Urteilsanalyse
Wirksamkeit der Freigabeerklärung des Testamentsvollstreckers
Urteilsanalyse
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Eine Zwischenverfügung kommt im Fall der Grundbuchberichtigung aufgrund Unrichtigkeitsnachweises nur in Betracht, wenn die Unrichtigkeit schlüssig behauptet wird und lediglich auf die Vorlage eines fehlenden Nachweises hingewirkt werden soll. Die Freigabeerklärung des Testamentsvollstreckers ist nach einem Beschluss des OLG Hamm grundsätzlich zum Nachweis der Unrichtigkeit des Grundbuchs hinsichtlich des Testamentsvollstreckervermerks ausreichend.

23. Feb 2023

Anmerkung von 
JR Dr. Wolfgang Litzenburger, Notar a.D., Mainz
       
Aus beck-fachdienst Erbrecht 02/2023 vom 20.02.2023

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Sachverhalt

Im Grundbuch war zunächst der Erblasser zu 5/6 als Miteigentümer eingetragen.

Der Erblasser verstarb 2000 und wurde aufgrund des notariellen Testaments vom 18.07.1996 beerbt von den Beteiligten zu 2) bis 4) zu gleichen Teilen, wobei der Beteiligte zu 2) Vorerbe ist. Als Nacherben bestimmte der Erblasser die leiblichen Abkömmlinge des Beteiligten zu 2) und für den Fall, dass dieser keine leiblichen ehelichen Abkömmlinge hinterlässt, die Beteiligten zu 3) und 4). Der Nacherbfall tritt nach der letztwilligen Verfügung mit dem Tod des Vorerben ein. Ferner schloss der Erblasser für den Grundbesitz die Auseinandersetzung auf die Dauer von 15 Jahren aus und ordnete befristet bis zur vollständigen Auseinandersetzung des gesamten Grundbesitzes Testamentsvollstreckung an. Der Testamentsvollstrecker habe die Aufgabe, die Auseinandersetzung unter den Miterben entsprechend den Anordnungen und den gesetzlichen Bestimmungen durchzuführen. Dabei sei er insbesondere berechtigt, die Auseinandersetzung des Nachlasses nach billigem Ermessen vorzunehmen. Der Testamentsvollstrecker habe das angeordnete Auseinandersetzungsverbot zu beachten. Für die Verwaltung des gesamten Grundbesitzes sollte der Beteiligte zu 2) allein zuständig sein.

Zum Testamentsvollstrecker bestimmte der Erblasser den Beteiligten zu 1), dem ein Testamentsvollstreckerzeugnis erteilt wurde.

Die Beteiligten zu 2) bis 4) sind aufgrund des notariellen Testaments als Eigentümer in Erbengemeinschaft hinsichtlich 5/6 Anteils im Grundbuch eingetragen worden. In Abteilung II ist hinsichtlich dieses Anteils vermerkt, dass insoweit Testamentsvollstreckung angeordnet ist, und ein Nacherbenvermerk eingetragen.

Mit Schreiben vom 05.03.2021 beantragte der Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten zu 1) bis 4) in deren Namen die Löschung des Testamentsvollstreckervermerks. Beigefügt ist die notarielle Urkunde, in der die Beteiligten zu 1) bis 4) die Löschung des Testamentsvollstreckervermerks im Grundbuch beantragen und bewilligen. Dabei wurde der Testamentsvollstrecker durch den Beteiligten zu 2) vertreten. Die Bevollmächtigung war ausweislich der Urkunde zuvor dem Verfahrensbevollmächtigten telefonisch mitgeteilt worden. In der Urkunde erklärten die Beteiligten zu 2) bis 4) ausdrücklich das Verlangen der Freigabe des Wohnungseigentums. Der Beteiligte zu 1), vertreten durch den Beteiligten zu 2), erklärte in der Urkunde die Freigabe dieses Wohnungseigentums. Am 03.03.2021 beglaubigte der Verfahrensbevollmächtigte sodann die Unterschrift des Testamentsvollstreckers unter der Vollmachtsbestätigung.

Mit einer Zwischenverfügung hat das Grundbuchamt mitgeteilt, dass dem Antrag noch nicht entsprochen werden könne, weil die Zustimmung der Nacherben zur erklärten Freigabe des Nachlassgrundstücks durch den Testamentsvollstrecker fehle. Das Grundstück unterliege gemäß § BGB § 2217 Abs. 1 BGB nur dann nicht mehr der Testamentsvollstreckung, wenn auch die Zustimmung der Nacherben vorliege.

Die Beteiligten zu 1) bis 4) haben gegen die Zwischenverfügung des Grundbuchamts Beschwerde eingelegt. Dieses hat der Beschwerde nicht abgeholfen, sondern die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

Entscheidung: Allein die Freigabeerklärung des Testamentsvollstreckers ist zum Nachweis der Urnichtigkeit des Grundbuchs hinsichtlich des Testamentsvollstreckervermerks ausreichend.

