Urteilsanalyse
Zulässige Klage auf künftige Leistung in der betrieblichen Altersversorgung
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Eine Klage auf künftige Zahlung von Betriebsrente ist nach Ansicht des BAG auch dann zulässig, wenn der Arbeitgeber bislang anstandslos und pünktlich die laufenden Raten gezahlt hat.

5. Jun 2023

Anmerkung von
RA Prof. Dr. Martin Diller, Gleiss Lutz, Stuttgart

Aus beck-fachdienst Arbeitsrecht 21/2022 vom 01.06.2023

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Sachverhalt

Der klagende Arbeitnehmer hatte aus verschiedenen Versorgungszusagen Altersversorgungsansprüche gegen den Arbeitgeber, eine Unterstützungskasse und eine Pensionskasse. Die Ansprüche waren teilweise der Höhe nach streitig. Der Kläger klagte jedoch nicht nur die streitigen Ansprüche ein, sondern klagte auf die Versorgungsansprüche insgesamt, also auch unter Einbeziehung des unstreitigen Teils. Der beklagte Arbeitgeber wandte ein, in Höhe desjenigen Teils der laufenden Rente, der von Anfang an anstandslos und pünktlich gezahlt worden sei, habe der Kläger kein Titulierungsinteresse, die Klage sei deshalb unzulässig.

Das ArbG hatte die Klage abgewiesen, die Berufung des Klägers hatte Erfolg.

Entscheidung

Das BAG wies die Revision des Beklagten zurück. Eine Klage auf zukünftige Leistung sei auch hinsichtlich derjenigen Teile der Altersversorgung zulässig, die der Arbeitgeber von Anfang an anstandslos, freiwillig und pünktlich zahle. Dies ergebe sich aus der Ausnahmenorm des § 258 ZPO. Die Norm erlaube die Klage auf künftige Leistung bei wiederkehrenden Renten, ohne dass ein besonderes Rechtsschutzinteresse dargelegt werden müsse. Da der Arbeitgeber seine freiwilligen Zahlungen jederzeit einstellen könnte, während der Betriebsrentner auf pünktliche laufende Leistungen angewiesen sei, bestehe ein schutzwürdiges Titulierungsinteresse auch dann, wenn der Arbeitgeber bislang freiwillig und pünktlich gezahlt habe. Zwar könne der beklagte Arbeitgeber in Ausnahmefällen den Einwand des Rechtsmissbrauchs erheben, wenn ersichtlich kein Interesse des Betriebsrentners an einer Titulierung seiner künftigen Ansprüche bestehe. Ein solcher Ausnahmefall habe aber jedenfalls in dem entschiedenen Fall nicht vorgelegen, da immerhin einzelne Teile der Versorgungsansprüche streitig gewesen seien. In einem solchen Fall habe der Betriebsrentner grds. das Interesse, den Anspruch insgesamt gerichtlich klären und titulieren zu lassen.

Praxishinweis

Auf den ersten Blick mag man das Urteil für ein Ärgernis ersten Ranges halten und eine Überflutung der Arbeitsgerichtsbarkeit mit Klagen auf künftige Leistungen befürchten. Aber so schlimm wird es nicht kommen. Denn zum einen ist das Titulierungsinteresse hinsichtlich der künftigen Raten einer Betriebsrente begrenzt, da diese ja gem. § 16 BetrAVG im Drei-Jahres-Rhythmus zu dynamisieren ist, also schon nach kurzer Zeit der tatsächliche Anspruch höher ist als der titulierte Anspruch. Vor allem aber betont das BAG die Möglichkeit des sofortigen Anerkenntnisses des Arbeitgebers nach § 93 ZPO mit der Folge, dass der Arbeitnehmer die Kosten des Verfahrens zu tragen hat. Das Risiko eines kostenpflichtigen Anerkenntnisses könne der Arbeitnehmer nur dadurch ausschließen, dass er vor Klageerhebung den Arbeitgeber zur außergerichtlichen Titulierung des Anspruchs auffordert. Nach der Rechtsprechung der Zivilgerichte muss dann aber der Kläger anbieten, die Kosten der Titulierung zu übernehmen (BGH, BeckRS 2009, 89270), und da die Titulierung von Betriebsrenten nur notariell möglich ist (§ 794 Ziff. 5 ZPO), ist das eine teure Angelegenheit. Diesen Aufwand bzw. das Kostenrisiko werden aber die meisten Betriebsrentner scheuen.

BAG, Urteil vom 14.03.2023 - 3 AZR 175/22 (LAG Berlin-Brandenburg), BeckRS 2023, 8120