50 Jahre Betriebsverfassungsgesetz

Am 15.01.1972 trat das geänderte Betriebsverfassungsgesetz in Kraft. "Mehr Demokratie wagen" lautete die Devise für die Bundesrepublik Deutschland – auch in den Betrieben. Die Rechte von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern wurden grundlegend gestärkt. Die Betriebsräte wurden deutlich ausgebaut und erhielten mehr Mitbestimmungsrechte. Wir nehmen das Jubiläum zum Anlass für eine Bilanz und werfen einen Blick auf die anstehende Betriebsratswahl.

Reform des Betriebsverfassungsgesetzes 1972

Bereits das Ursprungsgesetz aus dem Jahr 1952 regelte in der Tradition des Weimarer Betriebsrätegesetzes Informations-, Konsultations- und Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats und schrieb die "vertrauensvolle Zusammenarbeit" zwischen Unternehmensleitung und Betriebsrat vor. Im Ergebnis blieb es jedoch hinter den Erwartungen der Beschäftigten zurück. 20 Jahre später wurde das Betriebsverfassungsgesetz mit der Reform unter Bundeskanzler Willy Brandt grundlegend reformiert. Die Rechte der Betriebsräte auf Information und Mitbestimmung bei der Gestaltung von Arbeitsplatz und Arbeitsabläufen, bei der Entlohnung, der Berufsbildung und dem Sozialplan wurden erweitert. Die Gewerkschaften erhielten ein Zutrittsrecht zu den Betrieben und das Recht, Betriebsratswahlen zu initiieren. Zudem durften erstmals auch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ohne deutschen Pass für den Betriebsrat kandidieren.

Arbeitgeber und Arbeitnehmer einig: Das BetrVG muss modernisiert werden

Das Gesetz ist seitdem zwar in zahlreichen Punkten überarbeitet und angepasst worden. Die größte Novellierung fand 2001 statt, als insbesondere das Ver­fah­ren zur Wahl des Be­triebs­rats in Klein­be­trie­ben ver­ein­facht wurde. Dennoch sind sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer einig, dass eine Modernisierung nötig ist. "Das Betriebsverfassungsgesetz muss entstaubt werden", fordert Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Das Gesetz atme in weiten Teilen eine Arbeitskultur einer vergangenen Zeitepoche. Die Betriebsratsarbeit müsse endlich digital werden, die Mitbestimmungsverfahren dürften nicht weiter im Bummelzug fahren. Auch die Arbeitnehmerverbände und Gewerkschaften fordern eine Modernisierung des Gesetzes. Die IG Metall spricht sich auf ihrer Internetseite für mehr Mitbestimmungsrechte aus, um die Transformation, die Digitalisierung und den Umbau der Industrie hin zu Klimaneutralität zu bewältigen.

Betriebsrätemodernisierungsgesetz fördert Gründung von Betriebsräten

Ein erster Schritt ist bereits getan: Im Mai letzten Jahres trat das Betriebsrätemodernisierungsgesetz in Kraft. Mit ihm wurde die Wahl von Betriebsräten weiter vereinfacht und ihre Rechte bei der Weiterbildung, dem Einsatz künstlicher Intelligenz und bei mobiler Arbeit gestärkt. So wurde beispielsweise das Mindestalter für das aktive Wahlrecht auf 16 Jahre gesenkt, ein Mitbestimmungstatbestand der Ausgestaltung mobiler Arbeit normiert und der Kündigungsschutz mit Betriebsratsmitgliedern ausgeweitet. Zudem wurde die ursprünglich als pandemiebedingte Übergangslösung konzipierte Regelung von Betriebsratssitzungen in Form von Video- und Telefonkonferenzen übernommen und virtuelle Betriebsratssitzungen für zulässig erklärt.

Heil will mit Strafverfolgung Gründung von Betriebsräten erleichtern

Mit einer Ver­schär­fung des Straf­rechts will Bun­des­ar­beits­mi­nis­ter Hu­ber­tus Heil (SPD) die Bil­dung von Be­triebs­rä­ten auch gegen den Wi­der­stand von Ar­beit­ge­bern er­leich­tern. Die Stö­rung oder Be­hin­de­rung von Be­triebs­rats­grün­dun­gen solle künf­tig von der Jus­tiz auf Ver­dacht von Amts wegen auch ohne vor­lie­gen­de An­zei­ge als Straf­tat ver­folgt wer­den, sagte der SPD-Po­li­ti­ker in der Sams­tags­aus­ga­be der "Augs­bur­ger All­ge­mei­nen". Die Behinderung ist schon jetzt im Betriebsverfassungsgesetz verboten und wird mit einer Geld- oder Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr verfolgt. "In der Realität aber sehen wir immer wieder, dass Menschen drangsaliert werden, die Betriebsräte gründen wollen", sagte Heil. "Deshalb werde ich dafür sorgen, dass diejenigen, die die Gründung von Betriebsräten behindern, es demnächst mit dem Staatsanwalt zu tun bekommen."

Betriebsratswahl in Zeiten von Corona

Die aktuelle Wahlperiode läuft in diesem Jahr aus. Die nächsten regelmäßigen Betriebsratswahlen finden vom 01.03. bis zum 31.05.2022 statt und sind – wie so vieles andere auch – von der Coronapandemie beeinflusst. So wird beispielsweise die Bestellung des Wahlvorstandes durch den aktuellen Betriebsrat auch digital erfolgen können. Der Wahlvorstand selbst wird seine nicht-öffentlichen Beschlüsse ebenfalls per Video- oder Telefonkonferenz fassen können. Die Wahl wird zudem unter bestimmten Voraussetzungen – insbesondere bei Homeoffice oder im Krankheitsfall – auch per Briefwahl zulässig sein. Hier gilt es jedoch zu bedenken, dass Beschäftigte, die dauerhaft im Homeoffice sind, die Wahlunterlagen unaufgefordert zugesendet bekommen, während Beschäftigte, die nur zum Teil im Homeoffice sind, die Briefwahlunterlagen beantragen müssen. Inwieweit die Coronapandemie die Arbeit des nächsten Betriebsrates beeinflussen wird, bleibt abzuwarten.

Redaktion beck-aktuell, 24. Januar 2022 (ergänzt durch Material der dpa).