Rechtsanwalt Dr. Michael Lojowsky, Fachanwalt für Insolvenzrecht, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, Schultze & Braun Rechtsanwaltsgesellschaft für Insolvenzverwaltung mbH
Aus beck-fachdienst Insolvenzrecht 14/2022 vom 07.07.2022
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Sachverhalt
Über das Vermögen des im Jahr 1950 geborenen Klägers, der seit 1981 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen und als Einzelanwalt tätig war, wurde mit Beschluss des Amtsgerichts (Insolvenzgerichts) vom 1.12.2015 das Insolvenzverfahren eröffnet. Mit Bescheid vom 22.4.2016 widerrief die zuständige Rechtsanwaltskammer, die hiesige Beklagte, seine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO). Der Anwaltsgerichtshof hat die dagegen erhobene Klage des Klägers abgewiesen. Nunmehr beantragt der Kläger die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs. Außerdem hat er im Laufe des Zulassungsverfahrens einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe gestellt.
Entscheidung
Der Senat für Anwaltssachen am Bundesgerichtshof hat sich der Vorinstanz angeschlossen und bestätigt, dass der Kläger die durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründete Vermutung seines Vermögensverfalls nicht widerlegt habe.
Im Falle eines Insolvenzverfahrens sei die gesetzliche Vermutung des Vermögensverfalls nach ständiger Senatsrechtsprechung erst dann widerlegt, wenn ein vom Insolvenzgericht bestätigter Insolvenzplan oder angenommener Schuldenbereinigungsplan vorliege, bei dessen Erfüllung der Schuldner von seinen übrigen Forderungen gegenüber den Gläubigern befreit würde. Dabei sei allein auf den Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Widerrufsverfahrens, also auf den Erlass des Widerspruchsbescheids oder - wenn das nach neuem Recht grundsätzlich vorgeschriebene Vorverfahren entbehrlich ist - auf den Ausspruch der Widerrufsverfügung abzustellen. Die Beurteilung danach eingetretener Entwicklungen sei einem Wiederzulassungsverfahren vorbehalten. Vorliegend habe der Kläger diese Voraussetzungen aber bis zum Erlass des Beschlusses dieser Entscheidung nicht erfüllt, so dass eine Beurteilung obsolet gewesen sei. Darüber hinaus sei es unerheblich, dass der Eröffnungsbeschluss des Insolvenzgerichts im Zeitpunkt des Zulassungswiderrufs noch nicht rechtskräftig gewesen sei. § 14 Abs. 2 Nr. 7 Hs. 2 BRAO setze bereits nach seinem Wortlaut keine Rechtskraft des Eröffnungsbeschlusses voraus. Dem Eröffnungsbeschluss des Insolvenzgerichts komme ebenso wie Schuldtiteln und Zwangsvollstreckungsmaßnahmen von Vollstreckungsorganen im Widerrufsverfahren eine Tatbestandswirkung zu. Die Rechtmäßigkeit der Entscheidung werde im Widerrufsverfahren nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO nicht überprüft; etwaige Fehler seien nicht im Widerrufsverfahren, sondern in dem dafür vorgesehenen Verfahren, d.h. hier im Wege der vom Kläger gegen den Beschluss erhobenen sofortigen Beschwerde, geltend zu machen.
Auch dass der Insolvenzverwalter die selbständige Erwerbstätigkeit des Klägers sowie dessen Wohnung unmittelbar nach der Verfahrenseröffnung aus der Insolvenzmasse freigegeben habe, führe nicht zu einer Heilung des Vermögensverfalls. Die Freigaben hätten nichts an der Schuldenlage des Klägers geändert und überdies dazu geführt, dass seine Gläubiger wieder Zugriff auf diesen Teil seines Vermögens nehmen konnten.
Zudem liege eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden vor. Nach der gesetzlichen Wertung sei mit dem Vermögensverfall eines Rechtsanwalts grundsätzlich eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verbunden. Ausnahmsweise sei dies nicht der Fall, wenn der Rechtsanwalt seine anwaltliche Tätigkeit nur noch für eine Rechtsanwaltssozietät ausübe und rechtlich abgesicherte Maßnahmen verabredet seien, die eine Gefährdung der Mandanten effektiv verhinderten. Selbst auferlegte Beschränkungen des in Vermögensverfall geratenen Rechtsanwalts seien dagegen grundsätzlich nicht geeignet, eine Gefährdung der Rechtsuchenden auszuschließen.
Praxishinweis
Zwischen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens sowie des Widerrufs der Zulassung wegen Vermögensverfalls lagen hier über vier Monate. In der Zwischenzeit wäre es unproblematisch gewesen, eine Einigung mit den Gläubigern im Wege eines Insolvenzplans zu treffen. Ansonsten können die Vermögensverhältnisse des Schuldners nach herrschender Meinung erst dann wieder als geordnet angesehen, wenn der Schuldner mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens und der Anordnung der Restschuldbefreiung, das Recht zurückerhält, über die Insolvenzmasse frei zu verfügen (§ 259 Abs. 1 Satz 2 InsO) oder ein vom Insolvenzgericht angenommenen Schuldenbereinigungsplan (§ 308 InsO) vorliegt. Ein schnell erstellter und vom Insolvenzgericht bestätigter Insolvenzplan kann den Widerruf der Zulassung trotz der Wirkung des Insolvenzverfahrens verhindern, eine ununterbrochene Fortsetzung der beruflichen Tätigkeit ermöglichen und dadurch zu einer bestmöglichen Gläubigerbefriedigung beitragen. Eine Schädigung der Reputation des Betroffenen kann damit minimiert werden.
BGH, Beschluss vom 19.04.2022 - AnwZ (Brfg) 39/21 (AGH Celle), BeckRS 2022, 12912