BAG: Freizeitausgleich zum Abbau des Arbeitszeitkontos und Freistellung in gerichtlichem Vergleich

BGB §§ 133, 157

Eine Freistellung in einem gerichtlichen Vergleich erfüllt den Anspruch des Arbeitnehmers auf Freizeitausgleich zum Abbau des Arbeitszeitkontos nur dann, wenn hinreichend deutlich zum Ausdruck kommt, dass mit der Freistellung auch ein Positivsaldo auf dem Arbeitszeitkonto ausgeglichen werden soll.

BAG, Urteil vom 20.11.2019 - 5 AZR 578/18 (LAG Hamm)

Anmerkung von
RA Prof. Dr. Jobst-Hubertus Bauer, Gleiss Lutz, Stuttgart

Aus beck-fachdienst Arbeitsrecht 49/2019 vom 12.12.2019

Diese Urteilsbesprechung ist Teil des wöchentlich erscheinenden Fachdienstes Arbeitsrecht. Neben weiteren ausführlichen Besprechungen der entscheidenden aktuellen Urteile im Arbeitsrecht beinhaltet er ergänzende Leitsatzübersichten und einen Überblick über die relevanten neu erschienenen Aufsätze. Zudem informiert er Sie in einem Nachrichtenblock über die wichtigen Entwicklungen in Gesetzgebung und Praxis des Arbeitsrechts. Weitere Informationen und eine Schnellbestellmöglichkeit finden Sie unter www.beck-online.de.

Sachverhalt

Die Klägerin war bei der Beklagten beschäftigt. Nachdem die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos gekündigt hatte, schlossen die Parteien im Kündigungsschutzprozess am 15.11.2016 einen gerichtlichen Vergleich. Das Arbeitsverhältnis endete nach Ziff. 1 nicht mit der gesetzlichen Kündigungsfrist zum 31.10.2016. Es wurde vielmehr eine Laufzeit bis zum 31.1.2017 vereinbart, weil die Klägerin ein länger dauerndes Arbeitsverhältnis vorzog. In Ziff. 2 des Vergleichs haben die Parteien die ausstehenden Vergütungsansprüche bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses incl. der entsprechenden Abrechnungen geregelt. Gleichzeitig haben sie aber auch an die Weihnachtsgeldansprüche 2016 gedacht und eine Regelung für etwaige Anspruchsübergänge auf die Bundesagentur für Arbeit getroffen. Ziff. 3 des Vergleichs regelt den Verzicht der Beklagten auf die weitere Arbeitsleistung der Klägerin unter Fortzahlung der vereinbarten Vergütung unter ausdrücklicher Klarstellung, dass die Urlaubsansprüche der Klägerin für 2016 und 2017 mit der Freistellung in natura gewährt werden. Den Zeugnisanspruch der Klägerin wollten die Parteien so weit wie möglich ebenfalls regeln. Deswegen enthält Ziff. 4 sowohl eine Vereinbarung eines Zwischenzeugnisses als auch die eines Arbeitszeugnisses mit jeweils guter Leistungs- und Führungsbeurteilung und einer Dankes-, Bedauerns- und Wunschformel. In Ziff. 5 wird dann der Rechtsstreit erledigt.

Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat die Klägerin die Abgeltung von 67,10 Gutstunden auf ihrem Arbeitszeitkonto mit 1.317,28 EUR brutto nebst Zinsen verlangt. Das ArbG hat der Klage stattgegeben. Das LAG hat dagegen die Klage abgewiesen.

Entscheidung

Die von 5. Senat des BAG zugelassene Revision der Klägerin war erfolgreich und führte zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Die tragenden Urteilsgründe können bisher nur der Pressemitteilung (FD-ArbR 2019, 422383 entnommen werden. Ende das Arbeitsverhältnis und könnten Gutstunden auf dem Arbeitszeitkonto nicht mehr durch Freizeit ausgeglichen werden, seien sie vom Arbeitgeber in Geld abzugelten. Die Freistellung von der Arbeitspflicht in einem gerichtlichen Vergleich sei nur dann geeignet, den Anspruch auf Freizeitausgleich zum Abbau von Gutstunden auf dem Arbeitszeitkonto zu erfüllen, wenn der Arbeitnehmer erkennen könne, dass der Arbeitgeber ihn zur Erfüllung des Anspruchs auf Freizeitausgleich von der Arbeitspflicht freistellen wolle. Daran fehle es vorliegend, weil in dem gerichtlichen Vergleich nicht hinreichend deutlich festgehalten sei, dass die Freistellung auch dem Abbau des Arbeitszeitkontos dienen bzw. mit ihr der Freizeitausgleichsanspruch aus dem Arbeitszeitkonto erfüllt sein solle.

Praxishinweis

Prozessvergleiche sind als Verträge nach §§ 133, 157 BGB so auszulegen, wie die Parteien sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen mussten. Dabei ist zunächst vom Wortlaut auszugehen. Jedoch müssen bei der Ermittlung des wirklichen Willens auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einbezogen werden, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Der 5. Senat hätte deshalb gut daran getan, sich der vom LAG in Rn. 37 (BeckRS 2018, 43421) vorgenommenen Auslegung des Vergleichs anzuschließen: „Aus all dem (Anm.: gemeint ist der Vergleichstext) wird deutlich, dass die Parteien ihre Vertragsbeziehung endgültig regeln wollten, um weiteren Streit zu vermeiden. Deswegen wurden Abrechnungen, Weihnachtsgeld, Arbeitspflicht, Zwischen- und Endzeugnis geregelt. Diesem Interesse der Parteien wird eine widerspruchsfreie Auslegung aber nur dann gerecht, wenn man die Freistellungsvereinbarung auch als eine solche versteht, die durch die Befreiung von der Arbeitspflicht unter Fortzahlung der Vergütung das Arbeitszeitkonto zum Ausgleich bringt. Die gesamte … Regelung macht deutlich, dass die Parteien wohl davon ausgegangen sind, mit dem Vergleich alle notwendigen Regelungen getroffen zu haben, sodass es einer qualifizierten Klausel nicht mehr bedurfte.“ Recht so!

Die Sache zeigt aber, dass Arbeitgeber bei vergleichsweiser Beendigung von Arbeitsverhältnissen eine allgemeine Abgeltungs- bzw. Ausgleichsklausel möglichst nicht vergessen sollten.

Redaktion beck-aktuell, 12. Dezember 2019.

Mehr zum Thema