OLG Naumburg: Erforderlichkeit eines Erbscheines bei Vorliegen eines Testaments im Falle einer Scheidungsklausel

BGB § 2077; GBO § 35

Das Grundbuchamt darf bei einer Scheidungsklausel im Testament vom überlebenden Ehepartner die Vorlage einer Erklärung des zuständigen Familiengerichts verlangen, dass keine Scheidungs- oder Aufhebungsklage zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers anhängig war. (Leitsatz der Redaktion)

OLG Naumburg, Beschluss vom 11.12.2018 - 12 Wx 59/18, BeckRS 2018, 41778

Anmerkung von 
JR Dr. Wolfgang Litzenburger, Notar in Mainz
 
Aus beck-fachdienst Erbrecht 05/2019 vom 27.05.2019

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Sachverhalt

Im Grundbuch sind die Beteiligte zu 1. und ihr 2017 verstorbener Ehemann als Eigentümer zu je ein Halb eingetragen. In einem weiteren Grundbuchblatt ist der Ehemann als alleiniger Eigentümer eingetragen.

Mit gemeinschaftlichem notariellen Testament vom 28.07.2011 setzten sich die Eheleute gegenseitig zu alleinigen Erben ein. Unter Ziffer 8. des Testaments findet sich folgende Verwirkungsklausel:

„Wird unsere Ehe geschieden oder aufgehoben oder hat der Überlebende zum Zeitpunkt des Todes des Erstversterbenden Scheidungs- oder Aufhebungsklage eingereicht, ist diese Verfügung unwirksam.“

Mit notariellem Übertragungsvertrag vom 25.05.2018 übertrug die Beteiligte zu 1. als bisherige Eigentümerin und Erbin die Grundstücke an die Beteiligte zu 2. und zu 3. unter gleichzeitiger Erklärung der Auflassung. Der Notar beantragte die Eigentumsumschreibung gemäß diesem notariellen Vertrag.

Mit Zwischenverfügung gab das Grundbuchamt dem Notar unter Hinweis auf Ziff. 8 des Testaments auf, eine Bestätigung des zuständigen Familiengerichts binnen einer Frist von zwei Monaten vorzulegen, wonach eine Scheidungs- oder Aufhebungsklage zum Zeitpunkt des Todes des Ehemanns nicht anhängig war.

Mit der hiergegen durch den Notar eingelegten Beschwerde macht dieser geltend, für die Umschreibung genüge das notarielle Testament nebst Eröffnungsprotokoll. Das Risiko eines anhängigen Scheidungs- oder Aufhebungsverfahrens könne vernachlässigt werden, anderenfalls werde die Wertung des § 35 GBO unterlaufen.

Das Grundbuchamt half der Beschwerde unter Hinweis auf die Verwirkungsklausel nicht ab.

Entscheidung: Das Grundbuchamt darf bei einer von § 2077 Abs. 1 BGB abweichenden Scheidungsklausel im Testament die Vorlage einer Erklärung des zuständigen Familiengerichts verlangen, dass keine Scheidungs- oder Aufhebungsklage zum Zeitpunkt des Todes des Ehemanns anhängig war.

Das Grundbuchamt hat § 35 GBO, der zum Nachweis der Erbfolge „grundsätzlich“ die Vorlage eines Erbscheins voraussetzt, rechtsfehlerfrei angewandt. Sofern die Erbfolge auf einer Verfügung von Todes wegen beruht, die in einer öffentlichen Urkunde enthalten ist, genügt „in aller Regel“ die Vorlage der Verfügung und der Niederschrift über deren Eröffnung (§ 35 Abs. 1 S. 2 HS 1 GBO). Der Nachweis reicht aber nicht aus, wenn sich bei Prüfung der Verfügung hinsichtlich des behaupteten Erbrechts Zweifel ergeben, wobei entfernte Vermutungen außer Betracht zu bleiben haben (OLG München BeckRS 2016, 7221, Rn. 9).

