Urteilsanalyse
Zulässigkeit der offenen Teilklage
Urteilsanalyse
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Auch dann, wenn sich eine Vertragsstrafe unwiderruflich und damit endgültig auf einen Betrag konkretisiert hat (hier: 3.600 EUR), ist der Anspruchsberechtigte nach einem Urteil des BGH nicht gehindert, nur einen Teilbetrag (hier: 3.250 EUR) gerichtlich geltend zu machen.

6. Dez 2022

Anmerkung von
Richter am Kammergericht Dr. Oliver Elzer, Berlin

Aus beck-fachdienst Zivilverfahrensrecht 24/2022 vom 02.12.2022

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Sachverhalt

K verlangt von B außergerichtlich mit Schreiben vom 22.12.2016 eine Vertragsstrafe iHv 3.600 EUR aus einer Unterlassungserklärung. Später verlangt K – anwaltlich vertreten – eine Vertragsstrafe iHv nur 3.250 EUR. Da B auch nicht bereit ist, diese zu zahlen, erhebt K in dieser Höhe Klage. Fraglich ist, ob diese Teilklage ggf. unzulässig ist.

Entscheidung: Die Teilklage ist zulässig

Insbesondere genüge sie den Bestimmtheitsanforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Bestimmtheit stehe nicht entgegen, dass K nur einen Teilbetrag der anfangs geforderten Vertragsstrafe von 3.600 EUR gerichtlich geltend mache.

Es handele sich nämlich um eine zulässige Teilklage. Das LG habe zwar unterstellt, dass der K mit Schreiben vom 22.12.2016 sein Recht zur Bestimmung einer angemessenen Vertragsstrafe gegenüber dem Beklagten wirksam ausgeübt habe. In diesem Fall habe er die Höhe der von B zu zahlenden Vertragsstrafe nach § 315 Abs. 1 und 2 BGB unwiderruflich und damit endgültig auf einen Betrag von 3.600 EUR konkretisiert (Hinweis ua auf BGH NJW 2002, 1421, juris Rn. 40; BGH NJW-RR 2005, 762, juris Rn. 34). Hierdurch sei K prozessual jedoch nicht daran gehindert, einen Teilbetrag von nur 3.250 EUR gerichtlich geltend zu machen. K verlange die Zahlung einer einzigen Vertragsstrafe und verfolge einen einheitlichen prozessualen Anspruch. In einem solchen Fall stehe es dem Kläger frei, ob er seinen Anspruch in vollem Umfang oder nur teilweise geltend mache (Hinweis auf BeckOK ZPO/Bacher, 46. Ed. 1.9.2022, ZPO § 253 Rn. 54).

Praxishinweis

Aus §§ 253 Abs. 1, Abs. 2, 263 Abs.1, 308 Abs. 1 S. 1, 322 Abs. 1 ZPO ist zu folgern, dass Teilklagen – anders als zB im anglo-amerikanischen Rechtskreis – im deutschen Recht zulässig sind (s. auch Elzer JuS 2001, 224 (225)). Dem Kläger ist mithin weder verwehrt, zunächst nur einen Teil seines (behaupteten) Anspruches einzuklagen, was der BGH jetzt nochmals bestätigt, noch ist er gezwungen, seinen diesbezüglichen Willen zu offenbaren. Unzulässig ist eine Teilklage allerdings dort, wo ein rechtsschutzwürdiges Interesse des Klägers nicht mehr anzuerkennen ist oder wo der Gebrauch der Teilklage gegen zwingende Regeln des Prozessrechts verstößt. So darf eine Teilklage beispielsweise nicht dazu missbraucht werden, die Zuständigkeitsordnung der ZPO zu umgehen und sich die AG-Zuständigkeit zu erschleichen.

BGH, Urteil vom 27.10.2022 - I ZR 141/21 (LG Köln), GRUR-RS 2022, 31943