BGH: Wi­der­ruf eines Schen­kungs­an­ge­bots auf den To­des­fall durch Tes­ta­ment

BGB §§ 130, 131, 328, 331, 516, 518, 2247, 2253

1. Ver­fügt ein Erb­las­ser in einem Tes­ta­ment um­fas­send über sein Ver­mö­gen, so kann dies je­den­falls dann als kon­klu­den­ter Wi­der­ruf einer frü­he­ren ent­ge­gen­ste­hen­den rechts­ge­schäft­li­chen Er­klä­rung an­zu­se­hen sein, wenn der Erb­las­ser sich von die­ser Er­klä­rung auch schon zu Leb­zei­ten je­der­zeit hätte ein­sei­tig lösen kön­nen.

2. Das Be­wusst­sein, in einem Tes­ta­ment die Ver­tei­lung des Ver­mö­gens um­fas­send zu re­geln, schlie­ßt das Be­wusst­sein, dass damit et­wai­ge ent­ge­gen­ste­hen­de frü­he­re Ver­fü­gun­gen wi­der­ru­fen wer­den, mit ein. Ein ge­son­der­tes Er­klä­rungs­be­wusst­sein, das ge­zielt auf den Wi­der­ruf einer be­stimm­ten Wil­lens­er­klä­rung ge­rich­tet ist, ist dar­über hin­aus nicht er­for­der­lich.

3. Eine Wil­lens­er­klä­rung in einem in amt­li­che Ver­wah­rung ge­nom­me­nen Tes­ta­ment ist ge­gen­über jedem als ab­ge­ge­ben an­zu­se­hen, den es an­geht, auch wenn er in dem Tes­ta­ment nicht be­dacht ist. (Leit­sät­ze der Re­dak­ti­on)

BGH, Ur­teil vom 30.01.2018 - X ZR 119/15, BeckRS 2018, 04247

An­mer­kung von 
JR Dr. Wolf­gang Lit­zen­bur­ger, Notar in Mainz
 
Aus beck-fach­dienst Erbrecht 04/2018 vom 24.04.2018

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Sach­ver­halt

Die Klä­ger ver­lan­gen als Erben und Tes­ta­ments­voll­stre­cker der im Fe­bru­ar 2009 ver­stor­be­nen Erb­las­se­rin die Her­aus­ga­be der in einem von der Streit­hel­fe­rin (Bank) des Be­klag­ten ver­wal­te­ten Wert­pa­pier­de­pot der Erb­las­se­rin noch vor­han­de­nen Wert­pa­pie­re und - so­weit über diese vom Be­klag­ten in der Zwi­schen­zeit ver­fügt wor­den ist - Er­stat­tung des Wer­tes. Der Be­klag­te ist der Ehe­mann einer Cou­si­ne der Erb­las­se­rin.

Die Erb­las­se­rin, die bei der Streit­hel­fe­rin des Be­klag­ten ein Wert­pa­pier­de­pot un­ter­hielt, schloss mit die­ser am 13.09.1976 eine schrift­li­che Ver­ein­ba­rung, nach der mit dem Tod der Erb­las­se­rin das Ei­gen­tum an den zu die­sem Zeit­punkt noch im Depot ver­wahr­ten Wert­pa­pie­ren zu­nächst auf die Streit­hel­fe­rin über­ge­hen soll­te. Der Be­klag­te soll­te mit dem Tod der Erb­las­se­rin das Recht er­wer­ben, von der Streit­hel­fe­rin die Über­tra­gung der auf diese über­ge­gan­ge­nen Wert­pa­pie­re auf sich zu for­dern, wobei der Be­klag­te ein von der Streit­hel­fe­rin zu über­mit­teln­des Schen­kungs­an­ge­bot der Erb­las­se­rin mit dem Emp­fang der Nach­richt über seine Be­güns­ti­gung still­schwei­gend an­neh­men kön­nen soll­te. Die Erb­las­se­rin be­hielt sich das Recht vor, die Ver­ein­ba­rung ge­gen­über der Streit­hel­fe­rin ein­sei­tig durch schrift­li­che Er­klä­rung auf­he­ben zu kön­nen. Den Erben soll­te die­ses Recht nach dem Tode der Erb­las­se­rin nur bis zur An­nah­me des Schen­kungs­an­ge­bots durch den Be­klag­ten zu­ste­hen. Diese Ver­ein­ba­rung wurde dem Be­klag­ten zu Leb­zei­ten der Erb­las­se­rin ab­spra­che­ge­mäß nicht be­kannt ge­ge­ben.

