Urteilsanalyse
Wert des Beschwerdegegenstands bei Mieterklage auf Erteilung einer ordnungsgemäßen Nebenkostenabrechnung nach Bruchteil des geschätzten Rückzahlungsanspruchs zu schätzen
Urteilsanalyse
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Begehrt ein Mieter mit dem Rechtsmittel eine Verurteilung des Vermieters zur Erteilung einer ordnungsgemäßen Nebenkostenabrechnung, bemisst sich laut BGH der Wert des geltend gemachten Beschwerdegegenstands gemäß §§ 2, 3 ZPO nach dem Interesse des Mieters an einem sich möglicherweise aus der Abrechnung ergebenden Rückzahlungsanspruch. Da der Mieter jedoch nur einen vorbereitenden Anspruch auf Rechnungslegung und damit auf Auskunft geltend macht, ist lediglich ein Bruchteil des Zahlungsanspruchs in Ansatz zu bringen. Insoweit gilt für Mietverhältnisse über Gewerberäume derselbe Maßstab wie bei Wohnräumen.

12. Okt 2022

Anmerkung von
Rechtsanwalt Dr. Hans-Jochem Mayer, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Bühl

Aus beck-fachdienst Vergütungs- und Berufsrecht 20/2022 vom 06.10.2022

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Sachverhalt

Die Kläger hatten eine Wohnung und Büroräume für ihre gewerbliche Tätigkeit gemietet. Auf ihre Klage auf Erteilung von Nebenkostenabrechnung für das Jahr 2015 legte der Vermieter für beide Mietverhältnisse Abrechnungen vor, die Guthabenbeträge von 364 EUR für die Wohnung und 808 EUR für die Gewerberäume auswiesen. Die Kläger waren der Auffassung, ihr Anspruch auf ordnungsgemäße Abrechnung sei noch nicht erfüllt. Das AG wies die Klage ab und ließ die Berufung nicht zu. Nach vorherigem Hinweis auf das Nichterreichen der Berufungssumme verwarf das LG die Berufung der Kläger. Dagegen legten die Kläger Rechtsbeschwerde ein. 

Entscheidung: Interesse des Mieters an sich möglicherweise ergebenden Rückzahlungsanspruch maßgeblich

Die Beschwerde hatte keinen Erfolg.

Bei einem Kläger, dessen Klage in erster Instanz abgewiesen worden sei und der sein Begehren in vollem Umfang weiterverfolge, sei sein wirtschaftliches Interesse am Erfolg seines Rechtsmittels regelmäßig identisch mit dem Wert seiner Klage. Begehre ein Mieter mit dem Rechtsmittel eine Verurteilung des Vermieters zur Erteilung einer ordnungsgemäßen Nebenkostenabrechnung, bemesse sich der Wert des geltend gemachten Beschwerdegegenstands gemäß §§ 2, 3 ZPO nach dem Interesse des Mieters an einem sich möglicherweise aus der Abrechnung ergebenden Rückzahlungsanspruch. Da der Mieter jedoch nur einen vorbereitenden Anspruch auf Rechnungslegung und damit auf Auskunft geltend mache, sei lediglich ein Bruchteil des Zahlungsanspruchs anzusetzen. Insoweit gelte für Mietverhältnisse über Gewerberäume derselbe Maßstab wie bei Wohnräumen.

Das LG habe bei der Wertbemessung rechtlich beanstandungsfrei zunächst auf die Summe der Guthabenbeträge abgestellt, die aus den vorgelegten Abrechnungen hervorgingen. Zwar sei die Frage, ob der Beklagte hiermit ordnungsgemäße Nebenkostenabrechnungen erteilt habe und damit Erfüllung eingetreten sei, zwischen den Parteien streitig und Gegenstand der hier nicht maßgeblichen Begründetheit der Klage. Auch sei die inhaltliche Prüfung der Richtigkeit der erteilten Abrechnungen im vorliegenden Zusammenhang nicht vorwegzunehmen. Indes hätten die Kläger auf den Hinweis des LG, es bestehe Gelegenheit, im Hinblick auf den Beschwerdewert ergänzend vorzutragen und insbesondere Angaben zu den in den Vorjahren angefallenen Betriebskosten zu machen, erwidert, dass solche Erfahrungswerte nicht bestünden und stattdessen die in den vorgelegten Abrechnungen genannten Guthabenbeträge zugrunde gelegt werden könnten. Danach sei es nicht rechtsfehlerhaft, dass sich das LG auf diese Beträge gestützt habe. Auch die Bemessung mit einem Viertel des Anspruchs sei nicht zu beanstanden.  

Praxishinweis

Die Entscheidung des BGH liegt auf seiner bisherigen Linie (vgl. BGH, Beschluss vom 10.01.2017 - VIII ZR 98/16, NZM 2017, 358). Der Streitwert einer Abrechnungsklage bemisst sich nach dem Interesse des Mieters an einem sich nach ordnungsgemäßer Abrechnung möglicherweise ergebende Rückzahlungsanspruch, der gegebenenfalls nach Erfahrungswerten zu schätzen und mangels konkreter Anhaltspunkt in der Regel nur mit einem Bruchteil der geleisteten Vorauszahlungen anzusetzen ist. Dieses Interesse ist auch die Rechtsmittelbeschwer des Mieters, während sich der Wert des Beschwerdegegenstandes für den Vermieter nach dem Aufwand an Zeit und Kosten für die Erstellung der Abrechnung richtet (Lehmann-Richter in Schmidt-Futterer Mietrecht 15. Aufl. 2021 BGB § 556 Rn. 483).


BGH, Beschluss vom 24.08.2022 - XII ZB 548/20 (LG Wuppertal), BeckRS 2022, 24679