BGH: Vor­aus­set­zun­gen für einen wirk­sa­men Ver­zicht auf eine ab­ge­son­der­te Be­frie­di­gung

InsO §§ 52 S, 2, 190 I 1, 270 I 1; 270c S. 2

1. Die An­mel­dung einer For­de­rung zur Ta­bel­le ohne eine Be­schrän­kung auf den Aus­fall be­deu­tet kei­nen Ver­zicht auf ein Recht zur ab­ge­son­der­ten Be­frie­di­gung.

2. Der Ver­zicht auf eine ab­ge­son­der­te Be­frie­di­gung ist nur dann wirk­sam, wenn der be­las­te­te Mas­se­ge­gen­stand hier­durch für die Masse frei wird.

3. Bei An­ord­nung der Ei­gen­ver­wal­tung kann der Ver­zicht auf ein Recht zur ab­ge­son­der­ten Be­frie­di­gung nur ge­gen­über dem Schuld­ner er­klärt wer­den. (vom Ver­fas­ser be­ar­bei­te­te Leit­sät­ze des Ge­richts).

BGH, Ur­teil vom 9.3.2017 - IX ZR 177/15 (OLG Frank­furt a. M.), BeckRS 2017, 104879

An­mer­kung von

Rechts­an­walt Ste­fa­no Buck, Fach­an­walt für In­sol­venz­recht, Schult­ze & Braun Rechts­an­walts­ge­sell­schaft für In­sol­venz­ver­wal­tung mbH

Aus beck-fach­dienst In­sol­venz­recht 07/2017 vom 07.04.2017

Diese Ur­teils­be­spre­chung ist Teil des zwei­wö­chent­lich er­schei­nen­den Fach­diens­tes In­sol­venz­recht. Neben wei­te­ren aus­führ­li­chen Be­spre­chun­gen der ent­schei­den­den ak­tu­el­len Ur­tei­le im In­sol­venz­recht be­inhal­tet er er­gän­zen­de Leit­satz­über­sich­ten und einen Über­blick über die re­le­van­ten neu er­schie­ne­nen Auf­sät­ze. Zudem in­for­miert er Sie in einem Nach­rich­ten­block über die wich­ti­gen Ent­wick­lun­gen in Ge­setz­ge­bung und Pra­xis. Wei­te­re In­for­ma­tio­nen und eine Schnell­be­stell­mög­lich­keit fin­den Sie unter www.​beck-​online.​de

Sach­ver­halt

Die Be­klag­te ge­währ­te dem Schuld­ner ein Dar­le­hen zur Fi­nan­zie­rung einer Ma­schi­ne. Diese wurde ihm zur Si­cher­heit über­eig­net. Am 8.4.2013 kün­dig­te sie das Dar­le­hen wegen rück­stän­di­ger Raten. Am 31.5.2013 wurde das In­sol­venz­ver­fah­ren über das Ver­mö­gen des Schuld­ners er­öff­net. Der Schuld­ner blieb ver­wal­tungs- und ver­fü­gungs­be­fugt, der Klä­ger wurde zum Sach­wal­ter be­stellt. Im Er­öff­nungs­be­schluss heißt es unter Nr. 7: „Die In­sol­venz­gläu­bi­ger wer­den auf­ge­for­dert, In­sol­venz­for­de­run­gen (§ 38 InsO) bei dem Sach­wal­ter schrift­lich zwei­fach bis zum 18.7.2013 an­zu­mel­den. Die Gläu­bi­ger wer­den auf­ge­for­dert, dem Sach­wal­ter un­ver­züg­lich mit­zu­tei­len, wel­che Si­che­rungs­rech­te sie an be­weg­li­chen Sa­chen oder an Rech­ten des Schuld­ners in An­spruch neh­men. Dabei sind der Ge­gen­stand, an wel­chem das Si­che­rungs­recht be­an­sprucht wird, die Art und der Ent­ste­hungs­grund des Si­che­rungs­rech­tes sowie die ge­si­cher­te For­de­rung genau zu be­zeich­nen. Wer diese Mit­tei­lung an den Sach­wal­ter schuld­haft un­ter­lässt oder ver­zö­gert, haf­tet für den dar­aus ent­ste­hen­den Scha­den.“

