Urteilsanalyse
Wirksamkeit einer formularvertraglich vereinbarten Betriebs- und Offenhaltungspflicht mit fehlendem Konkurrenzschutz
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Die formularvertraglich vereinbarte Betriebs- und Offenhaltungspflicht des Mieters eines Ladengeschäfts in einem Einkaufszentrum stellt nach einem Urteil des BGH auch im Zusammenspiel mit fehlendem Konkurrenzschutz keine unangemessene Benachteiligung dar, wenn sie mit keiner hinreichend konkreten Sortimentsbindung verbunden ist.

2. Dez 2021

Anmerkung von
Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Bub und Rechtsanwalt Nikolay Pramataroff,  Rechtsanwälte Bub, Memminger & Partner, München, Frankfurt a.M.

Aus beck-fachdienst Miet- und Wohnungseigentumsrecht 24/2021 vom 02.12.2021

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Sachverhalt

Die Parteien streiten über die Durchsetzung einer Betriebspflicht. In dem auf 10 Jahre geschlossenen formularmäßigen Mietvertrag über ein Ladengeschäft in einem Einkaufszentrum zum Betrieb „eines hochwertigen ‚Fan World‘- Einzelhandelsgeschäfts für den Verkauf von Fan-, Lizenz- und Geschenkartikeln und Accessoires“ vereinbarten die Parteien eine entsprechende Sortimentsbindung, den Ausschluss eines Konkurrenz-, Sortiments- und Branchenschutzes für den Beklagten sowie, dass der Beklagte das Geschäft in den Kernöffnungszeiten ununterbrochen offenhalten muss.

Der Mieter kündigte mehrfach das Mietverhältnis aufgrund angeblich vorsätzlich falsch abgerechneter Betriebskosten.

Die Klage der Vermieterin auf Durchsetzung der Betriebspflicht hat das Landgericht erstinstanzlich abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hatte Erfolg; die vereinbarte Betriebspflicht sei auch in Kombination mit den anderen Klauseln wirksam, die Kündigungen des Mieters seien unwirksam.

Entscheidung

Die Revision ist nach Ansicht des Bundesgerichtshofs begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Kammergericht.

Zutreffend sei das Kammergericht allerdings davon ausgegangen, dass im vorliegenden Fall die dem Beklagten auferlegte Betriebspflicht keine unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 307 Abs. 1 BGB darstellt. Die formularmäßige Vereinbarung einer Betriebs- und Offenhaltungspflicht sei für sich genommen im Regelfall nicht nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Ebenfalls nicht unangemessen sei für sich genommen eine formularmäßige Abrede, die den Mieter von Gewerberäumen an ein bestimmtes Sortiment bindet oder den Vermieter von einer Verpflichtung zum Konkurrenzschutz freistellt. Nicht mehr angemessen sei es hingegen, wenn die genannten Formularbedingungen - unter Einschluss einer engen Sortimentsbindung - kumulativ vereinbart würden.

Allerdings stehe bei der Betrachtung der kumulativ aufgenommenen Formularbedingungen nicht hauptsächlich oder allein die Angemessenheit der Betriebspflicht mit Sortimentsbindung im Blickfeld, sondern der Ausschluss des Konkurrenzschutzes. Denn bei ihm handle es sich um einen Eingriff in die Hauptleistungspflicht des Vermieters. Mit dem formularmäßigen Ausschluss des Konkurrenzschutzes schränke der Vermieter seine Hauptleistungspflicht ein. Würden durch eine Bestimmung wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so eingeschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet sei, sei gemäß § 307 Abs. 2 BGB im Zweifel eine unangemessene Benachteiligung anzunehmen. So liege der Fall, wenn in einem typischen Einkaufszentrum durch formularmäßigen Mietvertrag jeglicher Konkurrenzschutz ausgeschlossen, gleichzeitig jedoch dem Mieter eine Betriebspflicht mit enger Sortimentsbindung auferlegt werde.