Grundsätzlich hat danach das Grundbuchamt eine vorgelegte letztwillige Verfügung in Form einer öffentlichen Urkunde selbst inhaltlich dahin zu überprüfen. Dies gilt auch für die Auslegung des Testaments vom 28.07.2011 und der in Ziff. 8 enthaltenen Verwirkungsklausel. Danach hängt das Erbrecht der Beteiligten zu 1. davon ab, dass sie vor dem Tod ihres Ehemannes keinen Scheidungs- oder Eheaufhebungsantrag gestellt hat. Es besteht die Möglichkeit, dass sie nur Pflichtteilsberechtigte geworden ist und Dritte, beispielsweise die gemeinsamen Kinder, zu Erben berufen sind. Dementsprechend besteht eine Lücke im urkundlichen Nachweis der Erfolge. Die Tatsache der fehlenden Antragstellung muss durch eine öffentliche Urkunde nachgewiesen werden, da sie Wirksamkeitsvoraussetzung für die beantragte Grundbuchberichtigung ist und es keinen allgemeinen Erfahrungssatz gibt, wonach Ehegatten einen Scheidungs- oder Eheaufhebungsantrag nicht einreichen (OLG Hamm BeckRS 2011, 7314).

In diesen Fällen hat das Grundbuchamt grundsätzlich einen Erbschein zu verlangen, kann aber auch nach § 35 Abs. 1 2. Halbsatz GBO eine dahingehende eidesstattliche Versicherung der Erbin in der Form des § 29 GBO oder für den Nachweis ausreichende Erklärungen der Beteiligten genügen lassen, wenn es damit den Nachweis der Erbfolge als erbracht ansieht (BGH BeckRS 2016, 17767 Rn. 8).

Weil das gemeinschaftliche Testament unter Ziff. 8 die verfahrensgegenständliche Verwirkungsklausel enthält, kommt es nicht darauf an, ob trotz der gesetzlichen Auslegungsregel des § 2077 Abs. 1 BGB ohne Vorliegen von konkreten Anhaltspunkten kein Erbschein verlangt werden kann, weil dann nur die abstrakte Möglichkeit vorliegt, dass das Ehegattentestament unwirksam ist (KG BeckRS 2012, 25094 Rn. 10).

Der Senat verneint daher mit der Entscheidung des OLG München (BeckRS 2016, 7221 Rn. 15), dass lediglich das eröffnete Testament zum Nachweis der Erbfolge gemäß § 35 Abs. 1 GBO dann ausreiche, wenn im Testament Klauseln verwendet wurden, die nicht von der gesetzlichen Auslegungsregel erweiternd abweichen. Hier haben die Ehegatten eine über § 2077 Abs 1 S. 2 BGB deutlich hinausgehende Regelung getroffen, nämlich auch die Unwirksamkeit des Testaments im Falle des Scheidungsantrages durch den Überlebenden bestimmt, und zwar unabhängig davon, ob die Voraussetzungen der Ehescheidung vorliegen. Die Ehegatten haben damit die Voraussetzungen, unter denen das Testament - automatisch und ohne Auslegungsspielraum - seine Wirkung verliert, im Verhältnis zur gesetzlichen Vermutung ausgeweitet, indem nicht mehr erforderlich ist, dass zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers die Scheidungsvoraussetzungen gegeben waren und auch ein Scheidungs- bzw. Eheaufhebungsantrag des Überlebenden für die Unwirksamkeit des Testaments ausreichend ist.

Dass aufgrund dieser Regelung unter Ziff. 8 das Testament unwirksam sein kann, ist entgegen der Ansicht der Beteiligten kein vernachlässigbares, theoretisches Risiko. Vielmehr müsste auch das Nachlassgericht im Falle der Beantragung eines Erbscheins, sich mit der Möglichkeit auseinandersetzen und entsprechende Ermittlungen anstellen, insbesondere Erklärungen des überlebenden Ehegatten einholen können und müssen. Dies liegt schon angesichts „senatsbekannter hoher Scheidungsraten in Deutschland“ auf der Hand. Die dem Grundbuchamt zur Verfügung stehenden Urkunden und Akten geben jedenfalls keine Anhaltspunkte dafür, dass keiner der Ehegatten einmal die Scheidung beantragt hatte.

