Urteilsanalyse
Zustellung an den Verteidiger nur nach Vollmachtsvorlage
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An den gewählten Verteidiger kann - so das LG Meiningen - gemäß § 51 Abs. 3 S. 1 OWiG nur dann wirksam zugestellt werden, wenn dessen Bevollmächtigung mindestens durch die Übermittlung einer Kopie der Vollmacht nachgewiesen ist. 

22. Sep 2023

Anmerkung von
Rechtsanwalt David Püschel, Ignor & Partner GbR, Frankfurt a.M.

Aus beck-fachdienst Strafrecht 19/2023 vom 21.09.2023

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Sachverhalt

Durch die Bußgeldbehörde wurde am 3.11.2021 ein Bußgeldbescheid gegen den Betroffenen (B) wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit erlassen. B wurde am 5.10.2022 zu dem Vorwurf angehört. Daraufhin zeigte sich mit Schriftsatz vom 12.10.2022 Rechtsanwalt V als Verteidiger an. Eine schriftliche Vollmacht wurde nicht vorgelegt. Die Zustellung des vorgenannten Bußgeldbescheides erfolgte via Postzustellungsurkunde am 8.11.2021 an V. Eine Zustellung an B unterblieb. Am 10.3.2022 wurde das Verfahren dem AG vorgelegt.

Mit dem vorliegend angegriffenen Beschluss vom 2.12.2022 stellte das AG das Verfahren wegen Eintritts der Verfolgungsverjährung gemäß §§ 206a StPO, 31 OWiG ein. Das AG führte aus, eine Unterbrechung durch die Zustellung des Bußgeldbescheides habe nicht stattgefunden. Gemäß § 51 Abs. 3 OWiG gelten nur solche Verteidiger als ermächtigt, Zustellungen entgegenzunehmen, deren Bevollmächtigung zumindest durch Kopie der Vollmacht nachgewiesen sei. Vorliegend sei die Bevollmächtigung nur angezeigt, aber keine Vollmachtsurkunde vor der Zustellung vorgelegt worden.

Gegen den Beschluss des AG wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer sofortigen Beschwerde und macht geltend, es liege kein Verfahrenshindernis nach § 206a StPO vor. Vielmehr sei von einem ausreichenden Nachweis der Bevollmächtigung des Verteidigers gemäß § 51 Abs. 3 S. 1 OWiG auszugehen. Für die Bevollmächtigung zur Einlegung eines Einspruchs im Bußgeldverfahren sei keine besondere Form erforderlich. Auch nach Änderung der Norm zum 1.7.2021 sei dem Wortlaut klar zu entnehmen, dass nicht die original (schriftliche) Vollmacht oder eine Abschrift in der Akte vorliegen müsse, sondern lediglich der Nachweis einer Bevollmächtigung gefordert sei und dies nicht mal explizit zu den Akten. Daher sei die Anzeige des Mandatsverhältnisses ausreichend i.S.d. § 53 OWiG.

Entscheidung

Die Beschwerde der StA hat keinen Erfolg. Die dreimonatige Verjährungsfrist aus § 26 Abs. 3 Hs. 1 StVG, die am 17.9.2021 zu laufen begonnen habe, sei nur durch die Anhörung des B am 5.10.2021 gemäß § 33 Abs. 1 Ziff.1, Abs. 2 OWiG unterbrochen worden, mit der Folge, dass nun das Ende der Verjährungsfrist auf den 5.1.2022 gefallen sei. Eine Unterbrechung durch Zustellung des Bußgeldbescheides habe indes nicht stattgefunden. Dieser sei nur an V – nicht aber B – zugestellt worden. An den gewählten Verteidiger könne gemäß § 51 Abs. 3 S. 1 OWiG nur dann wirksam zugestellt werden, wenn dessen Bevollmächtigung nachgewiesen sei - und zwar mindestens durch die Übermittlung einer Kopie der Vollmacht durch den Verteidiger. Die reine Anzeige der Verteidigung mit Schreiben vom 12.10.2022 sei hierfür nicht ausreichend. Entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft ändere auch die Neufassung des § 51 Abs. 3 OWiG nichts an dieser Einschätzung. Es werde lediglich zur Erleichterung der elektronischen Einreichung der Verteidigervollmacht nunmehr auf das Erfordernis des Vorliegens der (Original-)Vollmachtsurkunde bei den Akten verzichtet. Es genüge die elektronische Einreichung einer digitalen Kopie der Vollmachtsurkunde. Spätestens zum Zeitpunkt der Ausführung der Zustellung müsse die Bevollmächtigung nachgewiesen sein. Liege der Nachweis der Bevollmächtigung zu diesem Zeitpunkt nicht vor, sei die Zustellung an den Verteidiger unwirksam. Gelange der Nachweis der Bevollmächtigung später zu den Akten, heile dies den Mangel nicht.

Praxishinweis

§ 51 Abs. 3 OWiG regelt mit Blick auf die Zustellung an den Verteidiger die Möglichkeit, die Nachreichung der Vollmacht im Original zu verlangen. Diese Möglichkeit betrifft die Konstellation, dass bereits eine Kopie der Vollmacht zur Akte gereicht wurde und hat nur Auswirkungen auf die Zustellungsmodalitäten. Sie berechtigt gerade nicht dazu, grundsätzlich auf die Vorlage eine Vollmacht zu bestehen. Kommt der Verteidiger einer auf § 51 Abs. 3 S. 3 OWiG gestützten Aufforderung, eine Vollmacht (im Original) vorzulegen, nicht nach, hat dies lediglich zur Folge, dass an den Betroffenen unmittelbar zuzustellen ist (Krenberger/Krumm, OWiG, § 51 Rn. 22). Aus der Weigerung, eine Vollmacht (im Original) vorzulegen, kann aber nicht gefolgert werden, es bestehe kein Verteidigungsverhältnis und der vom Verteidiger eingelegte Einspruch bzw. sonstige von ihm vorgenommene Prozesshandlungen seien unwirksam. Im Gegenteil: Für die Bevollmächtigung zur Einlegung eines Einspruchs im Bußgeldverfahren ist keine besondere Form erforderlich, insbesondere kann sie auch mündlich erteilt werden. Die Wirksamkeit des Einspruchs hängt insofern nicht davon ab, dass eine schriftliche Vollmacht eingereicht wird. Folgerichtig kann deshalb (abgesehen von gesetzlich geregelten Ausnahmekonstellationen wie der des § 51 Abs. 3 OWiG) vom Verteidiger nicht verlangt werden, eine Vollmacht vorzulegen. Dies liegt nur anders, wenn im Einzelfall Zweifel an seiner Bevollmächtigung bestehen (vgl. VerfGH RhPf, NJW 2021, 2505 Rn. 26 f.). Für das Strafverfahren, in dem § 145a Abs. 1 StPO der Regelung des § 51 Abs. 3 OWiG entspricht, gilt dasselbe (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, Vor § 13 Rn. 9).

LG Meiningen, Beschluss vom 23.01.2023 - 6 Qs 240/22, BeckRS 2023, 22693