Leiharbeitnehmerin machte Differenzvergütung geltend
Die Klägerin war aufgrund eines nach § 14 Abs. 2 TzBfG befristeten Arbeitsverhältnisses bei der Beklagten, die gewerblich Arbeitnehmerüberlassung betreibt, als Leiharbeitnehmerin in Teilzeit beschäftigt. Sie war im Streitzeitraum Januar bis April 2017 hauptsächlich einem Unternehmen des Einzelhandels als Kommissioniererin überlassen und verdiente zuletzt 9,23 Euro brutto/Stunde. Sie behauptete, vergleichbare Stammarbeitnehmer erhielten einen Stundenlohn von 13,64 Euro brutto, und verlangte mit ihrer Klage unter Berufung auf den Gleichstellungsgrundsatz des § 8 Abs. 1 AÜG bzw. § 10 Abs. 4 Satz 1 AÜG a. F. für den Zeitraum Januar bis April 2017 eine Differenzvergütung in Höhe von 1.296 Euro brutto verlangt. Sie meinte, das auf ihr Leiharbeitsverhältnis kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit Anwendung findende Tarifwerk von iGZ und ver.di sei mit Art. 5 Abs. 3 der Leiharbeits-RL und der dort verlangten Achtung des Gesamtschutzes der Leiharbeitnehmer nicht vereinbar.
EuGH: Ausgleich für Ungleichbehandlung im Tarifvertrag erforderlich
Das BAG hatte den Fall dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt. Die Antwort aus Luxemburg kam im vergangenen Dezember: Demnach dürfen Leiharbeiter nur dann schlechter bezahlt werden, wenn diese Ungleichbehandlung im Tarifvertrag ausgeglichen wird. Wenn also ein Tarifvertrag einen niedrigeren Lohn für Leiharbeiter vorsieht, müssen ihnen im Gegenzug andere wesentliche Vorteile gewährt werden – etwa durch zusätzliche Freizeit. Es geht dabei um die Achtung des sogenannten Gesamtschutzes.
BAG: Tarifwerk genügt Anforderungen der Leiharbeitsrichtlinie
Das BAG hat die Revision der Klägerin nun als unbegründet zurückgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt, also auf ein Arbeitsentgelt, wie es vergleichbare Stammarbeitnehmer des Entleihers erhielten. Aufgrund des wegen der beiderseitigen Tarifgebundenheit auf das Leiharbeitsverhältnis Anwendung findenden Tarifwerks von iGZ und ver.di sei die Beklagte nach § 8 Abs. 2 Satz 2 AÜG und § 10 Abs. 4 Satz 1 AÜG a. F. nur verpflichtet gewesen, die tarifliche Vergütung zu zahlen. Laut BAG genügt dieses Tarifwerk, jedenfalls im Zusammenspiel mit den gesetzlichen Schutzvorschriften für Leiharbeitnehmer, den Anforderungen des Art. 5 Abs. 3 Leiharbeitsrichtlinie.
Vorteil durch Fortzahlung von Entgelt in entleihfreien Zeiten
Denn das Tarifwerk von iGZ und ver.di gewährleiste die Fortzahlung der Vergütung in verleihfreien Zeiten. Außerdem habe der deutsche Gesetzgeber mit § 11 Abs. 4 Satz 2 AÜG für den Bereich der Leiharbeit zwingend sichergestellt, dass Verleiher das Wirtschafts- und Betriebsrisiko für verleihfreie Zeiten uneingeschränkt tragen, weil der Anspruch auf Annahmeverzugsvergütung nach § 615 Satz 1 BGB, der an sich abdingbar sei, im Leiharbeitsverhältnis nicht abbedungen werden könne. Auch habe der Gesetzgeber dafür gesorgt, dass die tarifliche Vergütung von Leiharbeitnehmern staatlich festgesetzte Lohnuntergrenzen und den gesetzlichen Mindestlohn nicht unterschreiten dürfe. Zudem sei seit dem 01.04.2017 die Abweichung vom Grundsatz des gleichen Arbeitsentgelts nach § 8 Abs. 4 Satz 1 AÜG zeitlich grundsätzlich auf die ersten neun Monate des Leiharbeitsverhältnisses begrenzt.
Rund 2% aller Beschäftigten betroffen
In Deutschland gibt es nach Angaben der Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände derzeit knapp 800.000 Leiharbeitnehmer. Das sind rund 2% aller Beschäftigten. Für fast die gesamte Branche gelten Tarifverträge, welche der Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (iGZ) und der Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister (BAP) mit den DGB-Gewerkschaften geschlossen haben.