Juristinnen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts durften Frauen in Deutschland zwar Jura studieren, aber kein Examen ablegen. Dies sollte sich ändern, als sich die politische Stimmung im Land mit der Einführung des Frauenwahlrechts 1918 und der Verankerung der "grundsätzlichen" Gleichstellung der Frau in der Weimarer Reichsverfassung 1919 wandelte. Trotz massiven Widerstands insbesondere vom Deutschen Richterbund und vom Deutschen Anwaltverein wurde im Jahr 1922 schließlich das "Gesetz über die Zulassung der Frauen zu den Ämtern und Berufen der Rechtspflege" erlassen, welches es Frauen ermöglichte, die Fähigkeit zum Richteramt zu erwerben. 1927 trat schließlich Maria Hagemeyer als erste deutsche Richterin ihren Dienst am Amts- und Landgericht Bonn an. Wie die meisten Jurastudentinnen stammte auch Hagemeyer aus einer gutsituierten Familie - angesichts hoher Studiengebühren und schlechter Berufsaussichten entschieden sich verhältnismäßig wenige Frauen für ein Jurastudium. Die erste Phase der Öffnung der juristischen Berufe für Frauen hielt jedoch nur gut zehn Jahre an: während der Nazidiktatur wurden Frauen wieder zurück in die Hausfrauen- und Mutterrolle gedrängt. Ab 1935 durften Assessorinnen nicht mehr in die Richter- und Staatsanwaltslaufbahn übernommen werden. Bald darauf wurde ihnen auch eine Karriere als Anwältin versperrt.
Jüdische Juristinnen: diskriminiert, verfolgt, ermordet
Knapp 16% der Jurastudentinnen waren laut Deutschem Juristinnenbund bis zur Machtübernahme der Nationalsozialisten jüdischen Glaubens. Vor dem Hintergrund, dass laut einer Volkszählung im Jahr 1933 nur rund 500.000 Jüdinnen und Juden in Deutschland lebten, was in etwa 0,77% entspricht, war der Anteil jüdischer Jurastudentinnen verhältnismäßig hoch. Dies dürfte auch daran gelegen haben, dass jüdische Familien vermehrt aus dem städtischen Bildungsbürgertum stammten. Besonderes Augenmerk gilt den jüdischen Juristinnen Marie Munk, Else Rahel Samulon-Guttmann und Erna Scheffler. Munk war Mitgründerin des Deutschen Juristinnenvereins, wurde 1933 aus dem Justizdienst entlassen und emigrierte 1936 in die USA. Samulon-Guttmann gab 1923 ihr Erstes Juristisches Staatsexamen mit Auszeichnung ab und war anschließend Richterin am Amtsgericht Berlin, bevor sie 1944 in Ausschwitz ermordet wurde. Und Erna Scheffler, die 1893 als Tochter einer protestantischen Mutter und eines jüdischen Vaters geboren wurde, war nach Kriegsende zunächst Landesgerichtsrätin am Landgericht Berlin und anschließend erste Richterin des Bundesverfassungsgerichts. Dort war sie bis zum Ende ihrer Amtszeit 1963 die einzige Frau. Es sollte noch weitere 23 weitere Jahre dauern, bis 1986 zum ersten Mal zwei Frauen gleichzeitig Richterinnen am BVerfG waren.
