NJW-Editorial
Willkommener Sündenbock
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Warum funktioniert die deutsche Geldwäschebekämpfung nicht? Der Sündenbock scheint ausgemacht: Die Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen (Financial Intelligence Unit – FIU). Für die Politik ist das praktisch, aber auch perfide: Der zentrale Grund für die Probleme des Geldwäschemeldesystems liegt in einer Gesetzgebung, die einem evident gescheiterten Konzept der Geldwäschebekämpfung folgt und dabei Schäden für Verwaltung, Justiz und Gesellschaft ausblendet.

30. Sep 2021

Warum funktioniert die deutsche Geldwäschebekämpfung nicht? Ganz einfach: Weil die Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen (Financial Intelligence Unit – FIU) die Vorgaben des Geldwäschegesetzes verletzt! Das BMJV hat das BMF ausdrücklich wegen mangelhafter Unterstützung der Strafverfolgung gerügt und eine effektive Rechtsaufsicht angemahnt. § 32 II 1 GwG regelt nämlich die Pflicht der FIU, ihre Analysen von Geldwäscheverdachtsanzeigen an die Strafverfolgungsbehörden zu übermitteln, soweit sich Hinweise auf irgendeine Straftat ergeben. Wegen Unterlassens solcher Meldungen ermittelt die Staatsanwaltschaft Osnabrück laut eigener Pressemitteilung vom 10.9.2021 bereits „seit 2020 [sic!] gegen die FIU“ und hat bei BMJV und BMF durchsuchen lassen.

Politisch ist es ausgesprochen praktisch, wenn die Schuldigen schon vor der Untersuchung des Problems feststehen. Der FIU vorzuwerfen, sie sabotiere die Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung, ist leicht, aber auch perfide: Der zentrale Grund für die Probleme des Geldwäschemeldesystems liegt in einer Gesetzgebung, die einem evident gescheiterten Konzept der Geldwäschebekämpfung folgt und dabei Schäden für Verwaltung, Justiz und Gesellschaft ausblendet. Insbesondere Banken zeigen in einem Klima der Unsicherheit jeden Fall an, der irgendwie ungewöhnlich erscheinen könnte, und ersticken die FIU in zum Teil haltlosen Verdachtsmeldungen. Während früher die Meldepflichtigen die Geldwäscheverdachtsfälle auswählten und die Risiken in ihrem Geschäftsfeld leidlich beurteilen konnten, muss nun die Behörde diese Arbeit erledigen. Die Zahl der Meldungen steigt stetig, während ihre Qualität rapide sinkt. Die FIU sucht nun nicht mehr die Nadel im Heuhaufen, sondern in einem großen Haufen ähnlicher Nadeln. Ohne eine großzügige Anwendung des unionsrechtlich schon seit vielen Jahren vorgeschriebenen risikobasierten Ansatzes ist sie dabei zum Scheitern verurteilt. Ihr nun vorzuwerfen, sie übermittele nicht alle notwendigen Daten zu strafrechtlichen Verdachtssachverhalten, ist so realitätsfern wie scheinheilig. Ein strafrechtlicher Vorwurf ergibt sich aus einer unterlassenen Mitteilung nur, wenn in der FIU die strafrechtliche Relevanz des Sachverhalts erkannt worden ist, nicht aber, wenn der Sachverhalt durch das Raster des risikobasierten Ansatzes fällt. Ein Verstoß gegen § 32 II 1 GwG liegt darin auch nicht: Nur wer um Hinweise auf Straftaten weiß, muss sie übermitteln. Daher ist weniger die Vorgehensweise der FIU als mehr die Kritik des BMJV „rechtlich äußerst fraglich“. Und mit Geldwäschebekämpfung hat das auch nichts zu tun, weil es um andere Straftaten geht.

Für das BMF, das im Jagdeifer jede sinnvolle Gesetzgebung gegen Geldwäsche boykottieret hat, mag gelten: „Die ich rief, die Geister, werd’ ich nun nicht los.“ Die FIU ist in dieser Posse aber nur ein willkommener Sündenbock. •

Prof. Dr. Jens Bülte lehrt Straf-, Strafprozess-, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht an der Universität Mannheim.