Dublin-III-Fälle: Asylbewerber erhält vorläufig weiter Leistungen

Eine Regelung im AsylbLG sieht einen Leistungsausschluss für Asylbewerber in "Dublin-III-Fällen" vor. Das LSG Niedersachsen-Bremen hat auf einen Eilantrag eines Afghanen entschieden, dass ein Leistungsausschluss aufgrund verfassungs- und europarechtlicher Vorgaben vorläufig nicht zum Tragen kommt.

Nach einer Gesetzesänderung von Ende Oktober 2024 sieht § 1 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 AsylbLG einen Leistungsausschluss für Asylbewerber in "Dublin-III-Fällen" vor, in denen das BAMF den Asylantrag wegen der vorrangigen Zuständigkeit eines anderen EU-Staates ablehnt.

Im konkreten Fall lehnte das Amt den Asylantrag eines Afghanen, der im April 2024 mit einem polnischen Schengen-Visum nach Deutschland eingereist war, als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung des Mannes nach Polen an. Die polnischen Behörden hatten der Rückübernahme zuvor zugestimmt. Zwei geplante Überstellungen scheiterten, das BAMF verlängerte die Überstellungsfrist bis Dezember 2025.

Bis November 2024 erhielt der Mann Leistungen nach dem AsylbLG. Danach wurden ihm die Leistungen gestrichen, er erhielt nur noch Unterkunft und punktuelle Sachleistungen zur Ausreise. Dagegen beantragte er Eilrechtsschutz und argumentierte, der pauschale Leistungsausschluss sei verfassungs- und europarechtlich zweifelhaft. Ihm sei eine freiwillige Ausreise im Dublin-Verfahren faktisch nicht möglich, weshalb der Leistungsausschluss gegen die Menschenwürde verstoße. Der BAMF-Bescheid enthalte keine Feststellung zur tatsächlichen und rechtlichen Ausreisemöglichkeit. Polen nehme aktuell keine Rückführungen mehr an.

Freiwillige Ausreise muss tatsächlich und rechtlich möglich sein

Der Eilantrag hatte Erfolg – dem Mann müssen vorläufig weiter Leistungen gewährt werden, entschied das LSG Niedersachsen-Bremen (Beschluss vom 13.06.2025 - L 8 SO 12/25 B ER). Zwar seien die asylrechtliche Entscheidung und die Abschiebungsanordnung des BAMF bindend. Allerdings müsse nach der in Rechtsprechung wie Literatur noch nicht geklärten Rechtslage die freiwillige Ausreise tatsächlich und rechtlich möglich sein. Diese Möglichkeit müsse im Lichte der Grundrechte und unter Berücksichtigung der tatsächlichen Umstände eigenständig geprüft werden, so das LSG.

Eine freiwillige Ausreise hält das Gericht im Fall des Afghanen für nicht möglich. Sie sei in Dublin-III-Verfahren regelhaft nicht als Überstellungsart vorgesehen, da hier fast ausschließlich eine Abschiebung zum Tragen komme. Wegen der Vorgaben für eine menschenwürdige Mindestsicherung des Lebensunterhalts nach der für Asylbewerber geltenden Aufnahmerichtlinie bestehe zudem ein erhebliches unionsrechtliches Klärungsbedürfnis. Eine spätere Vorlage an den EuGH erscheine nicht ausgeschlossen, so das LSG.

Auch andere Sozialgerichte haben in Eilverfahren Bedenken gegen den Leistungsausschluss geäußert, so etwa das SG Hamburg.

LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 13.06.2025 - L 8 SO 12/25 B ER

Redaktion beck-aktuell, hs, 23. Juni 2025.

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