2018 - IX ZB 43/17 (LG Landshut), BeckRS 2018, 13753

Anmerkung von
Rechtsanwalt Stefano Buck, Fachanwalt für Insolvenzrecht, Schultze & Braun Rechtsanwaltsgesellschaft für Insolvenzverwaltung mbH

Aus beck-fachdienst Insolvenzrecht 15/2018 vom 27.07.2018

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Sachverhalt

Am 27.3.2009 beantragte der Schuldner die Eröffnung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens über sein Vermögen und die Erteilung der Restschuldbefreiung. Das Insolvenzverfahren wurde am 31.3.2009 eröffnet und am 24.2.2011 aufgehoben. Innerhalb der mit Beschluss vom 17.5.2015 gesetzten Frist, Anträge auf Versagung der Restschuldbefreiung im schriftlichen Verfahren zu stellen, beantragten zwei Gläubiger unter Vorlage schriftlicher Unterlagen, dem Schuldner die Restschuldbefreiung zu versagen, weil er einen am 12.12.2014 erhaltenen Gehaltszufluss in Höhe von 12.500 EUR verheimlicht habe. Der nunmehr anwaltlich vertretene Schuldner bat zunächst um Verlängerung der ihm gesetzten Frist zur Stellungnahme. Am 3.6.2015 nahm er seinen Antrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung zurück, ohne sich zum geltend gemachten Versagungsgrund zu äußern. Die den Versagungsantrag stellenden Gläubiger stimmten der Rücknahme nicht zu. Mit Beschluss vom 21.1.2016 versagte das Insolvenzgericht die Erteilung der Restschuldbefreiung.

Das Beschwerdegericht wies die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Schuldners mit Beschluss vom 9.8.2017 unter der ergänzenden Feststellung zurück, dass die Rücknahme des Antrags auf Erteilung der Restschuldbefreiung unzulässig sei. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgte der Schuldner sein Ziel weiter, die Aufhebung des Beschlusses vom 21.1.2016 und die Zurückverweisung der Versagungsanträge zu erreichen. Im Ergebnis ohne Erfolg.

Entscheidung

Der BGH führte aus, dass das Beschwerdegericht zutreffend ausgeführt habe, dass ein Schuldner zwar grundsätzlich gem. § 4 InsO, § 269 I ZPO befugt sei, vor einer endgültigen Entscheidung des Insolvenzgerichts über die Restschuldbefreiung seinen entsprechenden Antrag zurückzunehmen. Allerdings sei ihm die Rücknahme verwehrt, sobald ein begründeter Antrag zur Versagung der Restschuldbefreiung bei Gericht eingegangen sei. Es könne nichts anderes als in dem vom BGH bereits entschiedenen Fall (BGH WM 2016, 2315) gelten. Auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung selbst könne nicht abgestellt werden, wenn der Gläubiger einen nach Aktenlage berechtigten Versagungsantrag stelle, über den lediglich noch zu entscheiden sei. Denn es sei oft nicht klar, wann es nach Ablauf etwaiger Stellungnahmefristen zur Entscheidung komme. Auch hier sei entsprechend § 269 ZPO die Dispositionsfreiheit des Schuldners gegen das Interesse des den Versagungsantrag stellenden Gläubigers an einer Entscheidung über die Versagung abzuwägen. Gegen den Schuldner spreche im Streitfalle, dass er offensichtlich treuwidrig die Zahlung der fünfstelligen Summe verschwiegen habe, um diese dem Gläubigerzugriff zu entziehen. Diesen vom Gläubiger geltend gemachten Versagungsgrund habe der Schuldner nicht angegriffen. Deshalb könne die Rücknahme seines Antrags nur dem Zweck dienen, die negativen Folgen einer Versagung der Restschuldbefreiung nicht eintreten zu lassen. Das Insolvenzgericht habe daher zu Recht gem. §§ 300 II, 296 I, 295 I Nr. 3 InsO die Restschuldbefreiung versagt.

Praxishinweis

Ist – wie im Streitfall – eine Restschuldbefreiung zu versagen, ist der Schuldner nach § 290 I Nr. 3 InsO für eine Dauer von 10 Jahren und nach § 287a II 1 Nr. 2 InsO in der ab dem 1.7.2014 geltenden Fassung für die Dauer von 3 Jahren an der erneuten Stellung eines Restschuldbefreiungsantrags gehindert. Dieses auf eine sachliche Entscheidung gerichtete Interesse des Gläubigers ist rechtlich geschützt, weil die Restschuldbefreiung nach dem Willen des Gesetzgebers nur dem sich redlich und gläubigerfreundlich verhaltenden Schuldner zuteilwerden und auf Antrag eines Gläubigers ua dann ausgeschlossen sein soll, wenn dem Schuldner bis zum Ablauf der Wohlverhaltensperiode oder im Anhörungstermin zur Restschuldbefreiung ein illoyales Verhalten zur Last fällt (BT-Drs. 12/2443, S. 100 f. und 188). Demgegenüber ist das Interesse des Schuldners nachrangig, der zu erwartenden Sanktion durch eine Antragsrücknahme die Grundlage zu entziehen und das im ersten Durchgang für ihn absehbar negativ verlaufende Verfahren anschließend unmittelbar wiederholen zu können (vgl. BGH, WM 2016, 2315). Hierauf wies der BGH nochmals ausdrücklich hin.

Redaktion beck-aktuell, 1. August 2018.

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