50 Jahre nach sei­nem Tod: Deutsch­land ehrt Nazi-Jäger Fritz Bauer

Wie kein an­de­rer Ju­rist hat er in der Bun­des­re­pu­blik nach dem Krieg die NS-Ver­bre­chen ver­folgt. Nach sei­nem Tod ge­riet der Ju­rist Fritz Bauer zu­nächst in Ver­ges­sen­heit. Am 01.07.2018 aber kommt sogar der Bun­des­prä­si­dent zum Ge­denk­akt an­läss­lich des 50. To­des­tags von Fritz Bauer in die Frank­fur­ter Pauls­kir­che.

Plötz­li­cher Tod in der Ba­de­wan­ne

In der Nacht zum 01.07.1968 wird Fritz Bauer tot in der Ba­de­wan­ne sei­ner Woh­nung auf­ge­fun­den. Der plötz­li­che Tod des hes­si­schen Ge­ne­ral­staats­an­walts kurz vor sei­nem Ren­ten­al­ter soll­te die Ver­fol­gung der so­ge­nann­ten Eu­tha­na­sie-Morde in der Nazi-Zeit zu­nich­te ma­chen, die Bauer en­er­gisch be­trie­ben hatte. Dem un­er­schro­cke­nen Ju­ris­ten war es fünf Jahre zuvor ge­lun­gen, mit den Frank­fur­ter Ausch­witz-Pro­zes­sen auch in­ter­na­tio­nal ein Zei­chen zu set­zen. Nach jah­re­lan­ger Ver­drän­gung der mil­lio­nen­fa­chen Ver­bre­chen der Na­tio­nal­so­zia­lis­ten un­ter­nahm das Land der Täter in den bis 1965 dau­ern­den Ver­fah­ren zu­min­dest den Ver­such, den Völ­ker­mord an den Juden straf­recht­lich auf­zu­ar­bei­ten.

Bun­des­weit zog Bauer alle Ver­fah­ren an sich

Als obers­ter Staats­an­walt in Hes­sen hatte Bauer das Ver­fah­ren bun­des­weit an sich ge­zo­gen - gegen alle Wi­der­stän­de. "Wenn ich mein Dienst­zim­mer ver­las­se, be­tre­te ich feind­li­ches Aus­land", soll Fritz Bauer ein­mal ge­sagt haben. Der Ge­ne­ral­staats­an­walt muss­te sich mit Rich­tern und Staats­an­wäl­ten aus der Nazi-Zeit her­um­schla­gen, die nach 1945 wei­ter im Staats­dienst blie­ben und oft seine Ar­beit sa­bo­tier­ten.

Fritz Bauer war vor dem Krieg jüngs­ter Amts­rich­ter Deutsch­lands

Der am 16.07.1903 in Stutt­gart ge­bo­re­ne Fritz Bauer stamm­te aus einer deutsch-jü­di­schen Kauf­manns­fa­mi­lie. Er war von sei­ner Bio­gra­fie her einer der we­ni­gen Un­be­las­te­ten im Jus­tiz­ap­pa­rat der Bun­des­re­pu­blik. Schon als 17-Jäh­ri­ger en­ga­gier­te er sich in der SPD. 1930 wurde er mit 26 Jah­ren jüngs­ter Amts­rich­ter Deutsch­lands. Drei Jahre spä­ter kam er nach der Macht­über­nah­me der Nazis in Haft. 1936 floh er nach Dä­ne­mark und spä­ter nach Schwe­den. Mit Willy Brandt grün­de­te er dort eine Exil-Zeit­schrift. 1949 kehr­te Bauer in seine Hei­mat zu­rück, um ein de­mo­kra­ti­sches Jus­tiz­we­sen mit auf­zu­bau­en. Er wurde Ge­ne­ral­staats­an­walt in Nie­der­sach­sen. 1956 holte ihn Hes­sens Re­gie­rungs­chef Georg Au­gust Zinn (SPD) in die­ser Funk­ti­on nach Frank­furt.