Mit pri­vat­schrift­li­chem Tes­ta­ment vom 19.04.2007 setz­te die Erb­las­se­rin die Klä­ger zu Erben und Tes­ta­ments­voll­stre­ckern ein. Darin teil­te sie ihr ge­sam­tes bei der Streit­hel­fe­rin des Be­klag­ten an­ge­leg­tes Ka­pi­tal­ver­mö­gen in der Weise auf, dass die eine Hälf­te zu glei­chen Tei­len an na­ment­lich be­nann­te Mit­glie­der der Fa­mi­lie H. und die an­de­re Hälf­te zu glei­chen Tei­len an na­ment­lich be­nann­te Mit­glie­der der Fa­mi­lie W. gehen soll­te.

Der Be­klag­te ist in die­sem Tes­ta­ment weder be­dacht noch er­wähnt.

Nach dem Tod der Erb­las­se­rin be­nach­rich­tig­te die Streit­hel­fe­rin den Be­klag­ten am 27.05.2011 und damit gut zwei Jahre nach der Er­öff­nung des Tes­ta­ments der Erb­las­se­rin te­le­fo­nisch von der Ver­ein­ba­rung vom 13.09.1976 und über­trug im An­schluss hier­an den In­halt des Wert­pa­pier­de­pots auf den Be­klag­ten.

Die Klä­ger wi­der­rie­fen die Ver­fü­gung der Erb­las­se­rin zu­guns­ten des Be­klag­ten am 11.07.2011.

Zwi­schen den Par­tei­en herrscht Streit dar­über, ob der In­halt des Wert­pa­pier­de­pots wirk­sam auf den Be­klag­ten über­ge­gan­gen oder Be­stand­teil des Nach­las­ses ge­blie­ben ist.

Das LG hat den Be­klag­ten mit Schluss­ur­teil zur Her­aus­ga­be der noch vor­han­de­nen Wert­pa­pie­re und zur Er­stat­tung des Wer­tes der von ihm ver­äu­ßer­ten Wert­pa­pie­re i.H.v. 270.630,16 EUR ver­ur­teilt. Die da­ge­gen ge­rich­te­te Be­ru­fung des Be­klag­ten hat das Be­ru­fungs­ge­richt zu­rück­ge­wie­sen. Mit der vom Senat zu­ge­las­se­nen Re­vi­si­on er­strebt der Be­klag­te wei­ter­hin die Ab­wei­sung der Klage. Die Klä­ger tre­ten dem Rechts­mit­tel ent­ge­gen.

Recht­li­che Wer­tung

Die Re­vi­si­on des Be­klag­ten bleibt im Er­geb­nis ohne Er­folg, da nach Auf­fas­sung des Se­nats ein Schen­kungs­ver­trag zwi­schen der Erb­las­se­rin und dem Be­klag­ten nicht zu­stan­de ge­kom­men ist und somit im Ver­hält­nis zu den Klä­gern kein Rechts­grund für das Be­hal­ten­dür­fen der von der Streit­hel­fe­rin dem Be­klag­ten über­tra­ge­nen Ver­mö­gens­ge­gen­stän­de be­steht.

Im De­ckungs­ver­hält­nis liegt ein Ver­trag zu­guns­ten Drit­ter vor, durch den der Be­klag­te als Be­güns­tig­ter ge­gen­über der Streit­hel­fe­rin einen An­spruch auf die Über­tra­gung der mit dem Tod der Erb­las­se­rin zu­nächst in das Ei­gen­tum der Streit­hel­fe­rin über­ge­gan­ge­nen Wert­pa­pie­re in dem in der Ver­ein­ba­rung be­zeich­ne­ten Depot er­hal­ten hat (§§ 328, 331 BGB).

