OLG Brandenburg: Erbfolgenachweis gegenüber dem Handelsregister bei eigenhändigen Testamentsergänzungen

HGB §§ 12, 107, 161, 162; GBO § 35; BGB §§ 2232, 2247

1. Ein Erbschein zum Nachweis der Rechtsnachfolge ist erforderlich, wenn vorgelegte letztwillige Verfügungen der Auslegung bedürfen und dabei Zweifel an der Erbenstellung der zur Eintragung angemeldeten hinzutretenden Gesellschafter verbleiben.

2. Die nach Errichtung des Erbvertrages handschriftlich errichteten Testamente widersprechen der mit dem Erbvertrag verfügten Erbeinsetzung nicht. Die Erblasserin erkennt die Verbindlichkeit des Erbvertrages ausdrücklich an und will das Testament allein der „Erklärung und Klarstellung“ dienen lassen.

3. Es kann deshalb offenbleiben, ob sich die eigenhändigen Testamente zum Nachweis einer Erbenstellung im Registerverfahren eignen. Verbreitet ist die Ansicht, der Nachweis müsse jedenfalls den Anforderungen des § 35 Absatz 1 Satz 2 GBO genügen (vgl. Krafka, RegR, 11. Aufl. 2019, Rdnr. 128). Ein eigenhändiges Testament würde dem, auch nachdem es eröffnet ist, nicht gerecht. Aber es genügt, wenn öffentliche und eigenhändige Verfügungen nebeneinander bestehen und die Erbfolge auf der öffentlich errichteten Verfügung beruht oder von ihr wiederholt und von dem privatschriftlichen Testament nicht beeinträchtigt wird. (Leitsätze der Redaktion)

OLG Brandenburg, Beschluss vom 03.03.2020 - 7 W 57/19, BeckRS 2020, 4925

Anmerkung von 
JR Dr. Wolfgang Litzenburger, Notar in Mainz
 
Aus beck-fachdienst Erbrecht 04/2020 vom 24.04.2020

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Sachverhalt

Die persönlich haftende Gesellschafterin hat, zugleich als Bevollmächtigte aller Kommanditisten, zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet, eine Kommanditistin sei durch Tod aus der Gesellschaft ausgeschieden und ihre Einlage sei „im Wege der Gesamtrechtsnachfolge (Sondererbfolge) übergegangen auf ihre Erben“. Die Gesellschaft und die Beschwerdeführerin haben dem Amtsgericht die Niederschrift der Eröffnungsverhandlung des Nachlassgerichts und die eröffneten Verfügungen von Todes wegen der Kommanditistin vorgelegt, nämlich ein gemeinschaftliches notarielles Testament, ein notarielles Testament, einen Erbvertrag und ein zweimal ergänztes eigenhändiges Testament.

Das Amtsgericht hat darauf hingewiesen, es könne auf die Vorlage eines Erbscheins nicht verzichten; die Feststellung der Erbfolge obliege nicht ihm und den Anmeldenden aufgegeben, binnen sechs Monaten einen Erbschein vorzulegen.

Die Beschwerdeführerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen diese Verfügungen.

Entscheidung: Die Verfügung des Amtsgerichts wird aufgehoben und dieses angewiesen, über den Eintragungsantrag erneut zu entscheiden

Das Amtsgericht hat im Grundsatz beanstandungsfrei einen Erbschein zum Nachweis der Rechtsnachfolge für erforderlich gehalten, wenn vorgelegte letztwillige Verfügungen der Auslegung bedürfen und dabei Zweifel an der Erbenstellung der zur Eintragung angemeldeten hinzutretenden Gesellschafter verbleiben.

Solche Zweifel sind hier indes nicht berechtigt. Die Erbenstellung der Beschwerdeführerin und ihrer beiden Geschwister wird durch den notariell beurkundeten Erbvertrag vom 10.01.1995 ausreichend nachgewiesen. Die nach Errichtung des Erbvertrages handschriftlich errichteten Testamente vom 28.12.2015, 01.03.2016 und 19.04.2016 widersprechen der mit dem Erbvertrag verfügten Erbeinsetzung nicht. Die Erblasserin erkennt die Verbindlichkeit des Erbvertrages ausdrücklich an und will das Testament vom 28.12.2015 allein der „Erklärung und Klarstellung“ dienen lassen.

