EuGH: Konfessionszugehörigkeit als Einstellungsvoraussetzung bei kirchlichen Arbeitgebern

EU-GR-Charta Art. 47; RL 2000/78/EG Art. 4 II; AGG §§ 9 I, 15 II

Kirchen können nicht frei entscheiden, für welche Tätigkeiten sie eine Konfessionszugehörigkeit von Bewerbern voraussetzen. Die nationalen Gerichte haben vielmehr im Einzelfall zu prüfen, ob entsprechende Anforderungen notwendig und angesichts des Ethos der Kirche aufgrund der Art der in Rede stehenden beruflichen Tätigkeit oder der Umstände ihrer Ausübung objektiv geboten sind.

EuGH, Urteil vom 17.04.2018 - C-414/16 (BAG), BeckRS 2018, 5386

Anmerkung von
Rechtsanwalt Dr. Steffen Krieger, Gleiss Lutz, Düsseldorf

Aus beck-fachdienst Arbeitsrecht 19/2018 vom 17.05.2018

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Sachverhalt

Im Ausgangsverfahren vor dem BAG streiten die Parteien über einen Anspruch der Klägerin auf Entschädigung nach § 15 II AGG wegen ihrer Nichtberücksichtigung im Bewerbungsverfahren. Die Klägerin ist konfessionslos und hatte sich auf eine Stelle der Beklagten, des Evangelischen Werks für Diakonie und Entwicklung e.V., beworben. Ausgeschrieben war eine Referentenstelle für ein Projekt, das die Erstellung des Parallelberichts zum Internationalen Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Beseitigung jeder Form von rassistischer Diskriminierung zum Gegenstand hatte. Aus der Stellenausschreibung ging die Konfessionszugehörigkeit als Voraussetzung für die Berücksichtigung der Bewerbung hervor. Die Klägerin wurde nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen, obwohl ihre Bewerbung nach einer ersten Sichtung noch im Auswahlverfahren verblieben war. Eingestellt wurde letztlich ein Bewerber mit evangelischer Konfessionszugehörigkeit. Dadurch fühlte sich die Klägerin benachteiligt und klagte vor dem ArbG auf Entschädigung.

Das ArbG gab der Klage dem Grunde nach statt. Das LAG wies die auf die Höhe der zu zahlenden Entschädigung gerichtete Berufung der Klägerin zurück. Hiergegen legte die Klägerin Revision ein. Das BAG legte dem EuGH zur Vorabentscheidung mehrere Fragen zur Auslegung von Art. 4 II RL 2000/78/EG vor.

Entscheidung

Der EuGH entschied, Art. 4 II RL 2000/78/EG sei dahingehend auszulegen, dass die nationalen Gerichte überprüfen können und müssen, ob das Erfordernis der Konfessionszugehörigkeit für das Anstellungsverhältnis bei einer Religionsgemeinschaft wesentlich, rechtmäßig und gerechtfertigt ist. Andernfalls würde die Vorschrift mangels gerichtlicher Überprüfbarkeit ins Leere laufen. Dies sei mit den Anforderungen aus Art. 9 und 10 RL 2000/78/EG sowie mit Art. 47 EU-GR-Charta insoweit unvereinbar, als dass durch diese Vorschriften sichergestellt werden soll, dass die Mitgliedstaaten die Einhaltung der europäischen Vorschriften zur Bekämpfung von Diskriminierung gewährleisten. Bei der in Art. 4 II RL 2000/78/EG genannten „wesentlichen, rechtmäßigen und gerechtfertigten“ beruflichen Anforderung handele es sich um eine Anforderung, die notwendig und angesichts des Ethos der betreffenden Religionsgemeinschaft aufgrund der Art der in Rede stehenden beruflichen Tätigkeit oder der Umstände ihrer Ausübung objektiv geboten sein müsse und keine sachfremden Erwägungen ohne Bezug zu diesem Ethos oder dem Recht dieser Religionsgemeinschaft auf Autonomie enthalten dürfe. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz müsse dabei gewahrt werden. Dazu müssten die nationalen Gerichte eine Interessenabwägung vornehmen zwischen dem Recht auf Autonomie der Kirchen und dem Recht der Arbeitnehmer, nicht wegen der Religionszugehörigkeit diskriminiert zu werden.

Praxishinweis

Das Urteil des EuGH schränkt das durch Art. 4 GG i.V.m. Art. 137 WRV geschützte Selbstbestimmungsrecht der Kirchen ein. Diese können nicht frei entscheiden, für welche Stellen sie die Zugehörigkeit zur entsprechenden Konfession voraussetzen.

Anforderungen kirchlicher Arbeitgeber an die Konfession unterliegen einer Rechtskontrolle durch die nationalen Gerichte. Maßgeblich ist dabei die jeweilige berufliche Tätigkeit, um die es geht, einschließlich der Umstände der Tätigkeitsausübung und die Frage, inwieweit dafür angesichts des Glaubensverständnisses der jeweiligen Religionsgemeinschaft die „richtige“ Konfession Voraussetzung für die Tätigkeit ist. Anforderungen an die Religion eines Beschäftigten sind dabei umso eher gerechtfertigt, je mehr der Kernbereich der Religionsgemeinschaft, d.h. ihr Verkündungsauftrag betroffen ist. Dementsprechend ist zwischen dem sog. verkündungsnahen Bereich und dem sog. verkündungsfernen Bereich zu unterscheiden (Bauer/Krieger, AGG, § 9 Rn. 13 ff. mwN.). Danach ist es zulässig, dass eine Religionsgemeinschaft zur Verkündung ihrer Botschaft lediglich solche Personen beschäftigt, die ihre religiösen Überzeugungen teilen. Nicht gerechtfertigt sind dagegen in der Regel berufliche Anforderungen an die Religion von Personen, die im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit keine Berührung mit der Verkündung der Botschaft der Religionsgemeinschaft haben. Dementsprechend kann bspw. die Einstellung eines Seelsorgers in einem Krankenhaus oder eines Erziehers in einem Kindergarten oder in einer Kinderbetreuungsstätte von der Zugehörigkeit zur „richtigen“ Konfession abhängig gemacht werden.

Redaktion beck-aktuell, 18. Mai 2018.