Frauenanteil in juristischen Berufen steigt - wenn auch langsam
Nach Ende des Zweiten Weltkrieges nahmen zwar manche Frauen ihre früheren Berufe als Juristinnen wieder auf. Dennoch blieb der Frauenanteil insbesondere wegen familien- und beamtenrechtlicher Hürden gering. Für deren Beseitigung setzten sich neben Hagemeyer auch die Juristinnen Marie-Elisabeth Lüders, Elisabeth Selbert und Elisabeth Schwarzhaupt durch ihre Mitwirkung an der Erstellung des Grundgesetzes und an der Überarbeitung des Bürgerlichen Gesetzbuches ein. Seit einigen Jahren steigt der Anteil von Jurastudentinnen, mittlerweile studieren sogar mehr Frauen als Männer Jura. Diese Entwicklung spiegelt sich allerdings nur bedingt auf dem Arbeitsmarkt wieder. Während der Anteil von Juristinnen im Staatsdienst in etwa so hoch ist wie der der Männer, sind Juristinnen in Kanzleien und Wissenschaft noch unterpräsentiert. Zwar ist der Anteil von Anwältinnen laut einer Statistik der Bundesrechtsanwaltskammer 2018 in den letzten rund 50 Jahren gestiegen: So gab es 1970 nur knapp 23.000 Rechtsanwältinnen (4,5%) und 2018 bereits 57.251, was mehr als einem Drittel entspricht. Dennoch werden Frauen beispielsweise weitaus seltener Partnerinnen in großen Kanzleien als Männer. Eine eklatante Unterrepräsentanz zeigt sich in der Wissenschaft: an den Universitäten lehrten im Jahr 2017 nur knapp 18% Professorinnen.
Noch immer Geschlechterdiskriminierung in Ausbildung und Examen
Die Geschlechterdiskriminierung beginnt jedoch nicht erst in der Arbeitswelt. Bereits im Studium und im Examen werden Studentinnen und Referendarinnen nach wie vor benachteiligt. Wie eine Studie der Universität Hamburg aus dem Jahr 2016 zeigt, finden sich in der juristischen Ausbildungsliteratur noch heute sexistische Stereotype. So würden in vielen Ausbildungsfällen Frauen noch immer auf die Rolle als Mutter, Verlobte, Geliebte oder Ex-Ehefrau reduziert. Drei Juristinnen haben es sich zur Aufgabe gemacht, diese Diskriminierungen auf ihrem Blog "Üble Nachrede" sichtbar zu machen. Dass Frauen und Menschen mit zugeschriebenem Migrationshintergrund außerdem in der mündlichen Prüfung der juristischen Staatsexamina signifikant schlechter abschneiden als Männer mit vergleichbaren Vornoten, ist zudem das Ergebnis einer bundesweiten Untersuchung des Deutschen Juristinnenbundes e.V. aus diesem Jahr, welche sich auf eine Studie aus Nordrhein-Westfalen von 2017 beruft.
djb fordert diskriminierungsfreie Gestaltung mündlicher Examensprüfungen
Der djb fordert daher, die Prüfungskommissionen geschlechtergerecht zu besetzen. Damit dies gelinge, müssten die Hürden für Frauen, sich als Prüferinnen zu betätigen, abgebaut und Frauen gezielt angeworben werden. Dabei seien Lösungen zu finden, um eine überproportionale Belastung der wenigen Juraprofessorinnen zu vermeiden. Der djb fordert zudem klare und verbindliche Vorgaben zu den Bewertungskriterien und die Abschaffung des Vorgesprächs sowie der Vornotenkenntnis. Neben dem Widerspruchs- und Klageverfahren müsse den Betroffenen die Möglichkeit gegeben werden, sich an eine zusätzliche Beschwerde- und Kontrollstelle zu wenden. Essenziell sei auch die Schulung der Prüfenden in Diskriminierungssensibilität.
Benachteiligung durch Verbot religiös konnotierter Bekleidungs- und Schmuckstücke?
Umstritten ist schließlich die Frage, ob vor allem muslimische Frauen durch das Verbot des Tragens religiös konnotierter Bekleidungs- und Schmuckstücke benachteiligt sind. So wurden beispielsweise in Bayern und Hessen Verbote gegenüber Rechtsreferendarinnen ausgesprochen, die aus religiösen Gründen während ihrer Ausbildung ein Kopftuch trugen bzw. tragen wollten. Eine hiergegen eingelegte Verfassungsbeschwerde hat das BVerfG im Jahr 2020 indes zurückgewiesen. Die Entscheidung des Gesetzgebers für eine Pflicht, sich im Rechtsreferendariat in weltanschaulich-religiöser Hinsicht neutral zu verhalten, sei aus verfassungsrechtlicher Sicht zu respektieren.