BGH: Pfän­dungs­schutz­kon­to – Ver­fü­gun­gen des Schuld­ners und deren An­rech­nung

ZPO § 850k I 1 und 3

1. Ein Voll­stre­ckungs­schuld­ner ver­fügt nur dann über das Pfän­dungs­schutz­kon­to, wenn er die kon­to­füh­ren­de Bank an­weist, einen Zah­lungs­vor­gang aus­zu­lö­sen, und diese den be­auf­trag­ten Zah­lungs­vor­gang aus­führt. Der ver­geb­li­che Ver­such einer Ba­r­ab­he­bung stellt keine Ver­fü­gung über den Frei­be­trag dar.

2. Ver­fü­gun­gen, die der Schuld­ner über sein pfand­frei­es Gut­ha­ben trifft, sind zu­nächst auf das über­tra­ge­ne Rest­gut­ha­ben aus dem Vor­mo­nat an­zu­rech­nen und erst nach des­sen Er­schöp­fung auf den neuen So­ckel­frei­be­trag des ak­tu­el­len Mo­nats (First-in-first-out-Prin­zip). (Leit­sät­ze des Ge­richts)

BGH, Ur­teil vom 19.10.2017 - IX ZR 3/17 (LG Wup­per­tal), BeckRS 2017, 131675

An­mer­kung von 
Rechts­an­wäl­tin Dr. Elske Fehl-Wei­le­der, Fach­an­wäl­tin für In­sol­venz­recht, Schult­ze & Braun Rechts­an­walts­ge­sell­schaft für In­sol­venz­ver­wal­tung mbH

Aus beck-fach­dienst In­sol­venz­recht 25/2017 vom 15.12.2017

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Sach­ver­halt

Die spä­ter be­klag­te Stadt hatte wegen zwei For­de­run­gen gegen die Schuld­ne­rin Pfän­dun­gen in deren auf Gut­ha­ben­ba­sis bei der Klä­ge­rin (Bank) ge­führ­tes Pfän­dungs­schutz­kon­to aus­ge­bracht. Ei­ni­ge Zeit nach der Zu­stel­lung der Pfän­dungs- und Ein­zie­hungs­ver­fü­gun­gen er­hielt die Schuld­ne­rin An­fang Juli 2014 eine ein­ma­li­ge Leis­tung des Job­cen­ters für eine Woh­nungs­er­st­aus­stat­tung iHv knapp 1.500 EUR auf ihr P-Konto über­wie­sen. Als sie im Au­gust 2014 die­sen Be­trag bei der be­klag­ten Bank ab­he­ben woll­te, ver­wei­ger­te die Schal­ter­mit­ar­bei­te­rin ihr irr­tüm­lich die Aus­zah­lung unter Hin­weis auf die er­folg­te Pfän­dung, ob­wohl die Schuld­ne­rin durch Vor­la­ge des Be­wil­li­gungs­be­schei­des des Job­cen­ters als Be­schei­ni­gung nach § 850k V 2 ZPO den Pfän­dungs­schutz nach­ge­wie­sen hat. Im Sep­tem­ber 2014 zahl­te die Bank ins­ge­samt 791 EUR an die Pfän­dungs­gläu­bi­ge­rin, schrieb den Be­trag aber der Schuld­ne­rin nach deren Be­an­stan­dung im Ok­to­ber 2014 wie­der gut. Die kon­to­füh­ren­de Bank ver­lang­te die Aus­zah­lun­gen an die Pfän­dungs­gläu­bi­ge­rin von die­ser als un­ge­recht­fer­tig­te Be­rei­che­rung nach § 812 BGB zu­rück und blieb damit in den ers­ten bei­den In­stan­zen er­folg­los.

