BAG: «Junges dynamisches Team» ist Indiz für eine Benachteiligung wegen des Alters

AGG §§ 1, 3 I, II, 6 I 2, 7 I, 11, 15 I, II, 22; BGB § 242

Die Formulierung in einer Stellenausschreibung, wo­nach dem/der Bewerber/in eine Tätigkeit in einem professionellen Umfeld „mit einem jungen dynami­schen Team“ geboten wird, bewirkt eine unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters i.S.v. § 3 I AGG und ist deshalb geeignet, die Vermutung i.S.v. § 22 AGG zu begründen, dass ein/e Kläger/in im Auswahl-/Stellenbesetzungsverfahren wegen seines/ihres Alters benachteiligt wurde. (Orientierungssatz des Gerichts)

BAG, Urteil vom 11.08.2016 - 8 AZR 406/14 (LAG Rheinland-Pfalz), BeckRS 2016, 112116

Anmerkung von 
Rechtsanwalt Dr. Steffen Krieger, Gleiss Lutz, Düsseldorf

Aus beck-fachdienst Arbeitsrecht 07/2017 vom 23.02.2017

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Sachverhalt

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger eine Entschädigung und Schadensersatz wegen eines Versto­ßes gegen das AGG zu zahlen. Der 1969 geborene Kläger ist Diplom-Betriebswirt mit dem Schwerpunkt Personalmanagement. Die Beklagte, eine Personalberatung, veröffentlichte im November 2011 eine Stellenanzeige, in wel­cher sie einen „Junior-Consultant“ zur Tätig­keit „in einem jungen dynamischen Team“ suchte. Der Kläger bewarb sich hierauf. Mit E-Mail vom 17.11.2011 erteilte die Be­klagte ihm eine Absage. Mit Schreiben vom 16.01.2012 forderte der Kläger von der Beklagten eine Entschädigung und Schadensersatz nach § 15 I, II AGG. Sowohl in der Stellenanzeige als auch in der Auswahlent­scheidung sei eine Diskriminierung wegen des Alters zu sehen. Das LAG wies die Klage ab.

Entscheidung

Die Revision hatte Erfolg und führte zur Zurückverwei­sung an das LAG. Das BAG entschied abweichend von seiner früheren Rechtsprechung, dass es bei der Bewerber­eigenschaft nach § 6 I 2 AGG nur um den formalen Bewer­berbegriff gehe. Auf die Frage, ob eine Bewerbung „subjektiv ernsthaft“ ist, komme es wegen des entgegenste­henden Wortlauts nicht an. Viel­mehr betreffe diese Frage den Aspekt des durchgreifenden Rechtsmiss­brauchseinwands. Dieser sei gegeben, wenn sich der Be­werber unter Verstoß gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) den formalen Status als Bewerber ausschließlich mit dem Ziel verschafft habe, eine Entschädigung geltend zu machen. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der dazugehörigen Voraussetzungen trage der Arbeitgeber. Liegt kein Rechtsmiss­brauch vor, so müsse geprüft werden, ob eine Diskriminie­rung gegeben ist. Anders als das LAG geht das BAG hierbei davon aus, die angebotene Tätigkeit in „einem jungen dynamischen Team“ stelle eine unmittel­bare Diskriminierung wegen des Alters dar und sei daher als Indiz geeignet, die Vermutung i.S.v. § 22 AGG zu begründen, der Kläger sei im Auswahlverfahren wegen seines Alters benachteiligt worden. Es sei nicht nur die Botschaft enthalten, dass die Mitglieder des Teams jung sind, sondern auch, dass ein Arbeitnehmer gesucht werde, der ebenfalls jung ist. Andernfalls sei die Passage ohne Aussagegehalt und daher überflüssig. Ver­stärkt werde dies durch den Begriff „dynamisch“, der eher jungen Mitarbeitern zuge­schrieben werde. Im Begriff „Junior-Consultant“ könne nach dem BAG eine mittelbare Benachteiligung wegen des Alters liegen. Nach § 22 AGG trete sodann eine Beweis­lastumkehr ein. Der Arbeitgeber müsse dann darle­gen und beweisen, dass andere Gründe entscheidend wa­ren, z.B. das Fehlen einer unverzichtbaren formalen Qualifikation oder Anforderung. Ein anderer möglicher Grund sei der Abschluss des Auswahlverfahrens vor Ein­gang der Bewerbung der klagenden Partei. Eine weitere Möglichkeit liege darin, substantiiert vorzutragen, die Stelle sei unbesetzt geblieben. Nach dem BAG ist es auch zuläs­sig, bei Sichtung der Bewerbungsunterlagen nach einem Verfahren vorzugehen, bei wel­chem auf zulässi­g gestellte Anforde­rungen wie Vorkenntnisse oder eine Note ge­prüft und alle anderen Bewerbungen aussortiert werden. Diese Anfor­de­rung müsse schon in der Stellenanzeige anklin­gen und der Arbeitgeber müsse unter Einbeziehung aller Bewerbungen darlegen, dass er das Verfah­ren konsequent durchge­führt hat. Wenn es dem Arbeitgeber nicht gelingt, zu beweisen, dass keine Benachteiligung vorlag, bestehe die Möglichkeit der Rechtfertigung nach §§ 8, 10 AGG, wobei der Arbeitgeber ebenfalls die Beweislast trage. Während bei der Kausalität im Rahmen des Schadensersatzanspruchs des § 15 I AGG sodann der Bewerber dem BAG zufolge die Beweislast dafür trägt, dass er die Stelle bei benachteiligungsfreier Auswahl erhalten hätte, müsse der Arbeitgeber diese Tatsache beweisen, wenn er sich im Rahmen des Entschädigungsanspruchs (§ 15 II AGG) auf die Höchstgrenze von drei Monatsgehältern beruft.

Praxishinweis

Die vorliegende Entscheidung fügt sich in die aktuelle Linie des BAG ein und bestätigt die am 19.05.2016 (BAG, FD-ArbR 2016, 382760 m. Anm. Krie­ger) vollzogene Rechtsprechungsänderung, nach der die subjektive Ernsthaftigkeit der Bewerbung und die objektive Eignung des Bewerbers keine Voraussetzungen für die Bewerbereigenschaft i.S.d. § 6 I 2 AGG sind. Die Frage, ob die Formulierung „junges dynamisches Team“ in einer Stellenanzeige ein Indiz für eine Diskriminierung älterer Bewerber darstellt, war lange Zeit umstritten (dazu Bauer/Krieger, AGG, § 11, Rn. 6 m.w.N.). Mit der vorliegenden Entscheidung ist sie für die Praxis beantwortet. Dementsprechend sollten diese und ähnliche Formulierungen keinesfalls mehr in Stellenanzeigen verwendet werden.

Redaktion beck-aktuell, 24. Februar 2017.