Das Grundbuchamt hat auch zu Recht die Vorlage einer entsprechenden Bescheinigung durch das zuständige Familiengericht verlangt. Für die Art der Nachweisführung hat das Grundbuchamt allerdings einen gewissen Beurteilungsspielraum und ist nicht auf die eigene eidesstattliche Versicherung der Ehegattin beschränkt, zumal der Beweiswert der eidesstattlichen Versicherung hier aufgrund des bestehenden Eigeninteresses der Beteiligten zu 1. eingeschränkt sein kann. „Bezeugende“ Urkunden, also Sachverhaltsdarstellungen, können zum Nachweis über die Grundbuchunrichtigkeit herangezogen werden, wenn die Darlegung der in ihr bezeugten Umstände in der amtlichen Zuständigkeit des Erklärenden liegen. Eine entsprechende Bescheinigung des zuständigen Familiengerichts entspricht diesen Voraussetzungen grundsätzlich.

Praxishinweis

Diese Entscheidung befasst sich mit der praktisch wichtigen Frage, ob, wann und wie Witwen bzw. Witwer im Grundbuchberichtigungsverfahren ihr Erbrecht aufgrund einer letztwilligen Verfügung nachweisen müssen, wenn diese eine Regelung für den Fall enthält, dass die Scheidung- oder Auflösung der Ehe beantragt worden ist (Scheidungsklausel). Das KG (a.a.O.) hatte dazu zuvor bereits entschieden, dass kein weiterer Nachweis im Rahmen des § 35 Abs. 2 GBO gefordert werden darf, wenn sich die Scheidungsklausel an die Voraussetzungen des § 2077 Abs. 1 BGB „anlehnt“. Das OLG Naumburg und das OLG München (a.a.O.) verlangen auf dieser Grundlage bei einer Scheidungsklausel, die von § 2077 Abs. 1 BGB inhaltlich abweicht, insbesondere den Antrag eines der beiden Ehegatten ausreichen lässt, einen Nachweis darüber, dass ein Scheidungsantrag nicht gestellt worden ist. Dem OLG München reicht dazu eine entsprechende Versicherung des überlebenden Ehepartners, während das OLG Naumburg die Forderung des Grundbuchamts nach Vorlage eines Negativattests „des zuständigen Familiengerichts“ jedenfalls im Grundsatz billigt, ohne sich jedoch bei den Details dieser „Lösung“ festzulegen. Mit dieser Differenzierung zwischen einer ausdrücklich in der Verfügung getroffenen Scheidungsfolgenregelung und der Geltung der Vermutungsregel des § 2077 BGB begegnen die Gerichte dem Einwand der Literatur, dass damit die Anwendbarkeit dieser Nachweiserleichterung im Grundbuchverfahren praktisch gegen Null tendiere (vgl. DNotI-Report 2006, 181, 182 f.; Lange ZEV 2009, 371, 373).

1. Zulässigkeit der Differenzierung nach dem Inhalt der Scheidungsfolgenregelung

Damit drängt sich die Frage auf, ob diese Differenzierung sachlich gerechtfertigt ist. Schließlich ist das Grundbuchamt wie jede andere Behörde auch zur pflichtgemäßen Ermessensausübung verpflichtet. Dazu gehört aber auch, dass vergleichbare Sachverhalte nicht ohne sachliche Rechtfertigung ungleich behandelt werden dürfen; andernfalls handelte das Grundbuchamt willkürlich. Auffallenderweise hat keines der Obergerichte auch nur ansatzweise eine Begründung für diese Differenzierung geliefert.

