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Was das neue Jahr an Rechtsänderungen bringt
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Neues Jahr, neue Gesetze – das gilt in Abwandlung des alten Casino-Mottos, das Glück im Spiel verheißen soll, für leidgeprüfte Rechtsanwender. Für 2024 hat die ­Politik Juristen und Bürgern wieder eine Flut von ­Änderungen aufgebürdet.

21. Dez 2023

Statt der üblichen Wochenvorschau also diesmal ein Ausblick aufs ganze neue Jahr. Platz ist in dieser „Agenda“ allerdings nur für eine Auswahl; Ergänzendes finden Sie wie stets in unserer festen Rubrik „Gesetzgebung“ auf Seite 8 der aktuellen NJW. Vieles ist sogar noch immer in der Schwebe, denn die Ampel-Koalition im Bund hat so viele Baustellen, dass diverse Vorhaben es entgegen dem ursprünglichen Zeitplan nicht mehr rechtzeitig vor den Silvesterböllern durch die finale Lesung im Bundestag schaffen können.

So steht das „Wachstumschancengesetz“ ebenso auf der Verlustliste wie Reformen bei Einbürgerungen und Abschiebungen sowie die (begrenzte) Entkriminalisierung des Cannabis-Konsums. Erst am Bundesrat gescheitert sind überdies – jedenfalls vorerst – auf den allerletzten Metern zwei für unsere Leserschaft besonders spannende Projekte: Die Länderkammer schickte am vergangenen Freitag die digitale Dokumentation von Strafprozessen, die vor einem LG oder OLG beginnen, in den Vermittlungsausschuss. Dasselbe Schicksal ereilte die Ausweitung von Videoverhandlungen vor Zivil-, Verwaltungs- und Finanzgerichten (begrenzt auch vor Arbeits- und Sozialgerichten), die gleich am Jahresersten hatte in Kraft treten sollen. Falls die Unterhändler von Bundestag und Bundesrat keinen Kompromiss auf den Weg bringen, kann Letzterer Einspruch gegen die beiden Gesetze einlegen – den kann das Parlament aber anschließend überstimmen.

Bis 1.1.​2024 müssen sich alle zur Geldwäscheprävention Verpflichteten beim Meldeportal „goAML Web“ registrieren, um die vorgeschriebenen Verdachtsmeldungen an die FIU abgeben zu können (§§ 45 I 2 GwG). Das gilt für alle Branchen und kann auch Rechtsanwälte betreffen – etwa wenn sie für Mandanten am Kauf und Verkauf von Immobilien oder Gewerbebetrieben mitwirken (§ 2 I Nr. 10 GwG).

Am Neujahrstag tritt ebenso das überarbeitete Gebäudeenergiegesetz (GEG) in Kraft, das unter dem Namen Heizungsgesetz für reichlich Zoff gesorgt hat. Von da an dürfen in frisch errichteten Häusern innerhalb von Neubaugebieten nur noch Heizungen installiert werden, die auf 65 % erneuerbaren Energien basieren. Für bestehende Gebäude und Neubauten, die in Baulücken errichtet werden, sind Übergangsfristen vorgesehen.

Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, das zunächst nur für Unternehmen mit mindestens 3.000 Beschäftigten im Inland galt, wird ab 1.000 Arbeitnehmern verbindlich. In absehbarer Zeit dürfte das Regelwerk aber von deutlich strengeren Vorgaben der EU überholt werden, auf die sich vergangene Woche Unterhändler des Europaparlaments und der Mitgliedstaaten ge­einigt haben.

Zum Jahresbeginn wird ferner der ge­setzliche Mindestlohn von 12 Euro auf 12,41 Euro brutto pro Stunde angehoben (ein Jahr später dann auf 12,82 Euro). Dementsprechend steigt die Minijobgrenze auf 538 Euro. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) äußerte allerdings, dass er die von der Mindestlohnkommission gegen die Stimmen der Gewerkschaften vorgegebene Anhebung für zu niedrig halte.

Schlechte Nachricht für Restaurant- und Kneipenbesucher: Um die Gastronomie in der Corona-Krise zu päppeln, hatte die Politik den Mehrwertsteuersatz für Speisen, die vor Ort verzehrt werden, befristet auf 7 % gesenkt. Künftig sind wieder 19 % fällig.

Auch gelten von diesem Stichtag an neue Regeln insbe­sondere für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) durch das Gesetz zur Modernisierung des Personen­gesellschaftsrechts (MoPeG) – und zwar ohne Übergangsregelung. So bestimmt § 705 II BGB nF für GbR, die am Rechtsverkehr teilnehmen, deren Rechtsfähigkeit als Regelfall; sie können damit auf ausdrücklicher Gesetzesgrundlage Träger von Rechten und Pflichten sein. § 707 BGB ermöglicht eine Eintragung ins Gesellschaftsregister, dann wird daraus eine eGbR. Eingeführt wird zugleich ein am Aktienrecht orientiertes ­Beschlussmängelrecht. Begrenzt geöffnet wird überdies (unter bestimmten Bedingungen) insbesondere die GmbH & Co. – eigentlich ein Handelsgewerbe – für Freiberufler.

Prof. Dr. Joachim Jahn ist Mitglied der NJW-Schriftleitung.