BGH: Zwangsvollstreckung auf Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses und Anwesenheit des auskunftspflichtigen Erben bei der Erstellung

ZPO § 888 I; BGB §§ 260, 2314

1. Bei der Verpflichtung des Erben gegenüber dem nicht zum Erben berufenen Pflichtteilsberechtigten zur Auskunftserteilung über den Bestand des Nachlasses durch Vorlage eines Verzeichnisses der Nachlassgegenstände gemäß § 2314 Abs. 1 Satz 1 BGB handelt es sich um eine unvertretbare Handlung, die nach § 888 Abs. 1 ZPO zu vollstrecken ist. Dies gilt auch dann, wenn der Erbe zur Vorlage eines durch einen Notar aufgenommenen Verzeichnisses gemäß § 2314 Abs. 1 Satz 3 BGB verurteilt worden ist.

2. Ein schutzwürdiges Interesse an einer wiederholten Zwangsmittelfestsetzung ist nur gegeben, wenn das zuvor angeordnete Zwangsgeld entweder gezahlt oder vollstreckt ist.

3. Die Frage, ob der Auskunftsverpflichtete vor dem mit der Aufnahme des Nachlassverzeichnisses beauftragten Notar persönlich zu erscheinen hat, lässt sich nicht allgemein beantworten. Der Umfang der Verpflichtung des Erben zur Mitwirkung an der Aufnahme des notariellen Nachlassverzeichnisses richtet sich danach, in welchem Umfang diese Mitwirkung für die ordnungsgemäße Aufnahme des Verzeichnisses erforderlich ist. Maßgeblich sind danach jeweils die Umstände des Einzelfalls.

4. Ist der Erbe beim Notar persönlich erschienen und hat er dabei Angaben zum Nachlass gemacht, hat er bei fehlendem weiteren Aufklärungsbedarf seiner Mitwirkungspflicht genügt und ist nicht verpflichtet, in einem für die förmliche Aufnahme des Nachlassverzeichnisses bestimmten Termin, bei dem der Auskunftsberechtigte anwesend ist, erneut zu erscheinen. (amtl. Leitsätze)

BGH, Beschluss vom 13.09.2018 - I ZB 109/17, BeckRS 2018, 28289

Anmerkung von 
JR Dr. Wolfgang Litzenburger, Notar in Mainz
 
Aus beck-fachdienst Erbrecht 11/2018 vom 26.11.2018

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Sachverhalt

Die nichteheliche Tochter (Gläubigerin) des 2014 verstorbenen Erblassers macht gegen dessen Witwe als Vorerbin (Schuldnerin) Pflichtteilsansprüche nach dem Erblasser geltend und erwirkte ein Urteil, mit dem die Witwe verurteilt wurde, der Tochter Auskunft über den Bestand des Nachlasses des Erblassers zu erteilen, und zwar durch Vorlage eines notariellen Bestandsverzeichnisses, bei dessen Aufnahme die Gläubigerin hinzugezogen wird.

Der von der Schuldnerin mit der Erstellung des Verzeichnisses beauftragte Notar beraumte mehrere Termine zur Aufnahme des Nachlassverzeichnisses an, zu denen jeweils beide Parteien geladen wurden. Die Schuldnerin suchte den Notar 2017 gemeinsam mit ihrem Bevollmächtigten auf und legte ihm umfangreiche Unterlagen vor. Sie erschien jedoch weder an dem auf den 23.02.2017 noch an einem anderen vom Notar anberaumten Termin. Der Notar leitete der Gläubigerin und der Schuldnerin den Entwurf eines Nachlassverzeichnisses zu und gewährte ihnen eine Frist zur Stellungnahme von einem Monat bis zum 28.04.2017.

Auf Antrag der Gläubigerin hat das Landgericht zur Erzwingung der Auskunftsverpflichtung ein Zwangsgeld, ersatzweise Zwangshaft festgesetzt. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde der Schuldnerin hat das Beschwerdegericht zurückgewiesen.

Die Gläubigerin hat mit Schriftsatz vom 15.05.2017 erneut die Festsetzung eines Zwangsgelds zur Erzwingung der titulierten Verpflichtung beantragt. Das Landgericht hat gegen die Schuldnerin mit Beschluss vom 25.07.2017 ein weiteres Zwangsgeld, ersatzweise Zwangshaft festgesetzt.

Dagegen hat die Schuldnerin sofortige Beschwerde mit der Begründung eingelegt, der Notar habe vor Erlass des Zwangsgeldbeschlusses am 01.06.2017 ein notarielles Nachlassverzeichnis aufgenommen und der Gläubigerin am 17.06.2017 zugeleitet.

Das Beschwerdegericht hat den Zwangsgeldbeschluss aufgehoben und den Antrag der Gläubigerin auf Festsetzung von Zwangsmitteln zurückgewiesen.

