Urteilsanalyse
Zwang zur Benutzung des beA bei defektem Faxgerät des Gerichts?
Urteilsanalyse
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Ein Rechtsanwalt, der sein besonderes elektronisches Anwaltspostfach (beA) noch nicht aktiv nutzt und mit dessen Einsatz nicht vertraut ist, muss es nach einem Beschluss des BGH vom 17.12.2020 auch bei einer Störung des Faxgeräts des Gerichts nicht nutzen.

10. Feb 2021

Anmerkung von
Richter am KG Dr. Oliver Elzer, Berlin

Aus beck-fachdienst Zivilverfahrensrecht 03/2021 vom 05.02.2021

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Sachverhalt

Am 5.9., dem Tag des Fristablaufs für die Berufungsbegründung, versucht Rechtsanwältin R für Kläger K zwischen 17:00 und 19:45 Uhr mehrfach erfolglos, diese an das OLG zu faxen. Die Versuche scheitern, weil das für Schriftsätze in Zivilsachen zur Verfügung stehende Faxgerät des Gerichts defekt ist. Nachdem ein OLG-Justizwachtmeister der R kein anderes empfangsbereites Faxgerät nennen kann, sendet sie die von ihr eingescannte Berufungsbegründung per E-Mail am 5.9. um 19:30 Uhr an das OLG-Verwaltungspostfach. Diese E-Mail wird beim OLG am 6.9. ausgedruckt. Das Original der Berufungsbegründung geht am 9.9. ein.

Am 16.9 beantragt R Wiedereinsetzung. Das OLG weist den Antrag zurück und verwirft die Berufung als unzulässig. R hätte das beA verwenden müssen, um eine frist- und formgerechte Übersendung zu gewährleisten. Es sei von einer Prozessbevollmächtigten, der die Nutzung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs grds. zur Verfügung stehe, zu verlangen, dass sie diesen Übermittlungsweg nutze. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde. Mit Erfolg!

Entscheidung: R war im Fall nicht verpflichtet, das beA einzusetzen

Berufungsbegründung ist zu spät eingegangen

Die Berufungsbegründung sei erst am 6.9. eingegangen. Denn eine im Original unterzeichnete Rechtsmittel- oder Rechtsmittelbegründungsschrift, die eingescannt und im Anhang einer elektronischen Nachricht als PDF-Datei übermittelt werde, sei in schriftlicher Form erst bei Gericht eingereicht, sobald dem Gericht ein Ausdruck der den vollständigen Schriftsatz enthaltenden PDF-Datei vorliege (Hinweis auf BGH NJW 2019, 2096 Rn. 14 ff. = FD-ZVR 2019, 418030).

Wiedereinsetzung

Das OLG hätte K aber Wiedereinsetzung gewähren müssen. Von einem Rechtsanwalt, der sich und seine organisatorischen Vorkehrungen darauf eingerichtet habe, einen Schriftsatz weder selbst noch durch Boten oder per Post, sondern durch Fax zu übermitteln, könne beim Scheitern der gewählten Übermittlung infolge eines Defekts des Empfangsgeräts oder wegen Leitungsstörungen nicht verlangt werden, dass er innerhalb kürzester Zeit eine andere als die gewählte, vom Gericht offiziell eröffnete Zugangsart sicherstelle (Hinweis ua auf BGH NJW 2020, 2194 Rn. 15 = FD-ZVR 2020, 429819). Wenn er feststelle, dass das Empfangsgerät gestört sei, sei es aber zumutbar, jedenfalls im gewählten Übermittlungsweg nach Alternativen zu suchen, die sich aufdrängten (Hinweis ua auf BGH NJW-RR 2017, 1084 Rn. 12 = FD-ZVR 2017, 394222 mAnm Toussaint).

Nach Maßgabe dieser Grundsätze liege im Fall kein dem K zuzurechnendes Verschulden der R vor. Es erscheine zwar erwägenswert, auch einen anderen als den gewählten Übermittlungsweg als zumutbar zu erachten, wenn sich dieser Weg aufdränge und der hierfür erforderliche Aufwand geringfügig sei. In diesem Rahmen komme bei einer gescheiterten Übermittlung mittels Fax eine Versendung über das beA in Betracht, wenn dieses von dem Prozessbevollmächtigten in der Vergangenheit bereits aktiv zum Versand von Schriftsätzen genutzt wurde, er also mit seiner Nutzung vertraut sei. Anders liege es aber, wenn – wie es im Fall glaubhaft gemacht sei – ein Prozessbevollmächtigter das beA bisher nicht aktiv zum Versand von Schriftsätzen genutzt habe und mit seiner Nutzung nicht vertraut sei.

Praxishinweis

Wie im FD-ZVR 2019, 422420 dargestellt, besteht im Jahr 2021 noch keine Pflicht für Rechtsanwälte, das beA einzusetzen (vgl. § 130d S. 1 ZPO idF ab 1.1.2022). Hieraus könnte man den Schluss ziehen, dass ein defektes Faxgerät auf Seiten des Rechtsanwalts oder des Gerichts den Rechtsanwalt nicht zwingt, das beA einzusetzen. Diese Deutung würde der Entscheidung des III. Zivilsenats aber nicht vollständig gerecht werden. Der Senat lehnt ein „umswitschen“ nur für den Fall ab, dass der Rechtsanwalt das beA bisher nicht aktiv genutzt und hierüber keine Dokumente versandt hat. Diese Voraussetzung dürfte für viele Rechtsanwälte aber nicht vorliegen. Jedenfalls dem Rechtsanwalt, der eine Kenntnis davon hat, wie man das beA aktiv nutzt, ist daher zu raten, dieses bei einer Störung des Faxgerichts des Gerichts oder seines eigenen Geräts zu nutzen.

BGH, Beschluss vom 17.12.2020 - III ZB 31/20, BeckRS 2020, 38867