Werde der Konkurrenzschutz des Mieters vertraglich ausgeschlossen, so verschaffe dies dem Vermieter nämlich die Möglichkeit, Konkurrenzunternehmen mit gleichem oder ähnlichem Sortiment in der unmittelbaren Nachbarschaft des Mieters anzusiedeln. Dadurch gerieten der Umsatz und die Geschäftskalkulation des Mieters in Gefahr. Sei ihm in dieser Lage zusätzlich eine Betriebspflicht mit enger Sortimentsbindung auferlegt, fehle es ihm an Möglichkeiten, sich durch Veränderung des eigenen Angebots an die entstandene Konkurrenzsituation anzupassen oder zumindest durch Verkürzung seiner Betriebszeiten seine Kosten zu reduzieren. Ermöglichten die Vertragsklauseln einseitig dem Vermieter, Konkurrenzsituationen herbeizuführen und dadurch den strengen Branchenmix aufzuweichen, beeinträchtige dies den Mieter unangemessen, wenn jener nicht seinerseits durch entsprechende Sortimentsanpassung reagieren könne.

In diese Situation werde der Mieter allerdings nur dann gebracht, wenn der Vertrag eine strenge Sortimentsbindung enthalte, die dem Mieter eine substantielle Veränderung des eigenen Angebots verbiete. Demgegenüber stelle eine Betriebspflicht auch im Zusammenspiel mit fehlendem Konkurrenzschutz keine unangemessene Benachteiligung dar, wenn sie mit keiner hinreichend konkreten Sortimentsbindung verbunden sei. So verhalte es sich vorliegend. Die vereinbarte Nutzung als „Einzelhandelsgeschäft für den Verkauf von Fan-, Lizenz- und Geschenkartikel und Accessoires“ eröffne ein breites Spektrum an z.B. (bedruckten) Kleidungsstücken, Haushaltswaren, Schmuck und Kleinigkeiten, kunstgewerblichen Gegenständen, Artikeln zur Wohnungsgestaltung, Scherzartikeln und Souvenirs sowie etwa Handtaschen, Halstüchern und Gürteln, aus dem der Mieter sein Angebot zusammenstellen und damit einer sich bietenden Konkurrenzsituation ausweichen könne. Im Umfang der äußerst vage getroffenen Zweck- und Sortimentsbestimmung sei es der Klägerin nicht zumutbar, dem Beklagten Sortiments- und Konkurrenzschutz zu gewähren, und benachteiligen die Klauseln den Beklagten nicht unangemessen.

Da jedoch die Würdigung des Kammergerichts, das Mietverhältnis sei nicht wirksam beendet worden, auf keinen tragfähigen Feststellungen beruhe, sei die Entscheidung aufzuheben und zurückzuverweisen.

Praxishinweis

Der BGH hatte kürzlich (Urteil vom 26.02.2020 - XII ZR 51/19, BeckRS 2020, 4027, mit krit. Besprechung in FD-MietR 2020, 428414) entgegen der herrschenden Ansicht in Rechtsprechung (zB OLG Naumburg, Urteil vom 15.07.2008 - 9 U 18/08) und Literatur (zB Bub in Bub/Treier Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete 5. Aufl. 2019, Kap. II Rn 1585) entschieden, dass der formularmäßige Ausschluss des Konkurrenzschutzes in einem Einkaufszentrum bei gleichzeitiger Vereinbarung einer Betriebspflicht mit Sortimentsbindung den Mieter unangemessen benachteiligt und unwirksam ist.

Wie der BGH nunmehr klarstellt – und sich auch insoweit von seinem vorgenannten Urteil abgrenzt –, sind solche Kombinationen nur dann unwirksam, wenn dem Mieter zugleich eine enge Sortimentsbindung auferlegt wird. Ob dies der Fall ist, ist stets eine Frage des Einzelfalls (BGH, Urteil vom 03.03.2010 - XII ZR 131/08, NZM 2010, 361); allein die Bestimmung ausschließlich „Fan-Artikel“ anzubieten, schränkt jedoch das Sortiment nicht ein.

BGH, Urteil vom 06.10.2021 - XII ZR 11/20 (KG), BeckRS 2021, 34237