Urteilsanalyse
Zulassung als Syndikusrechtsanwalt - arbeitsrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz
Urteilsanalyse
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Das Bun­des­ar­beits­ge­richt hat Vor­ga­ben dafür ge­macht, wann ein Ge­werk­schafts­se­kre­tär die Aus­stel­lung einer Tä­tig­keits­be­schrei­bung als Syn­di­kus­an­walt von sei­nem Ar­beit­ge­ber (hier: Verdi) ver­lan­gen kann. Es rügte die Be­grün­dung des LAG, das nun noch ein­mal ent­schei­den muss, weil es den ar­beits­recht­li­chen Gleich­be­hand­lungs­grund­satz zu eng ge­fasst hatte und seine Be­grün­dung auf nicht aus­rei­chen­de Tat­sa­chen ge­stellt hatte. 

11. Aug 2021

Anmerkung von
RAin Dr. Doris-Maria Schuster, Gleiss Lutz, Hamburg

Aus beck-fachdienst Arbeitsrecht 31/2021 vom 05.08.2021

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Sachverhalt

Der Kläger ist zum Richteramt befähigt und seit 2013 bei Verdi als Gewerkschaftssekretär mit Rechtsschutzaufgaben beschäftigt. 2017 forderte er die Ausstellung einer Tätigkeitsbeschreibung als Syndikusrechtsanwalt. Verdi verweigerte die Ausstellung, weil der Kläger laut Arbeitsvertrag nicht als Syndikusanwalt, sondern als gewerkschaftlicher Interessenvertreter eingestellt ist und in dieser Funktion tendenzbezogen und weisungsabhängig tätig sei. Die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt erfordere eine Änderung des Arbeitsvertrags, auf die der Kläger keinen Anspruch habe.

Der Kläger begehrt, die Beklagte zu verurteilen, ihm eine selbst ausgefüllte Tätigkeitsbeschreibung als Syndikusanwalt zur Vorlage bei der Rechtsanwaltskammer Frankfurt a.M. herauszugeben. Diese müsse auf seinen Namen ausgestellt und von mindestens einem zur Vertretung befugten Organmitglied unterzeichnet sein. In anderen Betrieben tätigen Gewerkschaftssekretären wurde die Syndikuszulassung ebenfalls ermöglicht.

Das ArbG hatte der Klage stattgegeben. Das LAG hatte sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Mit der Revision begehrte der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidung

Das BAG hob das angefochtene Urteil teilweise auf und wies es an das LAG zurück. Der Anspruch auf Abgabe der Tätigkeitsbeschreibung als arbeitgeberseitige Willenserklärung könne sich aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz ergeben. Dafür muss die Leistung oder Willenserklärung nicht nach einem generalisierten Prinzip verteilt sein. Es sei ausreichend, dass Verdi anderen Gewerkschaftssekretären eine solche Tätigkeitsbeschreibung erteilte. Die bisherige Praxis bei Verdi, diese Tätigkeitsgenehmigungen uneinheitlich und teilweise ohne genauere Prüfung zu erteilen, stehe dem nicht entgegen. Jedenfalls dann, wenn es eine nicht auf den Betrieb bezogene, sondern bundesweit einheitliche Handhabung der Gewährung oder Nichtgewährung von Zulassungen als Syndikusrechtsanwalt gibt, darf sich der Arbeitnehmer mit außerhalb des eigenen Betriebs tätigen Arbeitnehmern vergleichen. Die Ungleichbehandlung bedarf dann eines sachlichen Grundes.

Praxishinweis

Die Entscheidung zeigt Arbeitgebern auf, wie sie das Eingreifen eines unternehmensweit geltenden Gleichbehandlungsgrundsatzes vermeiden können. Möglich ist das, indem sie die Entscheidungsbefugnis über die Gewährung oder Nichtgewährung bestimmter Leistungen auf die Betriebe delegieren. Wird die Vergabe bestimmter Leistungen im Arbeitsverhältnis nachweislich autonom auf betrieblicher Ebene entschieden, kann ein Arbeitnehmer diese Leistung nicht unter Verweis auf den Gleichbehandlungsgrundsatz mit einer abweichenden Praxis in anderen Betrieben des Arbeitgebers begründen. Er muss dann vielmehr darlegen, dass es innerhalb seines Betriebs zu einer Ungleichbehandlung gekommen ist.

BAG, Urteil vom 27.04.2021 - 9 AZR 662/19 (LAG Hessen), BeckRS 2021, 17247