BAG: Kein Anspruch auf 40-Euro-Verzugspauschale bei Verzug des Arbeitgebers mit Entgeltzahlung

BGB § 288 V; ArbGG § 12a

§ 12a I 1 ArbGG schließt als speziellere arbeitsrechtliche Regelung den Anspruch auf Verzugspauschale nach § 288 V BGB aus.

BAG, Urteil vom 25.09.2018 - 8 AZR 26/18 (LAG Düsseldorf)

Anmerkung von
Rechtsanwalt Prof. Dr. Martin Diller, Gleiss Lutz, Stuttgart

Aus beck-fachdienst Arbeitsrecht 41/2018 vom 18.10.2018

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Sachverhalt

Der Kläger, nahm seinen Arbeitgeber auf Zahlung verschiedener tariflicher Besitzstandszulagen in Anspruch. Zusätzlich klagte er für jeden Monat des Verzuges eine Pauschale von 40 EUR nach § 288 V BGB ein.

Das LAG gab der Klage insgesamt einschließlich der Verzugspauschalen statt. Es ließ jedoch hinsichtlich der Verzugspauschalen die Revision zu, weil die Frage noch ungeklärt sei, ob § 288 V BGB im Arbeitsrecht durch § 12a ArbGG verdrängt werde.

Entscheidung

Die Revision des Arbeitgebers hatte Erfolg.

Das BAG entschied, dass zwar § 288 V BGB grundsätzlich auch in Fällen Anwendung finde, in denen sich der Arbeitgeber mit der Zahlung von Arbeitsentgelt im Verzug befinde. Allerdings schließe § 12a I 1 ArbGG als spezielle arbeitsrechtliche Regelung nicht nur einen prozessualen Kostenerstattungsanspruch wegen erstinstanzlich entstandener Verfahrenskosten aus, sondern auch einen entsprechenden materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch und damit auch den Anspruch auf Pauschalen nach § 288 V BGB.

Praxishinweis

Erfreulich schnell hat das BAG eine der aktuell umstrittensten Fragen des Arbeitsrechts geklärt.

Durch das „Gesetz zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr“ vom 22.7.2014 hatte der Gesetzgeber § 288 V BGB neu gefasst und geregelt, dass bei Schuldnerverzug mit Entgeltforderungen dem Gläubiger stets eine Pauschale von 40 EUR zusteht. Die Pauschale nach § 288 V BGB ist eine „Entschädigung“, für die es nicht darauf ankommt, ob ein vermögensmäßig messbarer Aufwand/Schaden überhaupt entstanden ist. Denn es soll auch der Ärger und die aufgewendete Arbeitszeit des Gläubigers kompensiert werden. Die Pauschale hat deshalb pönalen Charakter und wurde zutreffend auch als „Strafschadenersatz“ nach angelsächsischem Vorbild bezeichnet.

Der Einführung des § 288 V BGB hatte die EU-Richtlinie 2011/7/EU vom 16.02.2011 „Zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr“ zugrunde gelegen. Der deutsche Gesetzgeber hat jedoch den Anwendungsbereich von § 288 V BGB weiter gefasst und geregelt, dass die Norm immer gilt, wenn der Schuldner kein Verbraucher (§ 13 BGB) ist. Da der Arbeitgeber, abgesehen von Sonderfällen wie etwa der Anstellung einer privaten Haushaltshilfe, kein Verbraucher ist, war damit der Weg für die Anwendung von § 288 V BGB für Vergütungsansprüche des Arbeitnehmers grundsätzlich frei. § 288 V BGB galt zunächst nur für Verträge, die nach dem 28.07.2014 eingegangen wurden, ab 01.07.2016 galt er jedoch auch für alle vorher begründeten Schuldverhältnisse.

Allerdings setzte recht schnell (beginnend mit dem Beitrag des Autors in NZA 2015, 1095) die Diskussion ein, ob nicht das besondere Kostenregime des Arbeitsrechts einer sinnvollen Anwendung von § 288 V BGB im Arbeitsrecht entgegen stehe. Denn es entsprach langjähriger Rechtsprechung des BAG, dass § 12a ArbGG, der in der ersten Instanz eine wechselseitige Kostenerstattung ausschließt, nicht nur eine prozessuale Norm ist, sondern auch bei außergerichtlichen Auseinandersetzungen greift und materiell-rechtlich die §§ 286 ff. BGB überlagert.

Es ist erfreulich, dass diese Frage nicht nur schnell zum BAG gelangt ist, sondern dass das BAG sie auch sehr zügig entschieden hat. Allerdings bleibt abzuwarten, ob sich die übrigen Senate des BAG der Pilotentscheidung des 8. Senats anschließen werden (was im Interesse der Rechtssicherheit zu hoffen wäre), oder ob es zu abweichender Rechtsprechung anderer Senate und damit letztlich zur Anrufung des Großen Senats kommen wird.

Die Anmerkung beruht auf der Pressemitteilung des Gerichts (FD-ArbR 2018, 410826).

Redaktion beck-aktuell, 23. Oktober 2018.