Deshalb lohnt sich ein genauerer Blick auf die verschiedenen Auslegungsregeln des § 2077 BGB. Der Fall der geschiedenen Ehe (§ 2077 Abs. 1 S. 1 BGB) wird wohl selten Probleme aufwerfen, weil sich diese Tatsache in der Regel aus der vorzulegenden Sterbeurkunde ergeben wird. Problematisch wird nur der Fall sein, dass der Erbfall nach Stellung des Scheidungsantrags, aber vor einem Scheidungsurteil eingetreten ist (§ 2077 Abs. 1 S. 2 BGB); Entsprechendes gilt für den in § 2077 Abs. 1 S. 3 BGB geregelten Fall der Eheauflösung. In den zuletzt genannten Fällen tritt die Unwirksamkeit nur ein, wenn gerade der Erblasser den Antrag gestellt hatte. Bei den in der Praxis – so auch hier – üblichen Scheidungsklauseln wird dagegen auf diese Einschränkung verzichtet, so dass auch der Scheidungs- bzw. Auflösungsantrag des überlebenden Ehepartners zur Unwirksamkeit der Einsetzung als Allein- oder Miterbe führt. Bei der Feststellung der Nichtantragstellung (durch einen Ehegatten) handelt es sich um eine negative Tatsache, die weder im Grundbuch- noch im Erbscheinsverfahren mit den dort zu Gebote stehenden Mitteln beweisbar ist. Ob ein Negativattest des zuständigen Familiengerichts als Nachweisgrundlage geeignet ist, wird nachstehend unter Ziffer 3 erörtert. In aller Regel begnügt sich die Rechtsprechung insoweit zu Recht mit einer eidesstattlichen Versicherung. In diesem speziellen Fall kann diese jedoch allein vom überlebenden Ehepartner abgegeben werden, weil nur er am Scheidungs- bzw. Aufhebungsverfahren beteiligt ist bzw. über die notwendigen Sachverhaltskenntnisse zur Ermittlung des zuständigen Familiengerichts gemäß § 122 FamFG verfügt. Der Einwand des OLG Naumburg, dass der überlebende Ehepartner parteiisch ist, ist zwar zutreffend, doch ändert dies nichts daran, dass außer ihm kein anderer diese Versicherung abgeben könnte. In dieser Hinsicht ist es völlig belanglos, ob die Unwirksamkeit durch einen Antrag des Erblassers oder durch einen Antrag des überlebenden Ehepartners ausgelöst wird. Dieser Unterschied rechtfertigt also die ungleiche Behandlung der beiden Fallgestaltungen im Rahmen des Erbfolgenachweises gemäß § 35 Abs. 2 GBO nicht. Auf die weitere Voraussetzung des § 2077 Abs. 1 S. 2 und 3 BGB, wonach die Scheidungs- bzw. Auflösungsvoraussetzungen gegeben sein müssen, insbesondere das Trennungsjahres abgelaufen sein muss, kann es im Rahmen der Prüfungspflicht des Grundbuchamts gemäß § 35 Abs. 2 GBO aber schon deshalb nicht ankommen, weil dann, wenn das Grundbuchamt von einem Scheidungsantrag Kenntnis hat, es ohnehin einen Erbschein bzw. ein Nachlasszeugnis gemäß § 35 Abs. 1 GBO verlangen muss. Die dazu notwendigen positiven Feststellungen, vor allem zur Dauer des Getrenntlebens, erfordern eine Beweiserhebung, die nur dem Nachlassgericht möglich ist, so dass das Grundbuchamt in diesen Fällen, gemäß § 35 Abs. 1 GBO auf Vorlage eines Erbscheins bzw. eines Nachlasszeugnisses bestehen kann und muss (Vgl. BGH BeckRS 2016, 17767 Rn. 23). Man mag mit dem OLG Naumburg darüber streiten, ob die im konkreten Fall verwendete Scheidungsklausel, die auf den Antrag eines der beiden Ehegatten abstellt, nun eine Verschärfung oder eine Erleichterung gegenüber § 2077 Abs. 1 S. 2 und 3 BGB darstellt, doch hat dies mit der allein entscheidenden Funktion des § 35 Abs. 2 GBO im Verfahrensrecht nicht das Mindeste zu tun. Die eingeschränkte Beweisbarkeit der Nichtantragstellung ist in beiden Varianten identisch, und zwar sowohl im Erbscheins- als auch im Grundbuchverfahren, so dass es nicht zulässig ist, die eine Unwirksamkeitsbedingung verfahrensrechtlich anders zu behandeln als die andere.

Die von den drei Obergerichten befürwortete Differenzierung zwischen Scheidungsklauseln, die sich an § 2077 Abs. 1 BGB anlehnen, und solchen, die auch den Scheidungs- bzw. Auflösungsantrag des überlebenden Ehepartners ausreichen lassen, ist deshalb ebenso wenig sachlich gerechtfertigt wie der Verzicht auf jeden Nachweis bei einer unmittelbaren Geltung der gesetzlichen Auslegungsregeln des § 2077 BGB. Eine sachlich nicht gerechtfertigte Gesetzesanwendung ist jedoch mit dem als Willkürverbot begriffenen Art. 3 Abs. 1 GG nicht zu vereinbaren und deshalb unzulässig. Deshalb kommt es entgegen der Auffassung aller 3 Obergerichte nicht darauf an, ob eine Scheidungsklausel in der Verfügung von Todes wegen völlig fehlt oder inhaltlich von § 2077 BGB abweicht. In allen Fällen müssen im Rahmen des § 35 Abs. 2 GBO die gleichen Auslegungsgrundsätze herangezogen werden.