Bereits aus formellen Gründen hätte das Grundbuchamt keine Zwischenverfügung erlassen dürfen. Vielmehr hätte es - bei Aufrechterhaltung der von ihm eingenommenen Rechtsauffassung - den Antrag auf Berichtigung des Grundbuchs durch Löschung des Testamentsvollstreckervermerks zurückweisen müssen. Eine Zwischenverfügung kommt im Fall der Grundbuchberichtigung aufgrund Unrichtigkeitsnachweises nur in Betracht, wenn die Unrichtigkeit des Grundbuchs schlüssig behauptet wird und lediglich auf die Vorlage eines fehlenden Nachweises der Grundbuchunrichtigkeit hingewirkt werden soll. Wenn jedoch bei einem Berichtigungsantrag das Grundbuch (noch) nicht unrichtig ist, muss der Antrag zurückgewiesen werden

In der Sache vertritt der Senat eine andere Auffassung als das Grundbuchamt. Der für die Löschung des Testamentsvollstreckvermerks erforderliche Unrichtigkeitsnachweis ist bereits durch die Freigabeerklärung des Beteiligten zu 1) geführt worden. Denn sowohl diese Erklärung als auch die zuvor erteilte Vollmacht, deren Bestätigung öffentlich beglaubigt wurde, sind dem Grundbuchamt in der Form des § 29 GBO nachgewiesen worden.

Der Testamentsvollstrecker konnte die Vollmacht zur Freigabe auch wirksam erteilen. Der Vollmachtserteilung steht § 2218 Abs. 1 BGB i.V.m. § 664 Abs. 1 Satz 1 BGB, wonach der Beauftragte im Zweifel die Ausführung des Auftrags nicht einem Dritten übertragen darf, nicht entgegen. § 664 Abs. 1 Satz 1 BGB findet auf die Erteilung einer Spezialvollmacht keine Anwendung, weil es sich schon nicht um eine „Übertragung“ der Geschäfte, auf die sich die Vollmacht bezieht, im Sinne dieser Norm handelt (KG BeckRS 2018, 29931). Eine solche setzt vielmehr voraus, dass der Erst-Beauftragte unter Substituierung eines anderen (partiell) aus seiner Stellung ausscheidet. Demgegenüber hat die Erteilung einer Vollmacht keine verdrängende Wirkung, so dass der Testamentsvollstrecker nicht durch den Bevollmächtigten ersetzt wird (Strobel ZEV 2020, 589). Die Bevollmächtigung scheitert auch nicht an § 181 BGB, da die Vollmacht gem. §§ 133, 157 BGB dahingehend auszulegen ist, dass eine konkludente Befreiung vom Verbot des Insichgeschäfts vorliegt. Andernfalls liefe die Bevollmächtigung ins Leere.

Die in der Urkunde enthaltene Formulierung, dass gem. § 2217 BGB die Freigabe des Grundbesitzes aus der Testamentsvollstreckung erklärt wird, macht hinreichend deutlich, dass der Testamentsvollstrecker den Grundbesitz endgültig zugunsten der Erben in der Weise aufgeben wollte, dass diese im Rechtsverkehr ohne seine Inanspruchnahme darüber verfügen können (vgl. OLG Hamm OLGZ 1973, 258).

Allein infolge dieser Freigabeerklärung unterliegt der Grundbesitz nicht mehr der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Testamentsvollstreckers (§ 2217 Abs. 1 Satz 2 BGB). Bei der Freigabe handelt es sich um ein einseitiges, abstraktes, dingliches Rechtsgeschäft, das in einer empfangsbedürftigen Verzichtserklärung des Testamentsvollstreckers auf sein Verwaltungs- und Verfügungsrecht über den Nachlassgegenstand besteht (Weidlich ZEV 2021, 492, 497; a.A. (noch) OLG Hamm OLGZ 1973, 258: gemischter Realakt). Die Freigabe wirkt damit dinglich und ist im Außenverhältnis ohne Rücksicht auf ihre Zulässigkeit wirksam. Ihre Wirkung tritt unabhängig davon ein, ob die Voraussetzungen des § 2217 Abs. 1 Satz 1 BGB vorgelegen haben. Diese Norm betrifft lediglich die Freigabeverpflichtung des Testamentsvollstreckers, nicht aber seine Berechtigung zur Freigabe von Nachlassgegenständen an die Erben, so dass die dingliche Wirkung der Freigabeerklärung auch bei einem pflichtwidrigen Handeln des Testamentsvollstreckers eintreten würde (BGH NJW-RR 2017, 974, 975 Rn. 17).

