Anmerkung von
Richter am KG Dr. Oliver Elzer, Berlin
Aus beck-fachdienst Zivilverfahrensrecht 05/2021 vom 05.03.2021
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Sachverhalt
B1 und B2 sind Miteigentümer eines Grundstücks. Auf Antrag von B1 ordnet das Vollstreckungsgericht die Zwangsversteigerung zur Aufhebung ihrer Gemeinschaft an. Im Jahr 2015 bestellt das Vollstreckungsgericht auf Antrag des B1 für B2 gem. § 57 ZPO einen Prozesspfleger. Anträge des B2 auf Abberufung des Pflegers lehnt es ab und bestimmt einen Versteigerungstermin. Die Terminbestimmung wird nur dem Prozesspfleger zugestellt. Im Versteigerungstermin, in dem B2 nicht anwesend gewesen ist, erteilt das Vollstreckungsgericht B4 und B5 auf deren Bargebot den Zuschlag. Der Zuschlagsbeschluss wird dem Prozesspfleger am 27.11.2018 zugestellt und B2 formlos übersandt. Am 11.2.2019 stellen B4 und B5 im Rahmen der Räumungsvollstreckung den Zuschlagsbeschluss durch die Gerichtsvollzieherin B2 durch Einlegung in den Briefkasten zu. B2 meint, die Voraussetzungen für die Bestellung des Prozesspflegers hätten nicht vorgelegen. Er legt daher mit anwaltlichem Schriftsatz sofortige Beschwerde gegen den Zuschlagsbeschluss ein. Das LG verwirft die Beschwerde als unzulässig und lässt die Rechtsbeschwerde zu. Nach LG-Ansicht ist die Beschwerde unzulässig, weil sie nicht fristgerecht eingelegt worden sei. Dem stimmt der BGH im Ergebnis zu (eine Heilung nach § 189 ZPO, die das LG angenommen hatte, lehnt er ab: Einen Willen, an B2 persönlich zuzustellen, habe das Vollstreckungsgericht nicht gehabt).
Entscheidung: Die Bestellung eines Prozesspflegers ende nicht von selbst!
Wenn ein Verfahrensbeteiligter, für den ein besonderer Vertreter nach § 57 ZPO (Prozesspfleger) bestellt worden sei, tatsächlich prozessfähig sei oder die Prozessfähigkeit im Laufe des Verfahrens wiedererlange, ende das Amt des Prozesspflegers erst mit dem Wirksamwerden der gerichtlichen Aufhebung der Bestellung. Die Bestellung des Prozesspflegers beruhe auf der Anordnung des Gerichts. Die Beendigung des Amts des Prozesspflegers müsse schon deshalb – von dem Fall des Verfahrenseintritts des ordentlichen gesetzlichen Vertreters des Verfahrensbeteiligten abgesehen – ebenfalls der gerichtlichen Entscheidung vorbehalten bleiben (Hinweis auf Stein/Jonas/Jacoby, ZPO, 23. Aufl., § 57 Rn. 14).
Dass die Prozesspflegschaft nur durch gerichtliche Aufhebung ende, sei aus Gründen der Rechtssicherheit und -klarheit geboten. Im gerichtlichen Verfahren müsse verlässlich feststehen, ob der Verfahrensbeteiligte durch den Prozesspfleger wirksam vertreten werde und Zustellungen an diesen wirksam vorgenommen werden können (§ 170 I ZPO). Endete die Bestellung des Prozesspflegers von selbst, wenn der Verfahrensbeteiligte prozessfähig werde, oder wäre sie unwirksam, wenn der Beteiligte von Anfang an prozessfähig sei, wären nachfolgende Zustellungen an ihn unzulässig. Das führte zu erheblicher Rechtsunsicherheit, was mit dem Zweck des § 57 ZPO, den anderen Verfahrensbeteiligten einen effektiven Rechtsschutz zu gewähren (Hinweis auf BGH NJW 2011, 1739 Rn. 11), nicht vereinbar wäre. Richtigerweise blieben Verfahrenshandlungen des Prozesspflegers und Zustellungen an ihn daher auch dann wirksam, wenn seine Bestellung aufgehoben werde, weil sich herausstelle, dass der Vertretene doch prozessfähig sei (Hinweis auf BGH NJOZ 2017, 223 Rn. 20 = FD-ZVR 2016, 380329 mAnm Toussaint).
Praxishinweis
Der BGH entscheidet gegen die bislang hM den Zeitpunkt, wann die Prozesspflegschaft endet. Diese nahm an, das Amt des Prozesspflegers ende kraft Gesetzes, wenn die Partei prozessfähig werde. Die Stellung des besonderen gesetzlichen Vertreters gem. § 57 ZPO könne nicht stärker sein als die des gesetzlichen Vertreters der Partei (etwa Zöller/Althammer, ZPO, 33. Aufl., § 57 Rn. 9). Dem erteilt der BGH mit den besseren Argumenten eine Absage.
Der BGH erwog im Übrigen auch, ob die Zuschlags- als Nichtigkeitsbeschwerde gem. § 569 I 3 ZPO statthaft wäre. Dies verneinte er! Die gerichtliche Bestellung eines Prozesspflegers bewirke auch dann eine gesetzmäßige Vertretung iSd § 579 I Nr. 4 ZPO, wenn der Verfahrensbeteiligte von vorneherein prozessfähig gewesen sei oder er während des Verfahrens prozessfähig werde (Hinweis ua auf Stein/Jonas/Jacoby, ZPO, 23. Aufl., § 57 Rn. 15 und Käck, Der Prozeßpfleger, 1990, S. 101). Die Bestellung eines Prozesspflegers sei zwar nicht mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar. Die Bestellung des Prozesspflegers könne aber regelmäßig mit der Hauptsache zur Überprüfung gestellt werden. Der Betroffene könne außerdem im Rechtstreit jederzeit geltend machen, prozessfähig zu sein. Er habe Anspruch auf Klärung seiner Prozessfähigkeit durch das Gericht, wenn und soweit sein persönliches Vorbringen die Möglichkeit einer ihm günstigeren Entscheidung eröffne.
BGH, Beschluss vom 10.12.2020 - V ZB 128/19, BeckRS 2020, 41055