Damit bleiben faktisch nur ganz seltene Anwendungsfälle für § 35 Abs. 2 GBO übrig. Weil selbst gleichgeschlechtliche Ehen mittlerweile erlaubt sind, große Altersunterschiede der Ehepartner alles andere als selten sind und die Ehegatten verschiedene Nachnamen führen können, sind weder unterschiedliche Nachnamen, noch Geschlecht, noch Alter Indizien dafür, dass der Erbe und der Erblasser nicht miteinander verheiratet waren. Nur bei Erbeinsetzungen von minderjährigen – und damit eheunmündigen – natürlichen oder juristischen Personen könnte das Grundbuchamt noch sicher sein, dass ein Antrag auf Scheidung oder Auflösung einer möglichen Ehe mit dem Erblasser keine Unwirksamkeit der erbrechtlichen Zuwendung zur Folge hat. Übrigens selbst dann, wenn nur eine einzige volljährige Person als Miterbe eingesetzt ist, scheitert nach dieser Rechtsprechung auch der Erbnachweis aller anderen Miterben gemäß § 35 Abs. 2 GBO durch Vorlage des öffentlichen Testaments nebst Eröffnungsprotokoll. Die Entscheidung des OLG Naumburg führt im Ergebnis also dazu, dass fast ausnahmslos entweder entsprechende eidesstattliche Versicherungen oder Erbnachweise gemäß § 35 Abs. 1 GBO vorgelegt werden müssen.

Folglich haben die Kritiker dieser Auffassung Recht, wenn sie ihr vorhalten, dass mit dieser Auslegung die vom Gesetzgeber erst kürzlich nach Einführung des Europäischen Nachlasszeugnisses geänderte Norm praktisch leerlaufen würde. Es kann jedoch ausgeschlossen werden, dass der Gesetzgeber eine Norm ohne praktische Anwendungsfälle schaffen wollte. Hinzu kommt, dass nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung im allgemeinen Rechtsverkehr kein Anspruch auf Vorlage eines Erbscheins besteht (BGH BeckRS 2013, 18986, NJW 2005, 2779, ZEV 2005, 170; WM 1961, 479, 481). Damit erscheint ein Grundsatz im Grundbuchverfahrensrecht, wegen der theoretisch immer gegebenen Möglichkeit, dass die Scheidung bzw. Auflösung der Ehe vor dem Erbfall beantragt wurde, in allen Erbfällen mit einer Erbeinsetzung von Ehepartnern im Grundbuchverfahren einen Erbschein bzw. ein Nachlasszeugnis zu verlangen, unvereinbar. 

Im Rahmen einer praktischen Konkordanz muss also ein Weg gefunden werden, der dem § 35 Abs. 2 GBO einen sinnvollen Anwendungsbereich belässt.

2. Mindestangaben im Erbscheinsverfahren als Maßstab

In diesem Zusammenhang lohnt ein Blick auf § 352 Abs. 2 BGB, der die Mindestangaben des Antragstellers im Erbscheinsverfahren vorgibt. Wer die Erteilung des Erbscheins auf Grund einer Verfügung von Todes wegen beantragt, hat danach anzugeben, ob und welche sonstigen Verfügungen des Erblassers von Todes wegen vorhanden sind, den Zeitpunkt des Todes des Erblassers, dessen letzten gewöhnlichen Aufenthalt, dessen Staatsangehörigkeit, ob ein Rechtsstreit über sein Erbrecht anhängig ist, die Annahme der Erbschaft und die Größe seines Erbteils.