Davon zu un­ter­schei­den ist das Va­lut­aver­hält­nis zwi­schen Erb­las­ser bzw. Erben ei­ner­seits und dem Be­klag­ten an­de­rer­seits. Im Streit­fall ist das Va­lut­aver­hält­nis eine Schen­kung. Nach der Ver­ein­ba­rung vom 13.09.1976 soll­te der Schen­kungs­ver­trag in der Weise zu­stan­de kom­men, dass das „Schen­kungs­an­ge­bot“ der Erb­las­se­rin von der Streit­hel­fe­rin als Botin dem Be­klag­ten über­mit­telt wird und die­ser das An­ge­bot - ggfs. still­schwei­gend mit dem Emp­fang der Nach­richt der Streit­hel­fe­rin - an­nimmt. Nach höchst­rich­ter­li­cher Recht­spre­chung be­stehen keine Be­den­ken gegen diese Kon­struk­ti­on (BGH, NJW 2010, 3232, Rn. 20).

Im Streit­fall – so der Senat wei­ter – sei je­doch ein wirk­sa­mer Schen­kungs­ver­trag zwi­schen der Erb­las­se­rin und dem Be­klag­ten nicht zu Stan­de ge­kom­men, da zum Zeit­punkt der Be­nach­rich­ti­gung des Be­klag­ten durch die Streit­hel­fe­rin über die zu sei­nen Guns­ten ge­trof­fe­ne Ver­fü­gung ein wirk­sa­mes Schen­kungs­an­ge­bot, das der Be­klag­te hätte an­neh­men kön­nen, nicht mehr vor­ge­le­gen habe.

Ein Schen­kungs­an­ge­bot könne auch durch Tes­ta­ment wi­der­ru­fen wer­den. Im Streit­fall stehe dem auch nicht ent­ge­gen, dass die Ver­ein­ba­rung über die Be­güns­ti­gung des Be­klag­ten vom 13.09.1976 eine schrift­li­che Er­klä­rung ge­gen­über der Streit­hel­fe­rin vor­ge­schrie­ben habe. Diese ver­ein­bar­te Form der Auf­he­bung be­tref­fe nur das De­ckungs­ver­hält­nis zwi­schen der Erb­las­se­rin oder ihren Erben und der Streit­hel­fe­rin.

Nach Auf­fas­sung des Se­nats hat die Erb­las­se­rin ihr auf der Ver­ein­ba­rung mit der Streit­hel­fe­rin vom 13.09.1976 be­ru­hen­des Schen­kungs­an­ge­bot mit ihrem Tes­ta­ment vom 19.04.2007 wi­der­ru­fen.

Die Erb­las­se­rin habe nicht nur ihr beim Tode noch vor­han­de­nes Ver­mö­gen auf­tei­len wol­len. Schlie­ß­lich heiße es in dem Ab­schnitt, der sich auf das Ka­pi­tal­ver­mö­gen bei der Streit­hel­fe­rin be­zieht: „Mein ge­sam­tes Ka­pi­tal­ver­mö­gen bei der … (Kon­ten, Spar­bü­cher und De­pots) teile ich wie folgt auf: …“. Fer­ner deute der Auf­bau des Tes­ta­ments dar­auf hin, dass die Erb­las­se­rin eine um­fas­sen­de Re­ge­lung bzgl. ihres ge­sam­ten Ver­mö­gens tref­fen woll­te. Das Tes­ta­ment sei in drei Ab­schnit­te ge­glie­dert: Ab­schnitt 1 be­tref­fe das Im­mo­bi­li­en­ver­mö­gen, Ab­schnitt 2 das Ka­pi­tal­ver­mö­gen und Ab­schnitt 3 die rest­li­chen Ge­gen­stän­de wie Mo­bi­li­ar, Schmuck und per­sön­li­che Ge­brauchs­ge­gen­stän­de. Bei die­ser Ge­stal­tung wäre zu er­war­ten ge­we­sen, dass die Erb­las­se­rin das Wert­pa­pier­de­pot ge­son­dert er­wähnt hätte, wenn die­ses nicht von der unter Ab­schnitt 2 ge­trof­fe­nen Ver­fü­gung hätte er­fasst wer­den sol­len.

