Urteilsanalyse
Zulässigkeit der Berufung als Prozessvoraussetzung
Urteilsanalyse
Lorem Ipsum
© Stefan Yang / stock.adobe.com

Die Zulässigkeit der Berufung ist - so der Bundesgerichtshof - eine Prozessvoraussetzung, von der auch noch das Verfahren in der Revisionsinstanz in seiner Gültigkeit und Rechtswirksamkeit abhängt.

26. Aug 2021

Anmerkung von
Richter am KG Dr. Oliver Elzer, Berlin

Aus beck-fachdienst Zivilverfahrensrecht 17/2021 vom 20.08.2021

Diese Urteilsbesprechung ist Teil des zweiwöchentlich erscheinenden Fachdienstes Zivilverfahrensrecht. Neben weiteren ausführlichen Besprechungen der entscheidenden aktuellen Urteile im Zivilverfahrensrecht beinhaltet er eine ergänzende Leitsatzübersicht. Zudem informiert er Sie in einem Nachrichtenblock über die wichtigen Entwicklungen in Gesetzgebung und Praxis des Zivilverfahrensrechts. Weitere Informationen und eine Schnellbestellmöglichkeit finden Sie unter www.beck-online.de

Sachverhalt

Die Klage von Autokäufer K auf Erstattung von Reparaturkosten und anderer Ansprüche wird abgewiesen. In seiner Berufung setzt sich K mit den anderen Ansprüchen, nicht aber mit den Reparaturkosten auseinander. Das Berufungsgericht weist K in Bezug auf die Reparaturkosten daher darauf hin, dass sich die Berufungsbegründung zu diesem Anspruch mit keinem Wort verhält und daher als teilweise unzulässig angesehen werde könnte. Das LG weist den Anspruch auf Erstattung von Reparaturkosten im Urteil dann allerdings als unbegründet zurück. Fraglich ist, was das für die Revision bedeutet.

Entscheidung: Der Berufung ist in Bezug auf die Reparaturkosten unzulässig!

Dass nicht bereits das Berufungsgericht die Berufung teilweise als unzulässig verworfen habe, sei bedeutungslos. Die Zulässigkeit der Berufung sei eine Prozessvoraussetzung, von der das gesamte weitere Verfahren nach Einlegung der Berufung, also auch noch das Verfahren in der Revisionsinstanz, in seiner Gültigkeit und Rechtswirksamkeit abhänge. Sie sei deshalb auch vom Revisionsgericht unabhängig von den Anträgen der Parteien von Amts wegen zu prüfen (Hinweis auf BGH NJW 2017, 2273 Rn. 14 = FD-ZVR 2017, 390594 (LS.)). Da K den Anspruch auf Erstattung der Reparaturkosten im Berufungsverfahren weiterverfolgt habe, wäre er gem. § 520 III 2 Nr. 2 ZPO gehalten gewesen, in der Berufungsbegründung Ausführungen dazu zu machen, weshalb das erstinstanzliche Urteil insoweit fehlerhaft sein solle. Hieran fehle es.

Praxishinweis

Nach § 522 I 1 ZPO hat das Berufungsgericht von Amts wegen ua zu prüfen, ob die Berufung „in der gesetzlichen Form" begründet ist. Was der Berufungsführer für eine zulässige Berufungsbegründung leisten muss, regelt § 520 III 2 ZPO. § 520 III 2 Nr. 1 ZPO grenzt dabei den Prüfungsstoff ab. § 520 III 2 Nr. 2 und 3 ZPO sind demgegenüber auf das Prüfungsprogramm der §§ 513 I, 529 I Nr. 1 ZPO zugeschnitten. § 520 III 2 Nr. 4 ZPO schaut schließlich auf §§ 513 I, 529 I Nr. 2, 531 II ZPO (Vortrag kann hier auch nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist geboten werden).

Danach muss eine Berufungsbegründung neben den Berufungsanträgen wenigstens einen Inhalt haben: Nach § 520 III 2 Nr. 2 ZPO die Bezeichnung einer erheblichen Rechtsverletzung. Daneben ist die Angabe konkreter Anhaltspunkte für einen Feststellungsmangel möglich, aber nicht nötig. Überblick:

§ 520 III 2 Nr. 1 ZPO ist genügt, wenn die Begründungsschrift ihrem gesamten Inhalt nach erkennen lässt, in welchem Umfang das Urteil der ersten Instanz angefochten werden soll.

Für die Darlegung einer erheblichen Rechtsverletzung (Nichtanwendung einer Rechtsnorm oder unrichtige Anwendung einer Rechtsnorm) iSv § 520 III 2 Nr. 2 ZPO ist es notwendig, aber auch ausreichend, wenn der Berufungsführer die Umstände mitteilt, die das Urteil aus seiner Sicht rechtlich in Frage stellen. Hieran fehlte es im Fall. Das überrascht auch nicht. In der Berufungsbegründung wird nämlich häufig vergessen, darzulegen, warum die Ausgangsentscheidung aus Sicht des Berufungsführers zu Unrecht „Nebenforderungen" zugesprochen / aberkannt hat.

Für die Darlegung eines Feststellungsmangels iSv § 520 III 2 Nr. 3 ZPO muss der Berufungsführer „konkrete Anhaltspunkte" bezeichnen, die nach seinem Dafürhalten Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Gelingt es dem Berufungsführer, seine Zweifel zu formulieren, ist es am Berufungsgericht, von Amts wegen seinen eigenen Zweifeln an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen nachzugehen.

BGH, Beschluss vom 18.05.2021 - VI ZR 369/20, BeckRS 2021, 20886