Die Befugnis des Testamentsvollstreckers zur Abgabe der Freigabeerklärung ist auch nicht durch die Nacherbeneinsetzung beschränkt. Die Belange des Nacherben sind durch den nach § 51 GBO eingetragenen Nacherbenvermerk ausreichend geschützt.

Eine Zustimmung sämtlicher Erben - einschließlich etwaiger Nacherben - zur dinglichen Wirksamkeit der Freigabeerklärung ist hier auch nicht ausnahmsweise deswegen erforderlich, weil vom Erblasser angeordnete Verbote und Einschränkungen der Freigabebefugnis des Testamentsvollstreckers als dinglich wirkende Verfügungsbeschränkungen im Sinne von §§ 2208, 2205 BGB zu verstehen sind (BGH NJW 1971, 1805, 1807). Denn entsprechende Anordnungen des Erblassers fehlen. Vor allem ist der Zeitraum von 15 Jahren für das von ihm angeordnete Auseinandersetzungsgebot abgelaufen.

Praxishinweis

Mit diesem Beschluss bekräftigt der Senat die in §§ 2205, 2208 BGB vom Gesetzgeber postulierte Unabhängigkeit des Testamentsvollstreckers gegenüber den Erben, einschließlich der Nacherben. Zwar hat dieser gemäß § 2217 Abs. 1 Satz 1 BGB die Freigabe „auf Verlangen“ der Erben zu erklären, doch hat der Senat völlig zu Recht erkannt, dass er diese in eigener Verantwortung selbst dann veranlassen kann, wenn nicht alle Erben und Nacherben dies fordern. § 2217 Abs. 1 BGB regelt nur den Anspruch auf Freigabe der Erben, aber nicht das Recht zur Freigabe des Testamentsvollstreckers. Dieses wird einzig und allein durch den Erblasserwillen begrenzt (§ 2208 BGB). Da im zu entscheidenden Fall das Auseinandersetzungsverbot von 15 Jahren im Zeitpunkt der Entscheidung bereits abgelaufen war, stand dieses der Freigabe nicht mehr entgegen. Andernfalls hätte der Testamentsvollstrecker nach höchstrichterlicher Rechtsprechung sehr wohl die Zustimmung der Erben benötigt.

Zu begrüßen an dieser Entscheidung ist auch, dass der Senat unter Aufgabe einer früheren Rechtsauffassung sich dazu bekannt hat, dass es sich bei der Freigabe um ein einseitiges abstraktes Rechtsgeschäft, das in einer empfangsbedürftigen Verzichtserklärung des Testamentsvollstreckers auf sein Verwaltungs- und Verfügungsrecht über den Nachlassgegenstand besteht, handelt. Folgerichtig wirkt sie dinglich und ist im Außenverhältnis grundsätzlich ohne Rücksicht auf ihre interne Zulässigkeit wirksam. Das Grundbuchamt hat diese also ohne weitere Vorbedingung zu vollziehen, es sei denn, es sind ihm Tatsachen bekannt, die auf einen entgegenstehenden Erblasserwillen gemäß § 2208 BGB schließen lassen, insbesondere letztwillig angeordnete Auseinandersetzungsverbote oder -beschränkungen.

Zu guter Letzt ist zu begrüßen, dass der Senat die vom Grundbuchamt in Zweifel gezogene Befugnis des Testamentsvollstreckers zur Bevollmächtigung bei der Freigabeerklärung entschieden zurückgewiesen hat. Selbstverständlich muss ein Testamentsvollstrecker berechtigt sein, einzelne Angelegenheiten durch Bevollmächtigte erledigen zu lassen, und zwar auch gegenüber Gerichten. Gegenüber dem Grundbuchamt bedarf eine derartige Vollmacht der Form des § 29 GBO. Dabei handelt es sich keinesfalls um eine verdrängende Aufgabenübertragung, sondern um eine rechtlich ohne weiteres zulässige Spezialvollmacht. Gut ist auch, dass sich der Senat nicht der engen Auffassung des Grundbuchamts angeschlossen hat, dass mangels ausdrücklicher Erwähnung der Befreiung vom Verbot des § 181 BGB die Vollmacht auf einen beteiligten Miterben deshalb unwirksam sei. Dieser formalistischen Argumentation, die übrigens in vielen Grundbuchverfahren zu beobachten ist, tritt er mit einer sinnorientierten Auslegung gemäß §§ 133, 157 BGB entgegen: welchen Sinn macht eine grundsätzlich zulässige Vollmachtserteilung, wenn sie dann an § 181 BGB scheitert? Der wirkliche Wille des Testamentsvollstreckers kann deshalb nur dahin gehen, dass der Bevollmächtigte auch von diesen Beschränkungen - konkludent - befreit sein soll.

OLG Hamm, Beschluss vom 31.01.2023 - 15 W 269/22, BeckRS 2023, 1434