Auch wenn das Ei­gen­tum an den Wert­pa­pie­ren nach der Ver­ein­ba­rung vom 13.09.1976 mit dem Tode der Erb­las­se­rin auf die Streit­hel­fe­rin über­ge­hen und damit im Rechts­sin­ne nicht in den Nach­lass fal­len soll­te, so­lan­ge die Erb­las­se­rin ge­gen­über der Streit­hel­fe­rin nicht die Auf­he­bung der Ver­ein­ba­rung er­klärt habe, sei damit nicht aus­ge­schlos­sen ge­we­sen, dass die Erb­las­se­rin hier­über tes­ta­men­ta­risch ver­fü­ge. Die Ver­ein­ba­rung mit der Streit­hel­fe­rin sei frei wi­der­ruf­lich ge­we­sen.

Zwar habe die Erb­las­se­rin ihr Schen­kungs­an­ge­bot im Tes­ta­ment nicht aus­drück­lich wi­der­ru­fen, doch ent­hal­te die­ses einen still­schwei­gen­den Wi­der­ruf.

Der Senat stellt in­so­weit fest, dass dann, wenn ein Erb­las­ser in einem Tes­ta­ment um­fas­send über sein Ver­mö­gen ver­fü­ge, dies im Zwei­fel je­den­falls dann als kon­klu­den­ter Wi­der­ruf einer frü­he­ren ent­ge­gen­ste­hen­den rechts­ge­schäft­li­chen Er­klä­rung an­zu­se­hen sei, wenn der Erb­las­ser sich von die­ser Er­klä­rung je­der­zeit ein­sei­tig lösen könne.

Die Erb­las­se­rin habe ver­fügt, dass sie ihr „ge­sam­tes Ka­pi­tal­ver­mö­gen“ bei der Streit­hel­fe­rin auf­tei­le, und an­ge­ge­ben, dass es sich dabei um „Kon­ten, Spar­bü­cher und De­pots“ hand­le. Die um­fas­sen­de Re­ge­lung der Ver­tei­lung ihres Ka­pi­tal­ver­mö­gens bei der Streit­hel­fe­rin sowie ihres sons­ti­gen Ver­mö­gens lasse den Wil­len der Erb­las­se­rin er­ken­nen, dass sie ent­ge­gen­ste­hen­de frü­he­re Ver­fü­gun­gen, un­ab­hän­gig davon, ob es sich dabei um tes­ta­men­ta­ri­sche Ver­fü­gun­gen oder Er­klä­run­gen an­de­rer Art han­delt, ins­ge­samt nicht mehr gel­ten las­sen und sich von die­sen lösen woll­te.

Un­er­heb­lich sei, ob der Erb­las­se­rin die Ver­ein­ba­rung mit der Streit­hel­fe­rin im Zeit­punkt der Er­rich­tung ihres Tes­ta­ments be­wusst ge­we­sen war. Dies schlie­ße das not­wen­di­ge Er­klä­rungs­be­wusst­sein nicht aus. Das Be­wusst­sein, in einem Tes­ta­ment die Ver­tei­lung des Ver­mö­gens um­fas­send zu re­geln, schlie­ße das Be­wusst­sein, dass damit et­wai­ge ent­ge­gen­ste­hen­de frü­he­re Er­klä­run­gen, die ge­gen­über dem Be­dach­ten noch nicht bin­dend ge­wor­den sind, wi­der­ru­fen wer­den, re­gel­mä­ßig mit ein. Ein wei­ter­ge­hen­des Er­klä­rungs­be­wusst­sein, das auf den Wi­der­ruf einer be­stimm­ten, mit der tes­ta­men­ta­ri­schen Ver­fü­gung nicht in Ein­klang ste­hen­den Er­klä­rung ge­rich­tet ist - hier auf den Wi­der­ruf des Schen­kungs­an­ge­bots -, sei dar­über hin­aus nicht er­for­der­lich.