Entscheidung: Von der Schuldnerin vorgelegtes notarielles Nachlassverzeichnis genügt den Anforderungen des § 2314 Abs. 1 Satz 3 BGB

Der Senat bestätigt die Auffassung des Beschwerdegerichts, dass die Schuldnerin den titulierten Anspruch erfüllt hat.

Bei der Verpflichtung des Erben zur Auskunftserteilung über den Bestand des Nachlasses durch Vorlage eines Verzeichnisses der Nachlassgegenstände gemäß § 2314 Abs. 1 Satz 1 BGB handele es sich um eine unvertretbare Handlung, die nach § 888 Abs. 1 ZPO zu vollstrecken sei, und zwar auch dann, wenn der Erbe zur Vorlage eines durch einen Notar aufgenommenen Verzeichnisses gemäß § 2314 Abs. 1 Satz 3 BGB verurteilt worden sei. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung sei der Erfüllungseinwand des Schuldners dabei zu beachten (BGH NJW-RR 2013, 1336 Rn. 9).

Das von der Schuldnerin vorgelegte notarielle Nachlassverzeichnis genüge – so der Senat - den Anforderungen des § 2314 Abs. 1 Satz 3 BGB, obwohl sie bei dessen Aufnahme am 01.06.2017 und bei dem von dem mit der Aufnahme beauftragten Notar anberaumten früheren Terminen nicht persönlich anwesend gewesen sei.

Zwar sei die Frage, ob die persönliche Anwesenheit des Auskunftsverpflichteten bei der Aufnahme eines notariellen Nachlassverzeichnisses erforderlich sei, in Rechtsprechung und Literatur umstritten (dafür OLG Koblenz ZEV 2007, 493; BOGKBGB/Blum, Stand: 15. September 2017, § 2314 Rn. 30.1; dagegen OLG Zweibrücken BeckRS 2015, 18532 Rn. 12; nur bei Zweifeln an Richtigkeit oder Vollständigkeit der Information Sandkühler RNotZ 2008, 33 f.; G. Müller in Burandt/Rojahn, Erbrecht, 2. Aufl., § 2314 BGB Rn. 38). Doch lasse sich die Frage, ob der Auskunftsverpflichtete vor dem mit der Aufnahme des Nachlassverzeichnisses beauftragten Notar persönlich zu erscheinen habe, nicht allgemein beantworten. Der Umfang der Verpflichtung des Erben zur Mitwirkung an der Aufnahme des notariellen Nachlassverzeichnisses richte sich danach, in welchem Umfang diese Mitwirkung für die ordnungsgemäße Aufnahme des Verzeichnisses erforderlich sei. Maßgeblich seien danach jeweils die Umstände des Einzelfalls.

Zweck des § 2314 BGB sei es, dem Pflichtteilsberechtigten die notwendigen Kenntnisse zur Bemessung des Pflichtteilsanspruchs zu verschaffen. Außerdem solle mit der Bezugnahme auf § 260 BGB sichergestellt werden, dass der gesetzliche Auskunftsanspruch in einer klaren und übersichtlichen Form befriedigt werde (BGH NJW 1961, 602, 603). Der Notar sei in der Ausgestaltung des Verfahrens weitgehend frei. Er müsse zunächst von den Angaben des Auskunftspflichtigen ausgehen, dürfe sich aber hierauf nicht beschränken, namentlich nicht lediglich eine Plausibilitätsprüfung durchführen. Vielmehr müsse er den Nachlassbestand selbst ermitteln und feststellen. Dabei habe er diejenigen Nachforschungen anzustellen, die ein objektiver Dritter in der Lage des Gläubigers für erforderlich halten würde (OLG Saarbrücken BeckRS 2011, 03833; OLG Koblenz NJW 2014, 1972).

Aus dem Wortlaut des § 2314 Abs. 1 BGB ergebe sich zwar keine Verpflichtung des Erben, vor dem mit der Aufnahme des Nachlassverzeichnisses beauftragten Notar persönlich zu erscheinen. Allerdings werde der Notar im Regelfall für die Aufnahme des Nachlassverzeichnisses auf Angaben des Erben angewiesen sein. Hierfür müsse der Notar den Erben grundsätzlich persönlich befragen und ihn dabei auf seine Pflicht zur Erteilung wahrheitsgemäßer und vollständiger Angaben hinweisen. Dies ergebe sich aus dem Sinn und Zweck der in § 2314 Abs. 1 BGB geregelten Auskunftspflicht. Sei der Erbe beim Notar persönlich erschienen und habe er dabei Angaben zum Nachlass gemacht, habe er bei fehlendem weiteren Aufklärungsbedarf seiner Mitwirkungspflicht genügt und sei nicht mehr verpflichtet, in einem für die förmliche Aufnahme des Nachlassverzeichnisses bestimmten Termin erneut zu erscheinen. Bestehe dagegen weiterer Aufklärungsbedarf, könne es erforderlich sein, dass der Auskunftspflichtige erneut persönlich vor dem Notar erscheine.

Nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts habe sich die Schuldnerin am 22.02.2017 zum Notar begeben und dem Notar Informationen gegeben und Unterlagen überreicht, die dieser bei der Aufnahme des Vermögensverzeichnisses verwendet hat. Jedenfalls in einem Fall wie dem Streitfall, bei dem es einen persönlichen Kontakt zwischen dem Auskunftspflichtigen und dem Notar gegeben habe, sei der Erbe nicht verpflichtet, zu dem Termin zur förmlichen Aufnahme des Nachlassverzeichnisses erneut vor dem Notar zu erscheinen, wenn es keinen weiteren Aufklärungsbedarf gebe. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass danach weitere Ermittlungen des Notars bei der depotführenden Bank erforderlich gewesen seien, die die Erstellung des Nachlassverzeichnisses erheblich verzögert hätten. Eine verzögerte oder unvollständige Unterrichtung des mit der Aufnahme des Nachlassverzeichnisses beauftragten Notars könne allenfalls die Festsetzung eines Zwangsgelds gegen den auskunftspflichtigen Erben rechtfertigen. Im Streitfall seien die Ermittlungen des beauftragten Notars im Zeitpunkt der Entscheidung des Landgerichts über den zweiten Zwangsgeldantrag der Gläubigerin vom 15.05.2017 abgeschlossen und das notarielle Nachlassverzeichnis bereits aufgestellt gewesen. Bei einer solchen Sachlage scheide eine Zwangsgeldfestsetzung aus.

Praxishinweis

Anträge auf Erstellung von Nachlassverzeichnissen treiben den Notaren spätestens seit der im Beschluss zitierten Entscheidung des OLG Koblenz (a.a.O.) regelmäßig den Angstschweiß auf die Stirn. Weder diese obergerichtliche Entscheidung noch der Gesetzestext geben verlässliche Richtlinien für eine ordnungsgemäße Erstellung eines solchen Verzeichnisses her. Nicht zuletzt deshalb hat der Senat dankenswerter einige grundlegenden Aussagen zum notariellen Nachlassverzeichnis gemacht, und zwar auch unter Berufung auf die erwähnte Entscheidung des OLG Koblenz.

Danach muss der Notar von den Informationen des Auskunftspflichtigen ausgehen, darf diese jedoch nicht ungeprüft übernehmen, sondern muss den Nachlassbestand selbst ermitteln und feststellen sowie dazu diejenigen Nachforschungen anstellen, die ein objektiver Dritter in der Lage des Gläubigers für erforderlich halten würde. Damit bestätigt der Senat die im Beschluss zitierten Entscheidungen des OLG Koblenz und des OLG Saarbrücken. Allerdings betont der Senat dabei auch, dass der Notar in der Ausgestaltung des Verfahrens weitgehend frei ist. Trotz dieses Hinweises ist den Notaren dringend zu raten, die vom OLG Koblenz aufgeführten und für erforderlich gehaltenen Nachforschungen (OLG Koblenz NJW 2014, 1972, 1973) sorgfältig anzustellen. Keinesfalls ausreichend ist es auch nach dieser höchstrichterlichen Entscheidung, die Angaben des Auskunftspflichtigen unbesehen zu übernehmen. Dies mag dem Notar im Einzelfall zwar nicht unbedingt helfen, doch bringt der Senat damit deutlich zum Ausdruck, dass er im Fall des Falles entsprechende Entscheidungen der Gerichte bestätigen würde. Die notarielle Praxis möge sich deshalb darauf einstellen.

Eingeschaltet hat sich der Senat auch in den Streit, ob und in welchem Umfang der Auskunftspflichtige bei der Erstellung des Nachlassverzeichnisses persönlich vor dem Notar zu erscheinen hat. Zwar deuten die Ausführungen des Senats darauf hin, dass er in diesem Streit keine Stellung beziehen will, doch muss man bei genauem Hinsehen feststellen, dass er es für zwingend erforderlich hält, dass der Auskunftspflichtige mindestens einmal persönlich vor dem Notar erschienen ist, damit dieser die vorgelegten Informationen auch durch Nachfragen auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfen und ihn dabei auf seine Pflicht zur Erteilung wahrheitsgemäßer und vollständiger Angaben hinweisen kann. Mit anderen Worten: Hat der Auskunftspflichtige die Informationen dem Notar persönlich geliefert, muss er später nicht noch einmal erscheinen, andernfalls schon. Jedenfalls diese Verfahrensfrage ist damit schon einmal höchstrichterlich geklärt.

Redaktion beck-aktuell, 30. November 2018.