Rechtsanwalt und Verbraucher streiten um Vergütung
Ein Verbraucher und ein Rechtsanwalt schlossen in Litauen fünf Verträge über Rechtsdienstleistungen. Die Vergütung sollte sich jeweils nach dem Zeitaufwand richten. Da der Verbraucher die Rechnungen des Anwalts nicht vollumfänglich bezahlte, erhob dieser Klage. Der Fall ging bis an das Oberste Gericht. Dieses legte dem EuGH Fragen zur Auslegung der unionsrechtlichen Bestimmungen zum Schutz der Verbraucher vor missbräuchlichen Vertragsklauseln vor. Sie betrafen insbesondere den Umfang des Erfordernisses der klaren und verständlichen Abfassung einer Klausel eines Vertrags über die Erbringung von Rechtsdienstleistungen und die Folgen der Feststellung der Missbräuchlichkeit einer Klausel, mit der die Vergütung dieser Dienstleistungen festgelegt wird.
Transparenz erfordert ausreichende Information über mögliche finanzielle Folgen
Der EuGH führt zunächst aus, dass die Zeithonorar-Klausel den Hauptgegenstand des Vertrages betreffe. Der Vertrag müsse die Funktionsweise des Verfahrens in transparenter Weise
darstellen, damit der Verbraucher in der Lage sei, die sich für
ihn daraus ergebenden wirtschaftlichen Folgen auf der Grundlage genauer und
nachvollziehbarer Kriterien einzuschätzen. Zwar könne vom Anwalt nicht verlangt werden, dass er seinen Mandanten über die
endgültigen finanziellen Folgen der von ihm eingegangenen Verpflichtung
informiere, die von unvorhersehbaren zukünftigen Ereignissen abhängen, auf die er keinen Einfluss habe. Dem Verbraucher müssten aber vor Vertragsabschluss die Informationen erteilt werden, die ihn in die Lage versetzen, seine Entscheidung mit Bedacht und in voller
Kenntnis der finanziellen Folgen des Vertragsabschlusses zu treffen. In diesen Informationen müssten
Angaben enthalten sein, anhand derer der Verbraucher die Gesamtkosten der
Rechtsdienstleistungen der Größenordnung nach einzuschätzen könne, etwa eine
Schätzung der voraussichtlich oder mindestens erforderlichen Stunden oder die
Verpflichtung, in angemessenen Zeitabständen Rechnungen oder regelmäßige
Aufstellungen zu übermitteln, in denen die aufgewandten Arbeitsstunden
ausgewiesen seien.
Bei Missbräuchlichkeit Nichtigkeit auch bei Verlust der Vergütung
Sodann stellt der EuGH fest, dass die streitgegenständliche Klausel nicht bereits deshalb als missbräuchlich anzusehen ist, weil sie dem Transparenzerfordernis nicht entspricht, es sei denn, das innerstaatliche Recht siehe dies ausdrücklich vor. Sofern das nationale Gericht im Wege einer Gesamtwürdigung die Missbräuchlichkeit der Klausel feststellt, sei es verpflichtet, die Klausel für unanwendbar zu erklären, sofern der Verbraucher dem nicht widerspricht. Könne der Vertrag nach Aufhebung der Klausel nicht fortbestehen, sei er im Einklang mit der Richtlinie 93/13 selbst dann für nichtig zu erklären, wenn der Anwalt in der Folge für die von ihm erbrachten Dienstleistungen überhaupt keine Vergütung erhält. Nur falls die Nichtigerklärung der Verträge insgesamt für den Verbraucher besonders nachteilige Folgen hätte, wäre das vorlegende Gericht ausnahmsweise befugt, eine für nichtig erklärte missbräuchliche Klausel durch eine dispositive Vorschrift des innerstaatlichen Rechts zu ersetzen. Mit dem Unionsrecht sei es hingegen nicht vereinbar, dass das nationale Gericht die für nichtig erklärte missbräuchliche Klausel ersetzt, indem es selbst bestimme, welche Vergütung für die betreffenden Dienstleistungen angemessen sei.