Der Wi­der­ruf sei dem Be­klag­ten zu­ge­gan­gen, bevor ihm am 27.05.2011 von der Streit­hel­fe­rin das Schen­kungs­an­ge­bot der Erb­las­se­rin über­mit­telt wor­den sei. Damit sei das Schen­kungs­an­ge­bot der Erb­las­se­rin nach § 130 Abs. 1 S. 2 BGB zu die­sem Zeit­punkt nicht mehr wirk­sam ge­we­sen, so dass der Be­klag­te mit der am 27.05.2011 der Streit­hel­fe­rin ge­gen­über er­klär­ten An­nah­me den Ab­schluss einer Schen­kungs­ver­ein­ba­rung mit der Erb­las­se­rin nicht mehr her­bei­füh­ren konn­te. Der Be­klag­te hat bei sei­ner An­hö­rung im Be­ru­fungs­ver­fah­ren be­kun­det, be­reits im Mai 2009 von dem Tes­ta­ment Kennt­nis er­hal­ten zu haben.

Für das Wirk­sam­wer­den einer emp­fangs­be­dürf­ti­gen Wil­lens­er­klä­rung sei - außer dem Zu­gang beim Er­klä­rungs­geg­ner - er­for­der­lich, aber auch aus­rei­chend, dass die Er­klä­rung mit Wil­len des Er­klä­ren­den in den Ver­kehr ge­langt sei und der Er­klä­ren­de damit rech­nen konn­te, dass sie - auch auf Um­we­gen - den rich­ti­gen Emp­fän­ger er­rei­chen werde (BGH, NJW 1979, 2033). Die Erb­las­se­rin habe das Tes­ta­ment in amt­li­che Ver­wah­rung ge­ge­ben (§ 2248 BGB) und damit eine Ver­wah­rungs­art ge­wählt, die das Auf­fin­den der Ver­fü­gung von Todes wegen und die Un­ter­rich­tung der Be­trof­fe­nen hier­über si­cher­stell­te. Eine in einem der­ar­ti­gen Tes­ta­ment ab­ge­ge­be­ne Er­klä­rung gelte als ge­gen­über jedem ab­ge­ge­ben, den es an­ge­he. Dies be­deu­te, dass Adres­sa­ten einer Wil­lens­er­klä­rung in einem in amt­li­che Ver­wah­rung ge­ge­be­nen Tes­ta­ment nicht nur die­je­ni­gen Per­so­nen sind, die in dem Tes­ta­ment aus­drück­lich er­wähnt wer­den, son­dern auch sol­che, die auf­grund ihrer Be­zie­hung zum Erb­las­ser zum Kreis der mög­li­cher­wei­se Be­trof­fe­nen ge­hö­ren, auch wenn sie in dem Tes­ta­ment nicht be­dacht wor­den sind.

Pra­xis­hin­weis

Diese höchst­rich­ter­li­che Ent­schei­dung hat Be­deu­tung für alle Schen­kun­gen auf den To­des­fall. Dazu zäh­len vor allem die in Deutsch­land so be­lieb­ten Ka­pi­tal­le­bens­ver­si­che­run­gen mit Ein­räu­mung von Be­zugs­rech­ten zu­guns­ten Drit­ter. Auch bei die­sen liegt dem Va­lut­aver­hält­nis i.d.R. eine Schen­kung auf den To­des­fall zu­grun­de. Man­gels no­ta­ri­el­ler Be­ur­kun­dung des Schen­kungs­ver­spre­chens gemäß § 518 Abs. 1 S. 1 BGB hängt die Wirk­sam­keit – wie im ent­schie­de­nen Fall – davon ab, ob die Leis­tung be­wirkt wor­den ist.