Mit Schrei­ben an die Be­klag­te vom 20.6.2013 er­klär­te der Klä­ger mit Zu­stim­mung des Schuld­ners, die Ma­schi­ne könne ab­ge­holt wer­den. Vom Ver­wer­tungs­recht werde kein Ge­brauch ge­macht. Der Ter­min möge mit dem Schuld­ner ab­ge­stimmt wer­den. Die Be­klag­te, die zu­nächst die Dar­le­hens­for­de­rung unter Be­schrän­kung auf den Aus­fall an­ge­mel­det hatte, er­klär­te mit Schrei­ben an den Klä­ger vom 4.9.2013, sie gebe ihr Ab­son­de­rungs­recht auf und werde nur die per­sön­li­che For­de­rung gel­tend ma­chen. Der Schuld­ner er­hielt keine Kennt­nis von die­sem Schrei­ben. Mit Ver­trag vom 10.2.2014 wurde die Ma­schi­ne im Auf­trag und für Rech­nung der Be­klag­ten für 32.725 EUR an einen Drit­ten ver­kauft. Am 6.3.2014 wurde die Ei­gen­ver­wal­tung auf­ge­ho­ben und der Klä­ger zum In­sol­venz­ver­wal­ter be­stellt. Mit Schrei­ben an den Klä­ger vom 10.3.2014 ver­wies die Be­klag­te dar­auf, die Auf­ga­be des Ab­son­de­rungs­rechts nicht ge­gen­über dem Schuld­ner und damit nicht wirk­sam er­klärt zu haben; hilfs­wei­se focht sie ihre Er­klä­rung wegen Irr­tums an.

Der Klä­ger ver­langt Aus­keh­rung des Ver­äu­ße­rungs­er­lö­ses von 32.725 EUR nebst Zin­sen. Die Klage ist in den Vor­in­stan­zen er­folg­los ge­blie­ben. Auch die Re­vi­si­on blieb im Er­geb­nis ohne Er­folg.

Ent­schei­dung

Der BGH führ­te aus, dass ein Si­che­rungs­neh­mer, dem eine be­weg­li­che Sache zur Si­cher­heit über­eig­net wor­den sei, auf seine Rech­te aus der Si­che­rungs­zwe­ck­er­klä­rung ver­zich­ten könne. Er sei dann aus dem Si­che­rungs­ver­trag zur Rück­über­eig­nung des be­tref­fen­den Ge­gen­stan­des ver­pflich­tet. In der In­sol­venz des Si­che­rungs­ge­bers könne der In­sol­venz­ver­wal­ter den An­spruch auf Rück­über­eig­nung durch­set­zen und so eine dop­pel­te In­an­spruch­nah­me der Masse durch die An­mel­dung der ge­si­cher­ten For­de­rung ei­ner­seits und die Ver­wer­tung des für die For­de­rung haf­ten­den Ab­son­de­rungs­gu­tes an­de­rer­seits ver­hin­dern. Sei Ei­gen­ver­wal­tung an­ge­ord­net, sei der Schuld­ner selbst zur Durch­set­zung die­ses An­spruchs be­fugt (§ 270 I InsO). Auch der Ver­zicht auf den Si­che­rungs­zweck sei je­doch dem Schuld­ner ge­gen­über zu er­klä­ren ge­we­sen, der ihn hätte an­neh­men müs­sen. Einen ein­sei­ti­gen Ver­zicht auf schuld­recht­li­che For­de­run­gen sehe das bür­ger­li­che Recht nicht vor. Er­for­der­lich sei viel­mehr der Ab­schluss eines Er­lass­ver­tra­ges (vgl. BGH NJW 1987, 3203). Dem Schuld­ner ge­gen­über habe die Be­klag­te nicht auf ihr Ab­son­de­rungs­recht ver­zich­tet. Das Schrei­ben vom 4.9.2013 war an den Klä­ger ge­rich­tet; der Schuld­ner habe es nicht er­hal­ten.

Eine Be­fug­nis des Klä­gers zur Ent­ge­gen­nah­me von Er­klä­run­gen, die sich auf das Ab­son­de­rungs­recht be­zie­hen, folge auch  nicht aus § 270c S. 2 InsO.