Der Gesetzgeber verlangt also selbst im Erbscheinsverfahren vom Antragsteller standardmäßig keine Erklärung darüber, dass der Erblasser die Scheidung oder Auflösung der Ehe nicht beantragt hatte, geschweige denn ein Negativattest des zuständigen Familiengerichts. Da aber -  wie auch das OLG Naumburg annimmt – die Ehescheidung bzw. –auflösung alles andere als seltene gesellschaftliche Erscheinungen sind, erscheint es äußerst unwahrscheinlich, dass der Gesetzgeber diese Frage übersehen hat. Auch eine Erklärung, dass die Erblasser eines gemeinschaftlichen Testaments miteinander verheiratet sind, wird vom Gesetzgeber nicht gefordert, obwohl es immer wieder vorkommt, dass Nichtehegatten insbesondere Geschwister gemäß §§ 2265 ff. BGB gemeinsam testieren (vgl. die Nachweise aus der Rechtsprechung bei Berneith ZEV 2019, 241 Fn. 3). Ein „lückenloser Nachweis“ des Erbrechts ist also auch im Erbscheinsverfahren nicht erforderlich.

Deshalb muss die Frage erlaubt sein, warum das Grundbuchamt im Rahmen des § 35 Abs. 2 GBO mehr Angaben bzw. Nachweise verlangen kann als der Antragsteller im Erbscheinsverfahren mindestens erklären bzw. vorlegen muss. Diese vergleichende Betrachtung spricht dafür, dass auch das Grundbuchamt grundsätzlich keine Erklärung oder Nachweise hierüber vom Antragsteller im Grundbuchberichtigungsverfahren fordern darf. Außer Frage steht dabei allerdings, dass sowohl das Nachlassgericht als auch das Grundbuchamt weitere Erklärungen, Versicherungen oder sonstige Nachweise zur Ehescheidung oder –auflösung verlangen dürfen und müssen, wenn „konkrete Zweifel“ an der Wirksamkeit der Verfügung von Todes wegen im Einzelfall erkennbar sind. Die generelle Möglichkeit, dass die Scheidung bzw. Auflösung der Ehe beantragt worden sein kann, reicht dafür allerdings unter keinen Umständen aus.

Als Ergebnis ist festzuhalten, dass das Grundbuchamt im Rahmen der Nachweisprüfung gemäß § 35 Abs. 2 GBO keine über die Pflichtangaben des Antragstellers im Erbscheinsverfahren hinausgehenden Erklärungen oder Bestätigungen Dritter verlangen kann. Erst bei konkreten Zweifeln an der Wirksamkeit der vorgelegten Verfügung von Todes wegen kann das Grundbuchamt derartige Nachweise verlangen. Zu weitergehenden Ermittlungen ist das Grundbuchamt jedoch nicht verpflichtet und kann erforderlichenfalls gemäß § 35 Abs. 1 GBO einen Erbschein oder ein Nachlasszeugnis verlangen. Konkrete Hinweise dafür, dass die Scheidung oder Auflösung der Ehe zwischen den Ehegatten vor dem Erbfall beantragt worden war, fehlten im vorliegenden Fall allerdings völlig, so dass lediglich die abstrakte Gefahr der Unwirksamkeit besteht.

Mit diesem Verständnis erübrigen sich auch die unergiebigen Diskussionen über die kleinere oder größere Wahrscheinlichkeit von Ehescheidungen.

Diese Auslegung hat auch den Vorzug, dass sie den bei Inkrafttreten von BGB und GBO gewollten Anreiz, öffentliche Testamente zu errichten, nicht durch eine zu restriktive Auslegung des § 35 Abs. 2 GBO konterkariert. Der historische Gesetzgeber schreckte nämlich Ende des 19. Jahrhunderts davor zurück, eigenhändige Testamente gänzlich zu verbieten, obwohl deren Defizite bekannt waren. Um einen Anreiz zur Errichtung öffentlicher Testamente zu schaffen, wurde die privilegierende Vorschrift des § 35 abs. 2 GBO eingefügt (Lange/Kuchinke, Erbrecht, 5. Auflage, 2001, § 16 IV 4 a; vgl. Lange, Erbrecht, 2. Auflage, 2017, Rn. 36, 38).