Es kann deshalb offenbleiben, ob sich die eigenhändigen Testamente zum Nachweis einer Erbenstellung im Registerverfahren eignen. Verbreitet ist die Ansicht, der Nachweis müsse jedenfalls den Anforderungen des § 35 Abs. 1 S. 2 GBO genügen (vgl. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn-Schaub, § 12 Rdnr. 169; Krafka, RegR, 11. Aufl. 2019, Rdnr. 128). Ein eigenhändiges Testament würde dem, auch nachdem es eröffnet ist, nicht gerecht (BeckOK-GBO/Wilsch, Stand Dez. 2019, § 35 Rdnr. 25, 83). Aber es genügt der Formenstrenge des Grundbuchverfahrens, wenn öffentliche und eigenhändige Verfügungen nebeneinander bestehen und die Erbfolge auf der öffentlich errichteten Verfügung beruht oder von ihr wiederholt und von dem privatschriftlichen Testament nicht beeinträchtigt wird (Kroiß/Horn/Solomon-Imre, NachfolgeR, 2. Aufl. 2019, § 35 GBO Rdnr. 56; BeckOK-GBO/Wilsch, § 35 Rdnr.  122).

Praxishinweis

Diese im Ergebnis zutreffende Entscheidung fordert jedoch wegen des obiter dictum zu einer Klarstellung heraus.

Der Senat hat nämlich eine Streitfrage offengelassen, die in Rechtsprechung und Literatur bisher noch niemand gestellt hat. Es herrscht im Registerverfahrensrecht nämlich Konsens darüber, dass der von § 12 Abs. 1 S. 4 HGB geforderte Nachweis der Erbfolge durch „öffentliche Urkunden“ nur entweder durch einen Erbschein oder durch das Eröffnungsprotokoll (§ 348 Abs. 1 S. 2 FamFG) für eine notariell beurkundete Verfügung von Todes wegen (Testament oder Erbvertrag) geführt werden kann. Mit anderen Worten: eigenhändige Testamente werden in Rechtsprechung und Literatur als Erbfolgenachweise nicht anerkannt (Vgl. OLG München BeckRS 2017, 145830 Rdnr. 3 ff.; OLG Hamm MittRhNotK 1986, 128, 129; OLG Hamburg NJW 1966, 986; MüKoBGB/Grziwotz, 8. Aufl. 2020, BGB § 2353 Rn. 202).

Allerdings hat der BGH in einer Grundsatzentscheidung im Jahr 2016 beschlossen, dass der Erbe sein Erbrecht auch durch Vorlage eines eröffneten eigenhändigen Testaments nachweisen könne, wenn dieses die Erbfolge mit der im Rechtsverkehr erforderlichen Eindeutigkeit belege (BGH NJW 2016, 2409; NJW 2013, 3716). Zwar habe die Bank ein berechtigtes Interesse daran, in den Genuss der Rechtswirkungen der §§ 2366, 2367 BGB zu kommen, doch folge daraus nicht, dass sie einschränkungslos oder auch nur im Regelfall die Vorlegung eines Erbscheins verlangen könne; eine solche Sichtweise würde die Interessen des (wahren) Erben, der im Wege der Universalsukzession (§ 1922 BGB) in die Stellung des Erblassers als Vertragspartner der Bank eingerückt sei, über Gebühr vernachlässigen. Diese höchstrichterliche Rechtsprechung bezieht sich nur auf den allgemeinen Rechtsverkehr, und zwar speziell zum Bankvertrag, und ist nicht auf gerichtliche Registerverfahren übertragbar (OLG München a.a.O.). Der Senat erkennt dabei nämlich die Sonderregelungen in § 35 Abs. 1 S. 1 GBO, § 41 Abs. 1 S. 1 Schiffsregisterordnung, § 86 des Gesetzes über Rechte an Luftfahrzeugen ausdrücklich als solche erwähnt und damit die bislang unumstrittene Auffassung bestrittene, dass in allen Registerverfahren die Vorlage einer eröffneten eigenhändigen Verfügung von Todes wegen nicht als Erbnachweis ausreicht.

Trotz dieses bedenklichen obiter dictum hat der Senat auf dieser Rechtsprechungsgrundlage den Erbfolgenachweis durch das vorgelegte Eröffnungsprotokoll mit Recht als geführt angesehen. In diesem Fall widersprechen die eigenhändigen Testamente den öffentlichen Verfügungen von Todes wegen nämlich nicht, sondern ergänzen diese. Dazu bedurfte es hier nicht der ergänzenden Testamentsauslegung, sondern bereits im Wege der einfachen Wortlautinterpretation (erläuternde Auslegung) ist das Gericht zu diesem Ergebnis gelangt. Die öffentlichen Verfügungen von Todes wegen hätten als Nachweis der Erbenstellung nur dann nicht ausgereicht, wenn bei der Auslegung der letztwilligen Verfügung Zweifel verblieben und eine abschließende Würdigung durch das Registergericht nicht möglich gewesen wäre (KG FGPrax 2018, 213; FGPrax 2007, 91). Damit fügt sich diese Entscheidung des Senats nahtlos in die gefestigte Rechtsprechung ein.

Redaktion beck-aktuell, 29. April 2020.