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Das neue Jagdrevier ist leer – die Rehe haben die Lauscher gespitzt und sind alle weg. Da ist doch die Geschäftsgrundlage gestört! Oder nicht? Näheres erfahren Sie in der neuen Entscheidung der Woche aus der NJW. 

8. Dez 2023

Die Tierfreunde unter unseren Lesern können jetzt getrost weiterblättern, alle Vegetarier und Veganer auch. Denn was die Überschrift bereits erahnen lässt, wird sich im weiteren Verlauf dieses kleinen Beitrags zur Gewissheit verdichten: Diese Woche geht es an dieser Stelle um die Jagd bzw. um die Jagdpacht. Und ein solcher Pachtvertrag umfasst nun mal in nahezu allen Fällen auch das Jagdausübungsrecht, das gerne Anlass zu hitzigen Debatten gibt, wenn sich gerade kein anderes Reizthema aufdrängt – etwa die Lohn- und Gehaltsforderungen unserer Lokführer oder die Chancen unserer Fußballer auf einen Einzug ins Finale der Heim-EM im kommenden Jahr. Die einen halten die Jägerei für ein blutiges Freizeitvergnügen degenerierter Besserverdiener, die anderen pochen auf die moralischen Aspekte ihres Tuns sowie das damit einhergehende intensive Naturerlebnis, das allerdings keinen Deut unintensiver wird, wenn man Rehen oder Feldhasen nur beim Äsen bzw. Mümmeln beobachtet, und nicht noch abknallt. Dem Beklagten in dem Fall, den das OLG Düsseldorf im August faktisch entschieden hat, kam es aber genau darauf an (Hinweisbeschl. v. 24.8.​2023 – 24 U 64/22).

Zu beurteilen hatte der Senat einen Jagdpachtvertrag, den das klagende Land mit dem Beklagten und einem weiteren Pächter abgeschlossen hatte. Irgendwann begehrten die Pächter eine Anpassung der Jagdpacht nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage, weil das von ihnen gepachtete Revier alles hatte, vom Wildbestand mal abgesehen. Die Tiere hatten nämlich, kaum dass die Tinte unter dem streitgegenständlichen Pachtvertrag getrocknet war, das Weite gesucht und gefunden. Weil aber eine derartige Abwanderung bei Wild wohl nicht ganz unüblich ist – selbst sechsspurige Autobahnen kann es bekanntlich nicht davon abhalten, mal die Seiten bzw. das Revier zu wechseln – , sah das OLG Düsseldorf, wie bereits die Vorinstanz, in dem fehlenden Bestand an zum Abschuss freigegebenen Rehen keinen Mangel des Pachtobjekts, auch wenn die bereits in den Speiseplan des Beklagten eingeflossen sein mochten. Zumal die Verpächterin mit Blick auf diese nicht ganz unübliche Abwanderung nichts versprochen hatte, was auch nur im Entferntesten als Zusicherung einer bestimmten Abschussquote verstanden werden könnte. Die angeblich gestörte Geschäftsgrundlage sollte es deshalb richten, was ihr aber nicht gelang. Denn der BGH hatte einem solchen Rückgriff im Anwendungsbereich der miet- und pachtrechtlichen Gewährleistungsvorschriften nach den §§ 536 ff. BGB (§ 581 II BGB) bereits vor Jahrzehnten seinen Segen verweigert, wie man schon in NJW (2000, 1714) und NZM (2000, 492) nachlesen konnte. Dass der Beklagte sich möglicherweise über die Anzahl des in seinem Revier befindlichen Rotwilds getäuscht hat (nicht: getäuscht wurde), entbinde ihn nicht von der Zahlung der vereinbarten und noch ausstehenden Pacht von mittlerweile knapp 20.000 EUR, so das OLG Düsseldorf in seinem Hinweisbeschluss. Denn wenn unser Jagdfreund in der Jägerschule mal besser aufgepasst hätte, dann hätte er gewusst, dass Rotwild sich nicht nur durch ein äußerst delikates Fleisch auszeichnet, sondern auch durch eine gewisse Umtriebigkeit (die Entscheidung ist im Volltext abrufbar unter BeckRS 2023, 24531).

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Dr. Monika Spiekermann ist Redakteurin der NJW.