Dabei ist zu un­ter­schei­den (vgl. Leit­zen, RNotZ 2009, 129, 136):

  • Bei einem un­wi­der­ruf­li­chen Be­zugs­recht wird die Schen­kung be­reits mit des­sen Ein­räu­mung voll­zo­gen.
  • Bei einer je­der­zeit wi­der­ruf­li­chen Be­güns­ti­gung des Drit­ten durch einen ab­ge­schlos­se­nen, aber nicht be­ur­kun­de­ten Schen­kungs­ver­trag wird der Man­gel der Form erst mit bzw. nach Ein­tritt des Ver­si­che­rungs­falls gemäß § 518 Abs. 2 BGB ge­heilt. Al­ler­dings kann der Be­güns­tig­te auch eine bloße Mit­tei­lung der Be­zugs­rechts­ein­räu­mung still­schwei­gend an­neh­men. Si­che­rer ist selbst­ver­ständ­lich die Mit­un­ter­zeich­nung des Ver­si­che­rungs­ver­trags, die je­doch wegen der Wi­der­ruf­lich­keit in aller Regel nicht prak­ti­ziert wird.
  • Ist zu Leb­zei­ten des Ver­si­che­rungs­neh­mers nicht ein­mal ein for­m­un­wirk­sa­mer Schen­kungs­ver­trag zu­stan­de ge­kom­men, so kann die Schen­kung noch nach Ein­tritt des Ver­si­che­rungs­falls zu­stan­de kom­men, in dem der Ver­si­che­rungs­neh­mer ge­gen­über dem Ver­si­che­rer er­klärt, dem Drit­ten für die To­des­fall­leis­tung ein Be­zugs­recht ein­räu­men zu wol­len. Damit weist er näm­lich den Ver­si­che­rer kon­klu­dent an, dem Drit­ten nach Ein­tritt des Ver­si­che­rungs­fal­les als Bote das Schen­kungs­an­ge­bot des Ver­si­che­rungs­neh­mers zu über­brin­gen, was ent­we­der durch Mit­tei­lung oder Aus­zah­lung der Ver­si­che­rungs­sum­me ge­sche­hen kann.  Vor­her kön­nen nicht nur die Erben (vgl. RGZ 83, 223 „Bo­ni­fa­ti­us-Fall”) son­dern auch der Erb­las­ser das Schen­kungs­an­ge­bot je­der­zeit form­frei wi­der­ru­fen (vgl. BGH, BeckRS 2008, 13179).

Was für die Ka­pi­tal­le­bens­ver­si­che­rung gilt, gilt nach die­ser Ent­schei­dung des BGH auch für alle an­de­ren ver­gleich­ba­ren Schen­kun­gen auf den To­des­fall. In die­ser Hin­sicht macht es also kei­nen Un­ter­schied, ob die Schen­kung auf eine Ver­si­che­rungs­sum­me oder ein Wert­pa­pier­de­pot ge­rich­tet ist. Doch wäh­rend der vom Senat ent­schie­de­ne Sach­ver­halt eher sel­te­ner vor­kommt, ist die Schen­kung auf den To­des­fall einer Ver­si­che­rungs­sum­me unter Vor­be­halt der Wi­der­ruf­lich­keit des Be­zugs­rechts ein mas­sen­haf­tes Phä­no­men. Des­halb kann die prak­ti­sche Be­deu­tung die­ser höchst­rich­ter­li­chen Ent­schei­dung nicht hoch genug ver­an­schlagt wer­den.

Gemäß § 2358 Abs. 1 BGB wird durch die Er­rich­tung eines Tes­ta­ments ein frü­he­res Tes­ta­ment auf­ge­ho­ben, wenn und so­weit das spä­te­re Tes­ta­ment mit dem frü­he­ren in Wi­der­spruch steht. Diese Se­nats­ent­schei­dung stellt klar, dass diese De­ro­ga­ti­ons­wir­kung einem Tes­ta­ment auch im Be­reich der Schen­kun­gen auf den To­des­fall zu­kom­men kann, wenn leb­zei­ti­ges Rechts­ge­schäft und letzt­wil­li­ge Ver­fü­gung ein­an­der wi­der­spre­chen. Al­ler­dings hatte es der Senat im vor­lie­gen­den Fall re­la­tiv leicht, eine der­ar­ti­ge Wi­der­rufs­wir­kung aus dem Tes­ta­ment der Erb­las­se­rin her­aus­zu­le­sen.

