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Das OVG Münster hat unlängst entschieden, dass ein elektronische Empfangsbekenntnis Beweis für die Entgegennahme „des in ihm bezeichneten Schriftstücks“ erbringt. Das Problem: In einem eEB wird gar kein Schriftstück „bezeichnet“.

8. Apr 2021

Man kann sich kaum noch vorstellen, dass es Zeiten gab, in denen Computer zwar schon dazu eingesetzt wurden, Texte und Layouts zu erstellen, diese aber noch nicht in der Lage waren, bei der Eingabe anzuzeigen, wie das Dokument am Ende aussehen wird. Der entscheidende Durchbruch war: WYSIWYG! Das Akronym steht für What You See Is What You Get. Heute ist es selbstverständlich, dass der Nutzer bereits während der Eingabe am Bildschirm erkennen kann, wie das Dokument letztlich aussieht.

Wie verhält es sich aber beim elektronischen Empfangsbekenntnis mit WYSIWYG? Wird ein eEB angefordert, lässt sich über die beA Webanwendung eine Art Vorschau aufrufen. Bei der Erstellung ist dann aber nur ein Webformular zu sehen, wohingegen nach Versendung wieder ein „lesbares“ Empfangsbekenntnis aufgerufen werden kann. Das Dargestellte beruhigt: Sieht es doch fast so aus, wie das gewohnte Empfangsbekenntnis auf Papier. Vermutlich werden viele Nutzer das solchermaßen dargestellte „Empfangsbekenntnis“ ausdrucken und – als vermeintlichen Nachweis – in ihre Handakte heften. Das erscheint vernünftig, hat doch das OVG Münster (NJW 2021, 1113 Ls. – unter Nr. 14 in diesem Heft) unlängst ausgeführt, dass das eEB ebenso wie ein auf dem Postweg zurückgesandtes Empfangsbekenntnis Beweis für die Entgegennahme „des in ihm bezeichneten Schriftstücks“ erbringt. Aber welches Schriftstück wird denn eigentlich in einem eEB „bezeichnet“? Die Antwort überrascht: Keines!

Das eEB ist ein strukturierter Datensatz in Form einer xml-Datei. Dieser enthält nach der derzeit gültigen XJustiz 2.4.0-Spezifikation einen Nachrichtenkopf, Grunddaten und Fachdaten. Keiner dieser Bereiche sieht die Bezeichnung von Schriftstücken vor. Wenn die beA Webanwendung oder eine Kanzleisoftware ein Empfangsbekenntnis mit darin aufgeführten Dokumenten anzeigt, so handelt es sich also nicht um eine Darstellung des zurückgesandten eEB, sondern um das Ergebnis einer vom Programmierer angestoßenen Kombination des XJustiz Datensatzes, eines sogenannten Stylesheets und Daten einer weiteren Informationsquelle, vorzugsweise der Ursprungsnachricht.

Bei der Justiz verhält es sich ähnlich: In dem zurücklaufenden eEB ist kein Schriftstück benannt, lediglich eine Nachrichten-ID. Unter Hinzuziehung der ursprünglichen Nachricht lässt sich mithilfe des Stylesheets dann ein lesbares Empfangsbekenntnis „basteln“. Vielleicht – aber auch nur vielleicht – sind dann darin auch Schriftstücke benannt, die dem Empfänger tatsächlich zugestellt wurden. Eines ist jedenfalls klar: Das, was sichtbar gemacht wird, ist nicht das, was der Zustellungsempfänger geschickt hat und auch nicht zwingend das, was ihm an seinem Bildschirm angezeigt wurde.

Beim eEB muss das Akronym WYSIWYG wohl etwas ergänzt und wie folgt gelesen werden: What You See Is What Your Programmer Wants YouTo See. Believe it or not.

Dr. Mirko Möller ist Rechtsanwalt und Notar in Dortmund.