Ent­schei­dung

Auch der BGH hat die Kla­ge­ab­wei­sung be­stä­tigt. Es han­de­le sich bei der Aus­zah­lung der Bank an die Pfän­dungs­gläu­bi­ge­rin nicht um eine rechts­grund­lo­se Leis­tung, da ein Ein­zie­hungs­recht der Be­klag­ten be­stan­den habe. An einem Ein­zie­hungs­recht könne es feh­len, wenn ein Gut­ha­ben von einem P-Konto aus­ge­zahlt werde, das nicht pfänd­bar ge­we­sen sei. Im vor­lie­gen­den Fall sei das Gut­ha­ben aus der ein­ma­li­gen Leis­tung im Juli 2014 in dem dar­auf­fol­gen­den Monat (Au­gust 2014) noch nach § 850k I 3, II 2 ZPO pfän­dungs­ge­schützt ge­we­sen. Ver­fü­gun­gen des Schuld­ners müs­sen nach dem „First-in-first-out-Prin­zip“ zu­nächst auf das über­tra­ge­ne Gut­ha­ben, und dann erst auf neues Gut­ha­ben an­ge­rech­net wer­den. Da je­doch auch im Au­gust 2014 nicht über das Gut­ha­ben ver­fügt wurde, er­losch der ver­län­ger­te Pfän­dungs­schutz für das über­tra­ge­ne Gut­ha­ben Ende Au­gust 2014. Eine an­de­re Be­ur­tei­lung folge auch nicht dar­aus, dass die Schuld­ne­rin die Be­schei­ni­gung über die Un­pfänd­bar­keit erst im Au­gust 2014 vor­ge­legt habe. Die späte Vor­la­ge im Monat nach dem Zu­fluss führe nicht etwa dazu, dass der Schutz des § 850k II ZPO erst im Au­gust be­gin­ne und des­halb eine Über­tra­gung des An­spar­be­tra­ges in den Monat Sep­tem­ber 2014 mög­lich ge­we­sen wäre. Schlie­ß­lich sei auch un­er­heb­lich, dass die Schuld­ne­rin im vor­lie­gen­den Fall im Au­gust be­reits (ver­geb­lich) ver­sucht hatte, den frag­li­chen Geld­be­trag in bar ab­zu­he­ben. Eine Ver­fü­gung über das Kon­to­gut­ha­ben sei näm­lich erst dann ge­ge­ben, wenn die Bank den in Auf­trag ge­ge­be­nen Zah­lungs­vor­gang aus­ge­führt und auf dem Konto eine ent­spre­chen­de Be­las­tungs­bu­chung vor­ge­nom­men habe, und so der Aus­zah­lungs­an­spruch gegen das Kre­dit­in­sti­tut er­lischt. Dies sei aber ge­ra­de nicht der Fall, wenn eine Bar­aus­zah­lung ver­wei­gert werde, so­dass in dem un­er­füll­ten Aus­zah­lungs­ver­lan­gen keine Ver­fü­gung zu sehen sei. Schlie­ß­lich be­sei­ti­ge auch die nach­träg­lich noch auf deren Be­schwer­de hin er­folg­te Aus­zah­lung an die Schuld­ne­rin nicht den Rechts­grund für die zuvor er­folg­te Leis­tung der Bank an die Pfän­dungs­gläu­bi­ge­rin, mit der sie ihre Pflicht als Dritt­schuld­ne­rin ge­gen­über der zur Ein­zie­hung be­rech­tig­ten Gläu­bi­ge­rin er­füllt habe.

Pra­xis­hin­weis

Der BGH hat der in Recht­spre­chung und Li­te­ra­tur teil­wei­se ver­tre­te­nen An­sicht, dass die Über­tra­gung des Gut­ha­bens auf dem P-Konto in den Fol­ge­mo­nat keine tem­po­rä­re, son­dern eine Be­schrän­kung nur der Höhe nach be­deu­te, eine klare Ab­sa­ge er­teilt. Er ver­weist als Be­grün­dung auf die Ma­te­ria­li­en aus dem Ge­setz­ge­bungs­pro­zess, denen ein­deu­tig zu ent­neh­men ist, dass der an­ge­mes­se­ne Aus­gleich der Gläu­bi­ger- und Schuld­ner­be­lan­ge die zeit­li­che Be­gren­zung der Über­tra­gungs­mög­lich­keit be­dingt, und eine mehr­fa­che Über­tra­gung daher nicht mög­lich ist. Das vom BGH be­reits in einer Ent­schei­dung aus dem Jahr 2014 (IX ZR 115/14) pos­tu­lier­te „First-in-first-out-Prin­zip“ ent­schärft diese Aus­le­gung für den Schuld­ner, denn so wird si­cher­ge­stellt, dass jed­we­de Ver­fü­gung zu­nächst auf das über­tra­ge­ne „alte“ Gut­ha­ben an­ge­rech­net wird. Da­durch dürf­ten sich die Fälle, in denen ein vor­han­de­nes Gut­ha­ben auf dem P-Konto die Zwei-Mo­nats-Gren­ze „über­lebt“ in der Pra­xis auf sel­te­ne Aus­nah­men be­schrän­ken.

Redaktion beck-aktuell, 15. Dezember 2017.

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