Urteilsanalyse
Zulässigkeit der Beratung im Wege der Telefon- oder Videokonferenz
Urteilsanalyse
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Gehören ehrenamtliche Richter zu einem Spruchkörper, muss die Entscheidung über die (endgültige) Zurückweisung der Berufung auf der Grundlage einer Beratung im Beisein sämtlicher beteiligten Richter ergehen. Beratung im Beisein sämtlicher beteiligten Richter“ in diesem Sinne ist nach einem Beschluss des BGH vom 06.11.2020 auch eine Videokonferenz (also bei gleichzeitiger Ton- und Bildübertragung).

14. Dez 2020

Anmerkung von
Richter am KG Dr. Oliver Elzer, Berlin

Aus beck-fachdienst Zivilverfahrensrecht 25/2020 vom 11.12.2020

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Sachverhalt

Der Beklagte rügt, ein Senat für Landwirtschaftssachen habe unter Zuziehung der ehrenamtlichen Richter nur im Wege der Telefonkonferenz über einen Hinweis beraten.

Entscheidung: Die Telefonkonferenz ist nicht zu beanstanden!

Ohne Erfolg! Da es sich (nur) um einen Hinweis und nicht um die Endentscheidung gehandelt habe, stehe die Beratung hierüber im Wege der Telefonkonferenz im Einklang mit der Senatsrechtsprechung (Hinweis auf BGH NJW-RR 2014, 243 Rn. 33 = mAnm Elzer FD-ZVR 2014, 354654).

Gehörten ehrenamtliche Richter zu dem Spruchkörper, müsse nur die eigentliche Entscheidung über die (endgültige) Zurückweisung der Berufung auf der Grundlage einer Beratung im Beisein sämtlicher beteiligten Richter ergehen. Als „Beratung im Beisein sämtlicher beteiligten Richter“ idS sei allerdings auch die Videokonferenz (also bei gleichzeitiger Ton- und Bildübertragung) zu werten (NJW-RR 2014, 243 Rn. 33 = mAnm Elzer FD-ZVR 2014, 354654).

Praxishinweis

§ 194 GVG bestimmt die bei der Beratung und Abstimmung einzuhaltende Verfahrensweise. Innerhalb der dadurch vorgegebenen Grenzen ist die Gestaltung der Beratung dem Gericht überlassen. Unerlässlich ist die gegenseitige Verständigung der Gerichtsmitglieder, die in einer äußerlich wahrnehmbaren Weise stattfinden muss, so dass etwa die bloße stillschweigende Duldung der Entscheidungsverkündung nicht ausreicht (BGH NJW 1992, 3182; RGSt 42, 85, 87).

Die Verständigung ist an keine Form gebunden. Die mündliche Beratung im Beisein sämtlicher beteiligten Richter ist die Regel. Dem gleichstehen wird – wie der BGH auch grds. ausführt – eine Beratung im Wege der Videokonferenz, also bei gleichzeitiger Ton- und Bildübertragung, wie sie im Rahmen der mündlichen Verhandlung einschließlich der Beweisaufnahme zugelassen ist (Elzer FD-ZVR 2014, 354654; s.a.§ 32 III FamFG; § 128a I, II ZPO). Die Dokumentation einer Beratung im Beisein sämtlicher beteiligten Richter in der Akte ist möglich, aber nicht erforderlich (BGH BeckRS 2014, 1945Rn. 10).

Ausnahmsweise kommen auch vereinfachte Formen der Beratung und Abstimmung in Betracht, etwa – über einfache Fragen – durch kurze, formlose Verständigung im Sitzungssaal (BGH NJW 1992, 3181; BGHSt 24, 170, 171) oder durch eine Entscheidung im „Umlaufverfahren“, also durch schriftliche Beratung und Abstimmung aufgrund eines Entscheidungsentwurfs (BGH NJW-RR 2009, 286 Rn. 8; BGH BeckRS 2009, 14420 Rn. 8; BVerwG, NJW 1992, 257; skeptisch Effer-Uhe MDR 2020, 773 (774)). Voraussetzung ist, dass die beteiligten Richter mit dem vereinfachten Verfahren jeweils einverstanden sind (BGH BeckRS 2009, 14420 Rn. 8). Nicht ausreichend ist hingegen die telefonische Abfrage der Einzelmeinungen der zur Entscheidung berufenen Richter (BGH NJW-RR 2009, 286 Rn. 8; BGH BeckRS 2009, 14420 Rn. 8; BSG NJW 1971, 2096; Effer-Uhe MDR 2020, 773 (774)), also das Herbeiführen der Abstimmung im Wege von Einzeltelefonaten.

BGH, Beschluss vom 06.11.2020 - LwZR 2/20, BeckRS 2020, 31807