Die Be­klag­te habe im Schrei­ben vom 4.9.2013 nicht nur ihr Ab­son­de­rungs­recht „auf­ge­ge­ben“, son­dern auch er­klärt, ihre per­sön­li­che For­de­rung im In­sol­venz­ver­fah­ren gel­tend ma­chen zu wol­len. Die letzt­ge­nann­te Er­klä­rung war dem Klä­ger als Sach­wal­ter ge­gen­über ab­zu­ge­ben. Gem. § 270c S. 2 InsO waren die For­de­run­gen der In­sol­venz­gläu­bi­ger bei An­ord­nung der Ei­gen­ver­wal­tung beim Sach­wal­ter an­zu­mel­den.

In der vor­be­halt­lo­sen An­mel­dung der For­de­rung liege aber nicht zu­gleich ein Ver­zicht auf die ab­ge­son­der­te Be­frie­di­gung. Die An­mel­dung der For­de­rung eines ab­son­de­rungs­be­rech­tig­ten Gläu­bi­gers ohne eine Be­schrän­kung auf den Aus­fall (vgl. §§ 28 II, 52 S. 2, 190 I InsO) werde schon im Re­ge­lin­sol­venz­ver­fah­ren nicht als kon­klu­den­ter Ver­zicht auf ein Ab­son­de­rungs­recht ge­wer­tet (OLG Nürn­berg BeckRS 2007, 05864). Auch ein In­sol­venz­gläu­bi­ger, der zur ab­ge­son­der­ten Be­frie­di­gung be­rech­tigt sei, dürfe zu­nächst seine ganze For­de­rung an­mel­den und fest­stel­len las­sen (vgl. auch BAG BeckRS 2016, 74468). Die Be­schrän­kung auf den Aus­fall er­lan­ge Be­deu­tung erst im Rah­men der Ver­tei­lung (§ 190 InsO). Über dies ordne § 28 II 3 InsO eine Er­satz­pflicht des Gläu­bi­gers für den Scha­den an, der aus einem schuld­haft un­ter­blie­be­nen Hin­weis auf das Ab­son­de­rungs­recht ent­ste­he. Diese Re­ge­lung wäre über­flüs­sig, wenn die An­mel­dung ohne Be­schrän­kung auf den Aus­fall zum Ver­lust des Ab­son­de­rungs­rechts füh­ren würde.

Habe die An­mel­dung der For­de­rung kei­nen Ein­fluss auf das Ab­son­de­rungs­recht, könne aus der Zu­stän­dig­keit des Sach­wal­ters für das Füh­ren der Ta­bel­le gem. § 270c S. 2 InsO keine An­nex­kom­pe­tenz für die Ent­ge­gen­nah­me einer Ver­zichts­er­klä­rung fol­gen.

Im Er­geb­nis komme daher ein An­spruch aus § 816 BGB nicht in Be­tracht. Der mit Schrei­ben der Be­klag­ten vom 4.9.2013 er­klär­te Ver­zicht auf das Ab­son­de­rungs­recht sei wir­kungs­los ge­we­sen, weil er an den Klä­ger ge­rich­tet ge­we­sen sei und dem Schuld­ner nicht zu­ging.

Pra­xis­hin­weis

Im Rah­men der an­ge­ord­ne­ten Ei­gen­ver­wal­tung steht das Recht zur Ver­wer­tung von Si­che­rungs­gut nach § 282 InsO dem Schuld­ner zu. Die­ser soll sein Ver­wer­tungs­recht im Ein­ver­neh­men mit dem Sach­wal­ter aus­üben.

Be­son­ders ist dar­auf zu ach­ten, dass das Si­che­rungs­gut nicht zur ver­wer­tet, son­dern der Erlös auch se­pa­riert und nicht un­trenn­bar mit der Masse ver­mengt wird. Es ist an­zu­neh­men, dass ein ent­spre­chen­der Hin­weis durch den Sach­wal­ter an den Schuld­ner er­fol­gen muss, an­dern­falls ist eine Ver­let­zung der Auf­sichts­pflich­ten an­zu­neh­men. 

Redaktion beck-aktuell, 11. April 2017.

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