Un­gleich schwie­ri­ger wird dies je­doch bei den Tes­ta­men­ten, die sich auf die Ein­set­zung von Erben be­schrän­ken, ohne die auf den To­des­fall ver­schenk­ten Ver­mö­gens­wer­te auch nur zu er­wäh­nen. Vor allem no­ta­ri­ell be­ur­kun­de­te Tes­ta­men­te, ge­mein­schaft­li­che Tes­ta­men­te und Erb­ver­trä­ge sind also be­trof­fen. Un­strei­tig ist die Erbein­set­zung näm­lich eine um­fas­sen­de – und damit in einem tat­säch­li­chen Sinne auch die auf den To­des­fall ver­schenk­ten Ver­mö­gens­wer­te er­fas­sen­de – letzt­wil­li­ge Ver­fü­gung. Ohne jeden An­halts­punkt im Tes­ta­ment ist der Wi­der­rufs­wil­le be­züg­lich der Ka­pi­tal­le­bens­ver­si­che­rung oder dem Bank­gut­ha­ben mit wi­der­ruf­li­chem Be­zugs­recht aber nur äu­ßerst schwie­rig zu er­mit­teln - wenn über­haupt. Al­ler­dings hat der Senat in die­ser Hin­sicht sehr ka­te­go­risch ge­ur­teilt, wenn er fest­stellt, dass ein sein ge­sam­tes Ver­mö­gen um­fas­sen­des Tes­ta­ment „im Zwei­fel je­den­falls“ als kon­klu­den­ter Wi­der­ruf einer frü­he­ren ent­ge­gen­ste­hen­den rechts­ge­schäft­li­chen Er­klä­rung, von der er sich je­der­zeit ein­sei­tig lösen könne, auf­zu­fas­sen sei. Es bleibt ab­zu­war­ten, ob die höchst­rich­ter­li­che Recht­spre­chung an die­sem Grund­satz ohne jede Aus­nah­me fest­hal­ten wird.

Diese Ent­schei­dung pro­vo­ziert des­halb zwar viele Strei­tig­kei­ten über das Be­hal­ten­dür­fen die­ser auf den To­des­fall ver­schenk­ten Ver­mö­gens­wer­te zwi­schen Be­güns­tig­ten und Erben, doch sind die Ent­schei­dun­gen, die die Ge­rich­te dann in gro­ßer Zahl zu fäl­len haben, not­wen­di­ger­wei­se ein­zel­fall­be­zo­gen und damit alles an­de­re als leicht vor­her­seh­bar. Die Pro­zess­ri­si­ken sind dem­ge­mäß für beide Sei­ten sehr hoch.

Für die No­ta­re er­gibt sich aus die­ser höchst­rich­ter­li­chen Ent­schei­dung die Not­wen­dig­keit, nicht nur nach dem Vor­han­den­sein frü­he­rer Ver­fü­gun­gen von Todes wegen zu fra­gen, son­dern auch nach sol­chen rechts­ge­schäft­li­chen Schen­kun­gen auf den To­des­fall. Nur dann hat der Notar seine um­fas­sen­de Pflicht zur Sach­ver­halts­auf­klä­rung gemäß § 17 Abs. 1 Be­urkG or­dent­lich er­füllt. Der fol­gen­de Hin­weis in der Ur­kun­de kann in die­sem Sinne hilf­reich sein:

„Mir/Uns ist be­kannt, dass die vor­ste­hen­den Ver­fü­gun­gen einen Er­werb auf­grund von Le­bens­ver­si­che­run­gen mit fest­ge­leg­ter Be­zugs­be­rech­ti­gung oder sons­ti­ge Ver­trä­ge zu­guns­ten Drit­ter auf den To­des­fall nicht er­fas­sen.“

Mit die­ser For­mu­lie­rung wird au­ßer­dem der Vor­rang von – dem Notar nicht ge­nann­ten – frü­he­ren Schen­kun­gen auf den To­des­fall vor den letzt­wil­li­gen Ver­fü­gun­gen in der Ur­kun­de klar­ge­stellt. Mit einer sol­chen Klau­sel wäre der vor­lie­gen­de Pro­zess an­ders aus­ge­gan­gen.

Redaktion beck-aktuell, 26. April 2018.

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