Kolumne
Wertschätzung, 2. Aufl.
Kolumne
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© Frank Eidel

Das mit dem Legal Tech, das war schon ganz schön Hype, jetzt kann man es ja sagen. Wusste auch keiner so recht, was das alles bedeutet. Anwälte, traditionell zurückhaltend und skeptisch, waren hier besonders misstrauisch. Wie man die vielen Konferenzen und Zukunftskongresse unter einen Hut bekommen sollte, auf denen es dauernd um dieses Thema ging, war auch nicht klar.

1. Nov 2022

Die Pandemie hat hier wie überall für neue Verhältnisse gesorgt, manche Sachen sind verschwunden, man vermisst sie nicht. Aber das Thema ist noch da, anders allerdings. Hype-Cycles durchlaufen immer gleiche Phasen: Nach dem Höhepunkt der völlig überzogenen Erwartungen (Anwälte werden durch Roboter ersetzt) geht der Weg immer durch das Tal der Enttäuschungen (Kommt da außer Flugverspätungen noch was?) über den Hang der Erleuchtung (sieh mal, geht doch) auf das Plateau der Produktivität, wenn man verstanden hat, welche Rolle Legal Tech spielt, was Software kann und was nicht. Wo wir, die Anwaltschaft, derzeit sind, weiß man nicht, manchmal könnte man meinen, das neue beA für Kanzleien binde alle unsere digitalen Energien, aber das dauert ja hoffentlich nicht ewig.

Schon während der Pandemie hatte sich der Blick geändert und richtete sich auf die Justiz, Stichwort Videoverhandlung und die Renaissance von § 128a ZPO. Es scheint, als bekomme die Justiz im Moment die Aufmerksamkeit, die ihr schon seit Langem zusteht, die sie aber nur an Sonn- und Feiertagen bekommt, aber nicht, wenn es drauf ankommt. Leser dieser Kolumne erinnern sich natürlich an den Beitrag aus dem Jahr 2017, in dem das bereits gerügt wurde. Gemeint ist die personelle und sächliche Ausstattung, gerade was die Digitalisierung angeht. In diesem Jahr gibt es mehrere Konferenzen der Legal-Tech-Szene, auch zusammen mit Universitäten, in denen es darum geht, wie die Justiz angesichts einer unbefriedigenden Sachausstattung und vor der anstehenden Pensionierungswelle der Boomer-Generation unfallfrei durch die digitale Transformation kommt; nicht immer völlig freiwillig, manchmal fühlt es sich an, als würde man einen Elefanten anschieben wollen. Aber an der Digitalisierung führt kein Weg vorbei. In einigen Bundesländern gibt es hochinteressante Pilotprojekte, man wundert sich, was plötzlich alles geht. Immerhin soll die Infrastruktur Anfang 2026 bundesweit den digitalen Rechtsverkehr ermöglichen, einschließlich E-Akte. Hat ja auch lange genug gedauert, das entsprechende Gesetz stammte aus dem Jahr 2016. Da, wo es jetzt schon läuft, sind alle zufrieden. Wenn man dann realisiert, was für eine Ressourcenverschwendung die traditionelle analoge papiergebundene Justiz betreiben muss, fragt man sich schon, warum es alles so lange dauern musste, aber egal.

Die Justiz verdient hohe Wertschätzung, ich erwähnte es bereits. Lippenbekenntnisse sind nicht ausreichend. Wir müssen uns aktiv um sie kümmern. Es ist wie in jeder guten Beziehung.

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Markus Hartung ist Rechtsanwalt und Mediator in Berlin, Senior Fellow des Bucerius Center on the Legal Profession und Mitglied des Berufsrechtsausschusses des DAV.