Ent­schei­den­der Tipp zum Auf­ent­halts­ort Eich­manns kam von Bauer

In den Jah­ren dar­auf ließ er von sei­nen Mit­ar­bei­tern über 1000 Zeu­gen ver­neh­men und be­rei­te­te den Ausch­witz-Pro­zess gegen die SS-Wach­mann­schaf­ten vor. Er gab den Is­rae­lis auch den ent­schei­den­den Tipp zum Auf­ent­halt von Adolf Eich­mann. Der ehe­ma­li­ge SS-Ober­sturm­bann­füh­rer, der die Mas­sen­de­por­ta­tio­nen der Juden in die Ver­nich­tungs­la­ger or­ga­ni­siert hatte, wurde 1960 vom Ge­heim­dienst Mos­sad aus Ar­gen­ti­ni­en ent­führt und zum Pro­zess nach Je­ru­sa­lem ge­bracht.

Bauer woll­te Auf­klä­rung, keine Ver­gel­tung

Bauer ging es dabei nicht um per­sön­li­che Rache, son­dern um Auf­klä­rung. Er galt als über­zeug­ter An­hän­ger eines hu­ma­nen Straf­rechts, das nicht mehr auf Ver­gel­tung be­ru­hen soll­te. Die Ur­sa­chen für Ausch­witz sah er vor allem im au­to­ri­tä­ren Cha­rak­ter der deut­schen Ge­sell­schaft und der man­geln­den Zi­vil­cou­ra­ge. Letzt­lich war sein Kampf vor Ge­richt aber eher von sym­bo­li­scher Be­deu­tung. 8.000 Deut­sche waren al­lein in der einen oder an­de­ren Weise vor Ort an den Ausch­witz-Ver­bre­chen be­tei­ligt. Von deut­schen Ge­rich­ten sind le­dig­lich 40 straf­recht­lich be­langt wor­den. Auch der Ausch­witz-Pro­zess in Frank­furt en­de­te mit re­la­tiv glimpf­li­chen Stra­fen, weil sich die Täter zu Be­fehls­emp­fän­gern er­klär­ten.

Nach sei­nem Tod ge­riet Bauer zu­nächst in Ver­ges­sen­heit

Pri­vat war das Leben für Bauer, einen schwä­beln­den Ket­ten­rau­cher mit grau­er Mähne und gro­ßer Horn­bril­le, nicht ein­fach. In der Nach­kriegs­zeit konn­te er weder sein Ju­den­tum aus­le­ben noch seine ho­mo­se­xu­el­len Nei­gun­gen, da dies da­mals in Deutsch­land noch unter Stra­fe stand. Nach sei­nem Tod ge­riet Bauer erst ein­mal in Ver­ges­sen­heit. Erst als sich Ge­sell­schaft und Po­li­tik in der Bun­des­re­pu­blik Jahre spä­ter ohne Wenn und Aber zur Auf­ar­bei­tung der NS-Ge­schich­te be­kann­ten, wur­den Mut und En­er­gie des Staats­an­walts ent­spre­chend ge­wür­digt. 1995 wurde in Frank­furt von Stadt und Land das in­zwi­schen re­nom­mier­te Fritz-Bauer-In­sti­tut ge­grün­det, das sich der Er­for­schung der na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Mas­sen­ver­bre­chen wid­met.

Filme und UNESCO stär­ken Er­in­ne­rung

Gleich meh­re­re Spiel- und Fern­seh­fil­me haben sich in den ver­gan­ge­nen Jah­ren mit Leben und Wir­ken des "Nazi-Jä­gers" be­schäf­tigt. Bauer hätte sich si­cher­lich nicht träu­men las­sen, dass 50 Jahre nach sei­nem Tod die Ausch­witz-Ton­bän­der aus dem von ihm in­iti­ier­ten Pro­zess zum "Ge­dächt­nis der Welt" ge­hö­ren. Das hat die UNESCO vor we­ni­gen Mo­na­ten be­schlos­sen.

Ge­denk­akt in denk­wür­di­ger Kir­che

Am 01.07.2018 wird zum 50. To­des­tag in einem Ge­denk­akt in der Frank­fur­ter Pauls­kir­che an Bau­ers Wir­ken er­in­nert. Dort hatte vor 170 Jah­ren auch die erste de­mo­kra­ti­sche Na­tio­nal­ver­samm­lung der Deut­schen ge­tagt. Bun­des­prä­si­dent Frank-Wal­ter Stein­mei­er, selbst Ju­rist, wird eben­falls er­war­tet.

Redaktion beck-aktuell, Thomas Maier, 29. Juni 2018 (dpa).

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