Anmerkung von
RA Dr. Christian Arnold, LL.M. (Yale), Gleiss Lutz, Stuttgart
Aus beck-fachdienst Arbeitsrecht 47/2018 vom 29.11.2018
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Sachverhalt
Im Ausgangsrechtsstreit klagt Herr Shimizu gegen seinen früheren Arbeitgeber, die Max-Planck-Gesellschaft auf Urlaubsabgeltung. Sein befristeter Arbeitsvertrag endete am 31.12.2013. Mit Schreiben vom 23.10.2013 bat ihn die Max-Planck-Gesellschaft an, seinen Urlaub vor dem Ende des Arbeitsverhältnisses zu nehmen. Sie verpflichtete Herrn Shimizu jedoch nicht, den Urlaub zu einem bestimmten von ihr festgelegten Termin zu nehmen. Herr Shimizu nahm nur am 15.11. und 02.12.2013 jeweils einen Tag Urlaub. Mit Schreiben vom 23.12.2013 verlangte er die Abgeltung von 51 nicht genommenen Urlaubstagen aus 2012 und 2013. Die Klage hatte vor dem ArbG und dem LAG Erfolg. Das BAG legte dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vor, ob § 7 III BUrlG gegen Art. 7 RL 2003/88/EG oder Art. 31 II GRCh verstoße und – bejahendenfalls – welche Folgen sich daraus für ein Arbeitsverhältnis zwischen Privatpersonen ergäben.
Entscheidung: Arbeitgeber muss nicht zwingen, aber informieren
Der EuGH betont zunächst, dass es sich bei dem Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub um einen besonders bedeutsamen Grundsatz des Sozialrechts der Union handele. Art. 7 II RL 2003/88/EG sehe vor, dass der Arbeitnehmer Anspruch auf eine finanzielle Vergütung für nicht genommene Urlaubstage habe. Art. 7 RL 2003/88/EG stehe jedoch nationalen Regelungen, die den Verlust des Urlaubsanspruchs am Ende eines Bezugszeitraums oder eines Übertragungszeitraums vorsehen, nicht entgegen, allerdings unter der Voraussetzung, dass der Arbeitnehmer tatsächlich die Möglichkeit hatte, den ihm mit der Richtlinie verliehenen Anspruch wahrzunehmen. Der Arbeitgeber müsse seinen Arbeitnehmer nicht zwingen, den Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub tatsächlich wahrzunehmen. Er sei aber verpflichtet, konkret und in völliger Transparenz dafür zu sorgen, dass der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage sei, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, indem er ihn – erforderlichenfalls förmlich – auffordere, dies zu tun, und ihm klar und rechtzeitig mitteile, dass der Urlaub, wenn er ihn nicht nehme, am Ende des Bezugszeitraums oder eines zulässigen Übertragungszeitraums verfallen werde. Hierfür trage der Arbeitgeber die Beweislast. Erbringe der Arbeitgeber diesen Beweis, zeige sich, dass der Arbeitnehmer aus freien Stücken und in voller Kenntnis der sich daraus ergebenden Konsequenzen darauf verzichtet habe, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen.
Könne eine nationale Regelung wie § 7 BUrlG nicht im Einklang mit dem Unionsrecht ausgelegt werden, ergebe sich aus Art. 31 II GRCh, dass das mit dem Rechtsstreit zwischen einem Arbeitnehmer und seinem früheren privaten Arbeitgeber befasste nationale Gericht diese nationale Regelung unangewendet zu lassen und dafür Sorge zu tragen habe, dass der Arbeitnehmer weder seine erworbenen Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub noch entsprechend die finanzielle Vergütung für nicht genommenen Urlaub verlieren könne.
Praxishinweis
Die Entscheidung wird das BAG – wie bereits die Vorgängerentscheidungen seit der Schultz-Hoff-Entscheidung (EuGH, NZA 2009, 135) – erneut zu einer Überprüfung des deutschen Urlaubsrechts zwingen. Das muss m.E. aber zu keiner grundlegenden Umgestaltung des § 7 III BUrlG führen. Zwar kann die bisherige Auslegung und Praxis zum Urlaubsverfall am Jahresende nicht unverändert fortgeführt werden. Der EuGH hat jedoch klargestellt, dass der Arbeitgeber keineswegs verpflichtet ist, den Arbeitnehmer zur Urlaubsnahme zu „zwingen“. Vielmehr muss er diesen nur im Sinne einer Obliegenheit klar und transparent darauf hinweisen, dass am Jahresende der Verfall seines Urlaubs droht und diesem tatsächlich die Möglichkeit geben, den Urlaub zu nehmen. Erfüllt der Arbeitgeber diese Voraussetzung, bleibt es wie bisher beim Verfall nach § 7 III BUrlG.