3. Negativattest des zuständigen Familiengerichts als Nachweisgrundlage

Die im vorliegenden Fall vom Grundbuchamt verlangte Bestätigung des für die Scheidung zuständigen Familiengerichts ist zudem keine geeignete Nachweisgrundlage für die Tatsache der Nichtantragstellung, weil § 122 FamFG derart komplexe örtliche Zuständigkeitsregeln enthält, die es dem Gericht unmöglich machen, welches Gericht konkret das Negativattest abgeben soll (vgl. dazu den nicht veröffentlichten Beschluss des LG Berlin vom 30. 3. 2009, Az. 106 T 178/08, zitiert bei Lange ZEV 2009, 371 Fn. 2 und 3). Weder das Nachlassgericht noch das Grundbuchamt sind ohne Sachverhaltsermittlungen in der Lage festzustellen, bei welchem Gericht der Antrag zu stellen gewesen wäre. Auch das Melderegister ist in dieser Hinsicht nur eingeschränkt aussagekräftig. Selbst das für die Erbscheinserteilung zuständige Nachlassgericht muss sich deshalb letzten Endes immer mit der Erklärung des überlebenden Ehepartners zufriedengeben, dass die Scheidung der Ehe mit dem Erblasser nicht beantragt worden ist.

Noch schwieriger gestaltet sich der entsprechende Nachweis übrigens bezüglich der Nichtauflösung eines Verlöbnisses mit dem Erblasser gemäß § 2077 Abs. 2 BGB. In diesem Fall muss sich jedes Gericht mit der verbalen Behauptung des eingesetzten Erben zufriedengeben, dass ein Verlöbnis vor dem Erbfall nicht aufgelöst worden sei; einen Beweis hierfür wird es nur in außergewöhnlichen Fallgestaltungen geben.

Hinzukommt, dass es an einer Rechtsgrundlage für einen Antrag auf Ausstellung eines derartigen Negativattests fehlt. Deshalb hätte bereits allein deshalb die Zwischenverfügung des Grundbuchamtes wegen der Wahl eines unzulässigen Mittels zur Behebung des angeblichen Eintragungshindernisses vom OLG Naumburg aufgehoben werden müssen. Der Senat hat nämlich übersehen, dass eine Zwischenverfügung nach allgemeiner Auffassung nur unter der Bedingung zulässig ist, dass das vom Grundbuchamt konkret angegebene Mittel zur Behebung des Eintragungshindernisses auch geeignet ist, das Hindernis endgültig zu beseitigen. Der Antragsteller darf nicht der Ungewissheit ausgesetzt werden, ob sein Antrag nach Vorlage der Bescheinigung Erfolg hat oder nicht. Deshalb durfte der Senat die Frage der Eignung der Bescheinigung des Familiengerichts nicht einer späteren Prüfung durch das Grundbuchamt vorbehalten, sondern hätte selbst entscheiden müssen, ob diese Bescheinigung hinreichend bestimmt und geeignet ist, das Hindernis endgültig zu beseitigen.

4. Scheidungsklauseln als sachgerechtes Gestaltungsmittel

Abschließend sei davor gewarnt, wegen der besprochenen Entscheidungen auf ausdrückliche Scheidungsklauseln in letztwilligen Verfügungen generell zu verzichten, um die Erbscheinskosten im Grundbuchverfahren zu vermeiden. Es gibt nämlich überzeugende sachliche Gründe dafür, die Auslegungsregel des § 2077 BGB zu korrigieren. Nach dieser kommt es nämlich darauf an, wer von beiden Ehepartnern den Antrag gestellt hat. Nur wenn ausgerechnet der Erblasser die Scheidung beantragt hat, führt dies bei Vorliegen der Scheidungsvoraussetzungen zur Unwirksamkeit der Zuwendungen an den überlebenden Ehepartner. Hat dagegen dieser – und nicht der Erblasser – den Antrag gestellt, ändert dies an der Erbfolge usw. nichts. Dogmatisch mag dies überzeugend sein, doch zeigt die Praxis, dass dies selten dem Willen der Beteiligten entspricht. Sobald einer von beiden sich aus der Ehe lösen will, ist im Allgemeinen der Zeitpunkt gekommen, an dem gegenseitige erbrechtliche Zuwendungen unerwünscht sind.

Deshalb ist die Aufnahme einer Scheidungsklausel keinesfalls eine unrichtige Sachverhaltsaufklärung i.S.d. § 17 Abs. 1 BeurkG. Kostenersparnis beim Erbfolgenachweis gegenüber dem Grundbuch ist nämlich nur ein Kriterium bei der Erbfolgegestaltung, aber mitnichten nicht das Einzige!

Redaktion beck-aktuell, 29. Mai 2019.