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Wie die Ferienzeit die Justiz beschäftigt
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Es herrscht Ferienzeit: Unsere obersten Bundesgerichte und der EuGH haben für die 31. Kalenderwoche keine Termine angekündigt. Auch wenn der Betrieb hinter den Kulissen sicherlich weitergeht und für allfällige Eilfälle genug Richter in Bereitschaft sind. Ein Grund also, in dieser Rubrik ausnahmsweise nicht nach vorn, sondern zurück zu schauen: Auf die juristische Stolperfallen, die Urlaub und Reisen mit sich bringen können und die Gerichte wieder beschäftigen dürften.

29. Jul 2021

Flugverbot. So können die großen Schulferien für Konflikte sorgen, die dann die Familiengerichte lösen müssen. Einen aufregenden Beginn der freien Tage hatte eine Patchwork-Familie, die fast vollzählig nach Thailand fliegen wollte. Das Ehepaar war geschieden; die Mutter zweier Kinder hatte das Obhuts-, der Vater ein von einem Gericht gebilligtes Umgangsrecht, das auch eine Ferienregelung einschloss – in den geraden Kalenderjahren durfte er die minderjährigen Sprösslinge in den letzten drei Ferienwochen zu sich nehmen. Im Jahr 2016 wollte er mit den beiden sowie seiner neuen Ehefrau und deren Sohn als auch mit dessen Vater in ein Baderessort in Thailand reisen. Die Ex-Gattin stimmte per Mail zu, widerrief dies aber, nachdem in dem Königreich Bombenanschläge verübt worden waren – freilich Hunderte Kilometer entfernt. Dennoch stand ihr früherer Ehemann bei ihr auf der Matte und holte den Nachwuchs ab. Die Frau eilte zur Rechtsantragsstelle bei einem der Berliner Amtsgerichte, aber die Familienrichterin lehnte ihren Antrag auf einstweilige Anordnung ab, ohne den Mann angehört zu haben. Parallel dazu marschierte auch der Vater des Stiefsohns mit einem gegenteiligen Begehren zu einem anderen Amtsgericht, das ebenfalls nicht einschreiten wollte. Was die Mutter beides verschwieg, als sie abends die Bundespolizei alarmierte, die am kommenden Morgen wunschgemäß ein Ausreiseverbot aussprach. Das KG vergatterte die Mutter deshalb zum Schadensersatz für die Buchung eines neuen Urlaubs. Die Richter stuften ihr Verhalten sogar als vorsätzliche sittenwidrige Schädigung ein, weil sie ihre formale Rechtsposition als „Obhutselternteil“ missbraucht habe, was besonders verwerflich erscheine (NJW 2020, 2415). Anders als etwa bei einem Reiseziel in einem Corona-Gebiet habe es sich hier weder um ein Krisengebiet gehandelt, noch habe eine Warnung des Auswärtigen Amts vorgelegen. Ihre Sorgen seien zwar legitim gewesen, doch habe sie „mehr oder weniger Faustrecht“ ausgeübt.

Hortbetreuung. Auch im Verwaltungsrecht spielen die Sommerferien eine Rolle. Das OVG Berlin-Brandenburg hat einem Sechstklässler – und damit faktisch dessen Eltern – einen Anspruch auf Hortbetreuung zugesprochen. Dabei stützte es sich auf eine Vorschrift im Brandenburger Kitagesetz, wie es sie so oder ähnlich auch in anderen Bundesländern gibt. Die Eltern konnten sich demnach berufsbedingt um ihren Sohn nach der Schule nicht selbst kümmern: Der Vater sei täglich rund zwölf Stunden abwesend, die Mutter habe eine Kernarbeitszeit bis 16 Uhr sowie viele Termine am Nachmittag; zudem müsse sie auf dem Heimweg zunächst ihr jüngeres Kind abholen. Den Richtern erschien daher eine Hortbetreuung insbesondere während der sechswöchigen Sommerferien und der zweiwöchigen Herbstferien erforderlich, sofern der Junge keine gemeinsame Urlaubszeit mit seinen Eltern verbringt (NJW 2015, 1707).

Fahrverbot. Kann eine Lehrerin durch Zubilligung der Abgabefrist von § 25 II lit. a StVG das Fahrverbot in die bevorstehenden Sommerferien verschieben, kommt ein Absehen von der Fahrverbotsanordnung wegen beruflicher Härten nicht in Betracht. Mit diesem Entscheid erleichterte das AG Lüdinghausen einer verheirateten Gymnasiallehrerin mit zwei kleinen Kindern das Berufsleben (NJW 2005, 3159).

Prof. Dr. Joachim Jahn ist Mitglied der NJW-Schriftleitung.