NJW-Editorial
Zu viele Köche verderben den Brei
NJW-Editorial
Foto_Editorial_NJW_22_2022_Christian_Deckenbrock_WEB
Foto_Editorial_NJW_22_2022_Christian_Deckenbrock_WEB

Die Rechtsprechung hat die Befugnisse von Inkassounternehmen massiv gestärkt, der Gesetzgeber hat daraufhin die Aufsichtsbehörden mit weiteren Prüfungskompetenzen ausgestattet. Doch was helfen die, wenn eine schlagkräftige Mannschaft fehlt, um die zur Verfügung stehenden Mittel konsequent einzusetzen? Die jetzt geplante Bündelung der Registrierung und Aufsicht beim Bundesamt für Justiz ist daher richtig und wichtig.

27. Mai 2022

Als das Rechtsdienstleistungsgesetz 2008 in Kraft trat, zeigte sich der Gesetzgeber noch konziliant gegenüber Inkassodienstleistern. Das Reformgesetz verzichtete „bewusst auf die Ausgestaltung eines behördlichen Sachkundeprüfungs- und Aufsichtsverfahrens“ (BT-Drs. 16/3655, 43). Inzwischen ist man zu besserer Erkenntnis gelangt: Bereits 2013 wurden den Registrierungsbehörden vielfältige Aufsichtsinstrumente an die Hand gegeben (darunter die Möglichkeit der vorübergehenden Betriebsuntersagung sowie Auskunfts-, Betretungs- und Besichtigungsrechte) und Inkassounternehmen umfangreiche Informationspflichten gegenüber den Schuldnern auferlegt, um unseriöse Praktiken einzudämmen. Ende 2020 wurde der Werkzeugkasten mit dem Gesetz zur Verbesserung des Verbraucherschutzes im Inkassowesen weiter ergänzt.

Gleichzeitig hat die Rechtsprechung die Befugnisse von Inkassounternehmen massiv gestärkt. Längst am Markt etabliert sind Angebote, bei denen Inkassodienstleister (Kleinst-)Forderungen von Verbrauchern – etwa Fluggastrechteentschädigungen – nach einem standardisierten Prozess einziehen (vgl. BGH NJW 2020, 208). Selbst Geschäftsmodelle, bei denen Forderungen verschiedener Parteien gegen ein Unternehmen gebündelt (gerichtlich) geltend gemacht werden (sog. Sammelklagen-Inkasso), sind un­problematisch (BGH NJW 2021, 3046) – wenngleich manches Instanzgericht dies nicht akzeptieren will (s. zuletzt LG Stuttgart, Urt. v. 28.4.2022 – 30 O 17/18). Der Gesetzgeber hat hierauf mit dem Gesetz zur Förderung verbrauchergerechter Angebote im Rechtsdienstleistungsmarkt (2021) reagiert und den Aufsichtsbehörden die eingehende Vorabprüfung des konkreten Geschäftsmodells ermöglicht.

Doch was helfen weitergehende Prüfungskompetenzen bei der Registrierung und die stetig ausgedehnte Palette an möglichen Aufsichtsmaßnahmen, wenn eine schlagkräftige Mannschaft fehlt, die die zur Verfügung stehenden Mittel konsequent einzusetzen vermag? Bei zuletzt 38 verschiedenen, bei den Gerichten angesiedelten Registrierungs- und Aufsichtsbehörden – davon allein 14 in Niedersachsen (!) – verwundert es nicht, dass identische Sachverhalte uneinheitlich behandelt werden und problematischen Geschäftspraktiken nicht wirksam begegnet wird. Auch mit Blick auf die insgesamt überschaubaren Fallzahlen ist deshalb die nun im Referentenentwurf des BMJ für ein Gesetz zur Stärkung der Aufsicht bei Rechtsdienstleistungen angedachte Bündelung von Registrierung und Aufsicht beim Bundesamt für Justiz, die auch die Verfolgung unerlaubter Rechtsberatung als Ordnungswidrigkeit umfassen soll, richtig und wichtig. Wenngleich man keine Quantensprünge erwarten darf, wird die Zentralisierung der Aufsicht dabei helfen, dass „schwarze Schafe“ nicht weiter vom mangelnden Fachwissen der „nebenbei“ für die Aufsicht zuständigen Personen und von fehlender Koordination der Behörden untereinander profitieren. Damit Missständen wirklich effektiv Einhalt geboten wird, müssen die Aufsichtsstrukturen im Bundesamt allerdings auch in personeller, organisatorischer und fachlicher Hinsicht überzeugend ausgestaltet werden.

Dr. Christian Deckenbrock ist Akademischer Oberrat am Institut für Anwaltsrecht der Universität zu Köln.