Rechtsanwalt Prof. Dr. Andreas J. Baumert, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, Honorarprofessor an der Hochschule für öffentliche Verwaltung Kehl, Lehrbeauftragter an der EBS Universität für Wirtschaft und Recht Wiesbaden, EBS Law School und an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Schultze & Braun GmbH Rechtsanwaltsgesellschaft Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
Aus beck-fachdienst Insolvenzrecht 24/2022 vom 24.11.2022
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Sachverhalt
Das AG Luckenwalde ordnete mit Beschluss vom 5.1.2022 die Zwangsversteigerung des Grundstücks des Insolvenzschuldners an. Die Zustellung erfolgte an den Insolvenzschuldner, der sich hiergegen mit einer „Formalrüge wegen begangener Verfahrensfehler“ wandte. Der Insolvenzverwalter über das Vermögen des Insolvenzschuldners beantragte, den Antrag auf Einstellung der Zwangsversteigerung zurückzuweisen. Er sei berechtigt, die durch den Verzicht des vormaligen Gläubigers begründete Eigentümergrundschuld gem. § 165 InsO zu verwerten. Das Amtsgericht Potsdam (Insolvenzgericht) hat nach Vorlage durch das Amtsgericht Luckenwalde den Beschluss vom 5.1.2022 aufgehoben. Das Insolvenzgericht sei für die Entscheidung gem. § 89 Abs. 2 S. 1 InsO zuständig (Beschluss Rn. 3). Hiergegen wendet sich der Insolvenzverwalter mit seiner Beschwerde. Das AG Potsdam (Insolvenzgericht) hat der Beschwerde nicht abgeholfen und diese dem LG Potsdam zur Entscheidung vorgelegt.
Entscheidung
Die gem. § 793 ZPO, § 965 ZVG in Verbindung mit § 89 InsO zulässige sofortige Beschwerde habe Erfolg.
Die Zuständigkeit ergebe sich nicht aus § 89 Abs. 3 InsO, nachdem weder ein Insolvenzgläubiger vollstrecke (§ 89 Abs. 1 InsO) noch § 89 Abs. 2 InsO greife, weil keine Zwangsvollstreckung in künftige Forderungen vorliege. Bei Immobilien bestehe eine konkurrierende Zwangsverwertungsbefugnis des Insolvenzverwalters (Beschluss Rn. 6; MüKo/Breuer/Flöther, InsO, 4. Aufl. 2019, § 89 Rn. 15). Es handele sich in casu um ein Verfahren gem. § 172 ZVG, für das gem. § 1 ZVG das Amtsgericht als Vollstreckungsgericht zuständig sei, in dessen Bezirk das Grundstück gelegen ist. Antragsteller sei der Insolvenzverwalter. Er gelte für die Durchführung des Verfahrens nach § 172 ZVG als beitreibender Gläubiger. Er nehme zugleich die Position des Schuldners ein (Beschluss Rn. 7; Böttcher, ZVG, 7. Aufl. 2022 § 172 Rn. 13). Der Insolvenzschuldner sei dagegen nicht Beteiligter, es sei denn, er wäre bei einer Eigenverwaltung selbst Antragsteller. Er könne auch durch Anmeldung keine Beteiligtenstellung iSd § 9 Nr. 2 ZVG erlangen (Beschluss Rn. 7 m.w.N.). Damit liege eine verfahrensfehlerhafte Entscheidung durch ein sachlich nicht zuständiges Gericht vor, so dass der angefochtene Beschluss aufzuheben sei.
Praxishinweis
Geht es – wie hier – um einen Fall, bei dem der Insolvenzverwalter während eines laufenden Insolvenzverfahrens eine Immobilie verwertet, erweitert § 165 InsO die Verwertungskompetenz des Insolvenzverwalters hinsichtlich des unbeweglichen Vermögens (Braun/Dithmar/Miglietti, InsO, 9. Aufl. 2022, § 165 Rn. 1). Neben der freihändigen Verwertung hat der Insolvenzverwalter die Befugnis, beim zuständigen Vollstreckungsgericht die Zwangsvollstreckung oder Zwangsversteigerung in diese Vermögensgegenstände zu betreiben (Braun/Dithmar/Miglietti, ebenda; MüKo/Breuer/Flöther, § 89 InsO, 4. Aufl. 2019, § 89 Rn. 15). Wird die Zwangsverwaltung oder die Zwangsversteigerung vom Insolvenzverwalter beantragt, finden nach § 172 ZVG die Vorschriften des 1. und 2. Abschnitts des ZVG entsprechende Anwendung, soweit sich aus den §§ 173, 174 ZVG nichts anderes ergibt. In den §§ 173, 174 ZVG ist keine anderweitige sachliche Zuständigkeit geregelt, als sich aus § 95 ZVG in Verbindung mit § 1 ZVG ergibt. Damit ist das Vollstreckungsgericht, also das Amtsgericht in dessen Bezirk das Grundstück belegen ist, sachlich zuständig und nicht das Insolvenzgericht.
LG Potsdam, Beschluss vom 28.09.2022 - 14 T 62/22 (AG Potsdam), BeckRS 2022, 28652